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Anlage 2 - Traumaambulanz-Verordnung (TAV)

V. v. 20.10.2022 BGBl. I S. 1816 (Nr. 38)
Geltung ab 01.01.2024; FNA: 860-14-1 Sozialgesetzbuch

Anlage 2 (zu § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2) Empfehlung des Vorstandes für den Erwerb einer Zusatzqualifikation „Spezielle Psychotraumatherapie mit Kindern und Jugendlichen (DeGPT)" (Überarbeitete Fassung 2020)


Anlage 2 wird in 1 Vorschrift zitiert

Präambel

Spezialisierte psychotraumatologische Kenntnisse sind Grundlage für die qualifizierte Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Traumafolgestörungen. Da entsprechende Unterrichtsinhalte in den grundständigen Weiter- und Ausbildungscurricula von Kinder- und JugendpsychotherapeutInnen, Psychologischen und Ärztlichen PsychotherapeutInnen nicht in ausreichendem Umfang integriert sind, empfiehlt die DeGPT folgende Standards für eine Qualifikation in „Spezieller Psychotraumatherapie mit Kindern und Jugendlichen (DeGPT)".

Das von der DeGPT erarbeitete Curriculum trägt der Forderung anerkannte Behandlungsverfahren bzw. Behandlungsmethoden zu lehren Rechnung und wird regelmäßig nach dem aktuellen Stand der Forschung aktualisiert.

In der vorliegenden Curriculumsüberarbeitung wurden sowohl die Behandlungsempfehlungen der S3 Leitlinie Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD) als auch die Ergebnisse einer Umfrage bei den von der DeGPT anerkannten Weiterbildungsinstituten und den AbsolventInnen der DeGPT-Curricula einbezogen. Die Ergebnisse der Umfrage zeigten einen erhöhten Bedarf an Weiterbildung für die Themenbereiche akute Traumafolgestörungen und der transkulturellen Kompetenz auf. Diesem Bedarf wurde in Vertiefungsmodulen von jeweils 16 Stunden Rechnung getragen. Zudem wurde das Vertiefungsmodul „Kinderschutz" hinzugefügt. Das aktuelle DeGPT-Curriculum sieht für die Erlangung der Zertifizierung „Spezielle Psychotraumatherapie mit Kindern und Jugendlichen (DeGPT)" die Absolvierung des Basiscurriculums im Ausmaß von 140 Stunden sowie verpflichtend mindestens eines der drei genannten Module (Vertiefungsmodul „Behandlung akuter Traumafolgestörungen", „Transkulturelle Kompetenz" oder „Kinderschutz") im Umfang von je 16 Stunden vor.

Voraussetzungen

Deutschland:

-
Approbation als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut/in

-
Approbation/Anerkennung als ärztliche/r oder psychologische/r Psychotherapeut/in

-
Facharzt/-ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie

-
Approbation als Arzt/Ärztin und Facharztqualifikation für Psychiatrie und Psychotherapie oder Psychotherapeutische Medizin/Psychosomatische Medizin*

Schweiz:

-
Anerkennung als Fachpsychologe/in für Psychotherapie FSP/BAG

-
Psychotherapeut/in mit kantonaler Praxisbewilligung

-
Facharzt/-ärztin/ FMH für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie

-
Anerkennung als Facharzt/-ärztin FMH für Psychiatrie und Psychotherapie*

Österreich:

-
Facharzt/-ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapeutische Medizin

-
Facharzt/-ärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin*

-
Arzt/Ärztin mit dem Diplom „Psychotherapeutische Medizin der Österreichischen Ärztekammer"

-
Eintrag in die Liste der „PsychotherapeutInnen" des zuständigen Ministeriums

-
Eintrag in die Liste der „Klinischen PsychologInnen" des zuständigen Ministeriums

-
Klinische PsychologInnen mit einer im Österreichischen Psychologengesetz 2013 geforderten Stundenanzahl an Selbsterfahrung können das Zertifikat „Spezielle Psychotraumabehandlung mit Kindern und Jugendlichen (DeGPT)" erwerben.

---
*
Im Sinne der Adoleszenzpsychiatrie und Transition ist eine Zulassung der mit * gekennzeichneten Abschlüsse begründet.

Zu beachten ist, dass die Weiterbildung in „Spezieller Psychotraumatherapie mit Kindern und Jugendlichen (DeGPT)" alleine jedoch nicht zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen ermächtigt. Die Voraussetzung hierfür sind die berufsrechtlichen Vorgaben in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Qualifikation in „Spezieller Psychotraumatherapie bei Kindern und Jugendlichen" (DeGPT)

A Curriculare Inhalte/Module Stud. (UE)
1.Theoretische Grundlagen
- Geschichte der Psychotraumatologie
- Definitionen (traumatischer Stress, Trauma Typ I, II, ACE, sequentielle Traumatisierung, etc.)
4
 - Häufigkeit der traumatischen Lebenserfahrungen im Kindes- und Jugendalter und Häufigkeit
von Traumafolgeerkrankungen und komorbiden Störungsbildern
- Besondere Aspekte des Traumagedächtnisses in den verschiedenen Lebensaltern
- Überblick über den aktuellen Stand der Traumatherapieforschung bei Kindern- und Jugend-
lichen
- Entwicklungspsychologische/-psychopathologische Aspekte bei der Entwicklung von Trau-
mafolgestörungen
- Auswirkungen von Traumatisierung auf die Familie und soziale Bezugssysteme
- Gesellschaftliche Auswirkungen von Traumatisierungen (gesellschaftliche Folgekosten, so-
ziale Teilhabe)
- Gewalt in Familie und Gesellschaft, Genderaspekte
- Rechtliche Grundlagen Gewaltschutzgesetze (Kinderschutz, Jugendhilfe, Grenzen der
Schweigepflicht, Opferentschädigungsgesetz, Zivilrecht, Strafrecht, etc.)
- Möglichkeiten kontinuierlicher Fortbildung und Supervision/Intervision (S3-Leitlinie, weitere
Leitlinien, Fachgesellschaften)
 
2. Ätiologische Modelle und neurobiologische Grundlagen
- Überblick über ätiologische Modelle zur Entstehung von Traumafolgestörungen
- Kenntnisse über Schutz- und Risikofaktoren für die Entwicklung von Traumafolgestörungen
bei unterschiedlichen Arten der Traumatisierung mit besonderer Perspektive auf das Kindes-
und Jugendalter
- Neurobiologische Grundlagen (HPA-Achse, Hippocampus, Amygdala) und Neuroimmunolo-
gie
- Körperliche Traumafolgestörungen, Auswirkungen von Traumatisierung in der Kindheit auf
die körperliche Gesundheit (Wirkmechanismen, Langzeitfolgen)
4
3. Grundlagen der Diagnostik und Differentialdiagnostik
- Diagnostische Einordung im ICD-11 und DSM-5
- Diagnosekriterien für Kinder unter 6 Jahren. Besondere Aspekte der Diagnostik bei Kleinkin-
dern bei frühkindlicher Traumatisierung (vorsprachliches Alter)
- Überblick über verschiedene aktuelle psychometrische Testverfahren zur Erfassung von
Traumafolgestörungen und einzelner Symptome (Anwendung und Interpretation in Theorie
und Praxis)
- Entwicklungspsychologie zum Nutzen von Selbstbeurteilungen/Auswirkungen von Traumati-
sierung und Vernachlässigung auf die Entwicklung der Selbstwahrnehmung
- Mythos der Retraumatisierung durch diagnostische Interviews
- Einbezug von Bezugspersonen in die Diagnostik
- Diagnostische Methoden/Verfahren zur Beurteilung des Misshandlungs- und Vernachlässi-
gungsrisikos (inkl. Häusliche Gewalt)
8
4. Einbezug des Herkunftssystems in die Traumatherapieplanung
Die AusbildungsteilnehmerInnen sollen lernen, welche systemischen Folgen sich durch kindli-
che, elterliche und transgenerationale Traumatisierung ergeben können. Außerdem sollen
Grundlagen für den Einbezug der Eltern in die Traumatherapie und die Elternberatung vermittelt
werden.
Insbesondere sollte auf folgende Aspekte eingegangen werden:
- Aspekte transgenerationaler Traumatisierung
- Systemische Aspekte des Umgangs mit Trauma in der Familie
- Auswirkungen von elterlicher Traumatisierung auf das Erziehungsverhalten
- Umgang mit häufigen pädagogischen Problemen in Folge von traumatischen Erfahrungen der
Kinder (Trennungsangst, Schlafstörungen, Regression, Impulsivität, (Auto-)Aggression, emo-
tionale Instabilität, Dissoziation, etc.)
- Aufgaben der Eltern, Pflegeeltern und sozialpädagogischen Fachkräfte bei der Begleitung
eines Kindes während einer Traumatherapie
- Umgang mit vernachlässigenden und misshandelnden Elternteilen in der Therapie
4
5. Beziehungsgestaltung, Affektregulation und Ressourcenaktivierung
In diesen Lerneinheiten sollen Fachwissen und dem Entwicklungsstand des Kindes entspre-
chende therapeutische Techniken vermittelt werden, die es erlauben eine tragfähige therapeu-
tische Beziehung aufzubauen und den PatientInnen helfen sich zu stabilisieren, indem sie ihre
Emotionen besser erkennen und regulieren und ihre Ressourcen aktivieren können.
Beziehungsgestaltung, insbesondere bei interpersoneller Traumatisierung
- Berücksichtigung des hohen Stresslevels der Kinder und Jugendlichen bei der Beziehungs-
aufnahme
- Folgen von interpersoneller Traumatisierung auf die Bindungssicherheit (Bindungstheorie)
und die soziale Informationsverarbeitung
- Einfluss auf das Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle bei der Gestaltung der therapeu-
tischen Beziehung
- Techniken zur Reflexion der emotionalen Reaktion und der ausgelösten Handlungsimpulse
bei den behandelnden TherapeutInnen
Techniken zur Förderung der Affektregulation und Ressourcenaktivierung
Förderung von Affektregulation, Selbst- und Beziehungsmanagement und sozialen Kompeten-
zen sowie von intra- und interpersonellen Ressourcen. Techniken zur Re-Orientierung und
Unterbrechung intrusiver Symptome durch Distanzierung.
1. Kognitive Techniken (z. B. Explorieren und Verändern dysfunktionaler Kognitionen, Bear-
beiten von Kognitionen und Emotionen zu Schuld, Scham und anderer traumaassoziierter
kognitiv-emotionaler Schemata)
2. Imaginative Techniken zur Distanzierung und Ressourcenaktivierung (z. B. Imaginations-
übungen, Screentechniken)
3. Gezielte Förderung der Fähigkeit zur Affektmodulation (Wahrnehmung, Interpretationen
Regulation) und Affektkontrolle (z. B. achtsamkeitsbasierte und körperbasierte Übungen,
Psychoedukation)
4. Symptommanagement bei Selbstverletzungen und anderen selbstschädigenden Handlun-
gen (Skillstraining). Erstellen von Notfallplänen („Notfallkoffer") und Ressourcenlisten
5. Aktivierung von Ressourcen, welche mit der Bewältigung von belastenden Ereignissen und
Situationen einhergehen
Aus allen fünf Bereichen sollen Techniken ausführlich dargestellt, praktisch eingeübt und ihr
differenzieller Einsatz diskutiert werden (Entwicklungsalter, Indikation, Rahmenbedingungen)
16
6. Transkulturelle Kompetenzen
Besonderheiten klinischer Symptomatik (kulturspezifischer Krankheitsausdruck, genderspezifi-
sche transkulturelle Aspekte) Krankheitskonzepte/Therapieerwartungen.
Ein Überblick soll gegeben werden zu:
- Entwicklungspsychologische und systemische Aspekte von Migration (Parentifizierung,
divergierende Erziehungsvorstellungen, Integrationsprobleme von traumatisierten Familien)
- Multilinguale Diagnostik (Instrumente, DolmetscherInnen)
- Postmigrationsstressoren, Prämigrationserfahrungen
- Überblick über Begrifflichkeiten von Kultur, Migration (Migrationsprozess), erzwungene
Migration
- Überblick über transkulturelle Kompetenzen (Akkulturation und Identität)
- Überblick über Besonderheiten im Therapieverlauf (z. B. Psychoedukation, kultursensitive
Behandlungsansätze)
- Rechtlicher Status (Juristische Grundlagen, Auswirkungen auf Behandlung)
- Dolmetscher gestützte Therapie (Regeln, Professionalisierung des Dolmetschers, länder-
spezifische Abrechnungsmöglichkeiten)
4
7. Überblick über die Möglichkeiten der Krisenintervention und die Behandlung akuter Traumafolgen
- Überblick über die nosologischen Konzepte und Diagnostik akuter Traumafolgen in ICD-11
(akute Belastungsreaktion) und DSM-5 (akute Belastungsstörung)
- Vorstellung der AWMF-S2-Leitlinie „Diagnostik und Behandlung von akuten Folgen psy-
chischer Traumatisierung"
8
 - Akute Traumatisierung: Phasenverlauf und Symptomatik, Begriffsklärungen und Vorstellung
der Konzepte der „psych(olog)ischen Erste Hilfe" (PEH) und „Psychosozialen Notfallversor-
gung" (PSNV) in präklinischen Kontexten, z. B. Kriseninterventionsteams, psychologische
Akutbetreuung, Notfallseelsorge
- Grundlagen der Gesprächsführung mit akut belasteten Betroffenen mit dem Fokus Unterstüt-
zung natürlicher Verarbeitungsprozesse, Identifikation und Aktivierung von Ressourcen
- Traumaspezifische Beratung und Einbeziehung von Angehörigen bei akuten Belastungsreak-
tionen/-störungen
- Unterstützung natürlicher Verarbeitungs- und Integrationsprozesse, Kenntnisse über prä-
und posttraumatische Schutz- und Risikofaktoren, Identifikation und Aktivierung von Res-
sourcen. Spezifische Anforderungen bei Kriseninterventionen vor Ort (aufsuchende Hilfe),
Interventionen und Unterstützungsmaßnahmen in speziellen Betreuungskontexten, z. B.
Schule, Sportveranstaltungen, Freizeitaktivitäten mit Anforderungen an Einzel- und Gruppen-
interventionen. Umgang mit akuten Risikokonstellationen, z. B. Dissoziation, Suizidalität
- Screening bzw. prognostische Einschätzung für die Entwicklung von Traumafolgestörungen
nach akuter Traumatisierung mit Berücksichtigung der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen
- Überblick über Behandlungs- und Unterstützungsmöglichkeiten für akut von Gewalt betrof-
fenen Kindern und Jugendliche (Kinderschutz, klinisch forensische Ambulanzen, Schutzhäu-
ser, etc.)
- Psychoedukation zu natürlichen Belastungsreaktionen
 
8.Traumafokussierte Behandlung der PTBS bei Kindern und Jugendlichen
Vermittelt werden sollen die Kernelemente evidenzbasierter Behandlungsansätze mit trauma-
fokussierten Interventionen, die eine Exposition im Sinne einer kognitiven und emotionalen Aus-
einandersetzung mit dem traumatischen Ereignis und/oder seiner Bedeutung für die eigene Bio-
graphie im Sinne eines ressourcenorientierten Narratives beinhalten. Durch die Intervention kann
eine kognitive Neubewertung und Restrukturierung der traumatischen Erinnerung erfolgen. Eine
sehr hohe Evidenz liegt im Kindes- und Jugendalter für verschiedene Formen der kognitiven
Verhaltenstherapie vor. Auch zu anderen kognitiv-verhaltenstherapeutischen Verfahren wie der
Narrativ Exposure Therapie für Kinder (Kidnet) und der prolongierten Exposition gibt es erfolg-
reiche RCT Studien. Für das für Kinder adaptierte EMDR Manual liegen im Kindes- und Jugend-
alter inzwischen Metaanalysen vor, die ebenfalls dessen Wirksamkeit belegen.
Es sollen eine traumafokussierte Vorgehensweise detailliert in Theorie (Krankheitsmodelle, In-
dikation, Kontraindikation, Differentialindikation) und Praxis (praktische Übungen, Beherrschen
des Behandlungsprotokolls) vermittelt werden (24h). Ein anderes Therapieverfahren soll im
Überblick mit Fokus auf Gemeinsamkeiten evidenzbasierter Therapieverfahren vorgestellt wer-
den und unterschiedliche Zugänge die das Erlernen der Hauptmethode unterstützend vertiefen
können (8h). Nähere Ausführungen dazu siehe unten. Die Behandlung sollte in Theorie (Krank-
heitsmodelle, Indikation, Kontraindikation, Differentialindikation) und Praxis (praktische Übun-
gen, Beherrschen des Behandlungsprotokolls) gelehrt werden. Hierbei sollte auch der Einbezug
von Eltern und Betreuern konkret angeleitet, reflektiert und geübt werden.
- Herstellung intrapsychischer, körperlicher und sozialer Sicherheit und Stabilität (Kinder-
schutz, biopsychosoziale Sicherheit) in möglichst allen Lebensbereichen des Kindes
- Beachtung der Besonderheiten der Beziehungsgestaltung durch den Therapeuten
- Vermittlung von Fähigkeiten zur Affektregulation und funktionaler Interaktion, Rekonstruktion
des erschütterten Selbst- und Weltbildes, (Re-) Aktivierung von Lebensfreude und Vermitt-
lung von Hoffnung
- Traumabearbeitung, Exposition (imaginative Exposition in Bezug auf die Traumaerinnerung,
narrative Exposition, Exposition in vivo)
- Reorganisation der Erinnerungen und Integration
- Fachgerechte Berücksichtigung komorbider Störungen in einem Behandlungsplan
Es müssen zwei traumafokussierte Behandlungsverfahren vorgestellt werden. Aufgrund der wis-
senschaftlichen Evidenz, sollte eines der Verfahren 1 - 3 ausführlich im Umfang von 24 UE, ein
weiteres Verfahren (aus 1 - 6) im Umfang von 8 UE im Überblick und eines der beiden gewählten
Verfahren in ihrer kinder- und jugendlichenspezifischen Anwendung vermittelt werden.
1. Trauma-fokussierte kognitiv-behaviorale Therapie (Tf-KBT)
2. Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR)
3. Narrative Expositionstherapie für Kinder und Jugendliche (KIDNET)
4. Traumazentrierte spieltherapeutische Verfahren
5. Mehrdimensionale psychodynamische Traumatherapie bei Kindern (MPTT-KJ)
32
 6. Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie bei Kindern (PITT)
Adaptationen wie etwa bei der Verwendung eines gruppentherapeutischen Settings (etwa nach
Katastrophen oder Großschadenslagen), sollen ebenfalls vorgestellt werden.
Über Behandlungsansätze bei traumabedingter prolongierter Trauer und Kind-Eltern-Therapie
bei Kindern bis drei Jahren wird informiert.
 
9. Behandlung von komplexen Traumafolgestörungen und komorbider Symptomatik bei
Kindern und Jugendlichen
Der aktuelle Erkenntnisstand zur komplexen PTBS im Kindes- und Jugendalter ist insbesondere
im Bereich der Interventionsforschung deutlich beschränkter als im Erwachsenenalter. Für Ju-
gendliche spricht vieles dafür sich am Forschungsstand für Erwachsene zu orientieren und eine
Kombination aus einem evidenzbasierten Traumatherapieverfahren und Fertigkeitentraining zu
vermitteln. Für das Kindesalter ist die Befundlage unsicher, es gibt jedoch deutliche Hinweise
darauf, dass eine erfolgreiche Expositionstherapie auch die Emotions- und Beziehungsregulation
verbessert. Die Materialien und Sprache müssen dem aktuellen Entwicklungsstand angepasst
werden.
- Spezifika der Beziehungsgestaltung zu komplex traumatisierten Kindern (Vermittlung auch
von spielerischen Methoden zum Aufbau einer therapeutischen Allianz)
- Komplexe PTBS im Kindesalter - historische Entwicklung (von Desnos über Traumaentwick-
lungsstörung zur Diagnose komplexe PTBS im ICD-11). Bedeutung von Kindheitstraumata
für den weiteren Entwicklungsweg
- Psychoedukation bei komplexer PTBS in verschiedenen Entwicklungsaltern
- Symptome einer komplexen PTBS im Bezug zu den zentralen Entwicklungsaufgaben, Ver-
ständnis von Komorbidität und Differentialdiagnostik (Abgrenzung von Persönlichkeitsstö
rungen, Störungen des Sozialverhaltens und der Emotionen)
- Erkennen und Einschätzen von körperlichen Zeichen physischer Misshandlung und Vernach-
lässigung
- Risikofaktoren für Kindesmisshandlung, -missbrauch und Vernachlässigung
- Wissen um Täterstrategien bei sexuellem Missbrauch
- Beratung von Bezugspersonen: pädagogische Herausforderung durch komplexe PTBS
- Spezifika der Beziehungsgestaltung in verschiedenen Entwicklungsaltern (spiel- und ge-
sprächstherapeutische Zugänge)
- Spezifika der Anwendung des Haupttherapieverfahrens (KVT oder EMDR) für die Behand-
lungen von komplexer PTBS:
- Vorbereitung und Rahmenbedingungen der Expositionsbehandlung
- Auswahl des Ereignisses mit dem die Expositionstherapie begonnen wird
- Debatte über die Bedeutung der Stabilisierungsphase (Substanzgebrauch, Selbstverlet-
zung, Suizidgedanken)
- Umgang mit Dissoziation während der Behandlung
- Stabilisierung nach der Behandlung
- Schutz vor Reviktimisierung
- Dem Entwicklungsstand entsprechende Interventionen zur Verbesserung der Emotionsregu-
lation
- Bei Kindern: Sammlung von altersentsprechenden Techniken und Methoden
- Bei Jugendlichen: Sammlung von Techniken und Methoden (DBT-A/P, START: Stress-
Traumasymptoms-Arousal-Regulation-Treatment)
- Dem Entwicklungsstand entsprechende Interventionen zur Verbesserung der Beziehungsre-
gulation
- Dem Entwicklungsstand entsprechende Interventionen zur Verbesserung des Selbstwertes
und der Selbstwertregulation
32
10. Selbsterfahrung und Psychohygiene
Themenzentrierte Selbsterfahrung (auch im Gruppensetting) bei vom jeweiligen Ausbildungsin-
stitut benannten und entsprechend qualifizierten SupervisorInnen.
Psychohygiene für PsychotherapeutInnen:
- Reflexion von potentieller sekundärer Traumatisierung und Burnout-Risiken
8
 - Reflexion der eigenen therapeutischen Haltung und Abstinenz
- Verfahren und Methoden zum Selbstschutz und Psychohygiene für BehandlerInnen
 
11.Supervision
Regelmäßige Supervision eigener Behandlungsfälle (in der Regel videodokumentiert) durch ent-
sprechend qualifizierte SupervisorInnen (u. a. Indikationsstellung und Behandlungsplanung) im
Einzelsetting oder in Gruppen (maximal 6 Teilnehmer).
20
BAbschlusskolloquium
Kollegiales fallbezogenes Gespräch mit Dokumentation der Prüfungsthemen in einem stich-
punktartigen Protokoll.
Als Voraussetzungen für die Zulassung zum Abschlusskolloquium sind 4 supervidierte und do-
kumentierte Behandlungsfälle (Kurzfassung - 4 - 6 Seiten) mit unterschiedlichen Störungsbildern
(Vollbild PTBS, komplexe Traumatisierung u. a. nach frühen Kindheitstrauma Behandlungsstun-
den, und - wenn möglich - Akuttraumatisierung) einzureichen, von denen alle Behandlungsfälle
eine volle Diagnostik (einschließlich mindestens 2 traumaspezifischer Testverfahren) beinhalten
müssen und 2 dem Abschlusskolloquium zugrunde gelegt werden. Vorzugsweise sollten die
Fälle videodokumentiert und supervidiert sein. Insgesamt müssen mindestens 50 traumathera-
peutische Behandlungsstunden absolviert und dokumentiert worden sein (dies beinhaltet
auch Stunden mit Angehörigen).
Die Supervision der Behandlungsfälle erfolgt im Verhältnis 1:4
 
 Gesamtstunden (UE) 140
CVertiefungsmoduleStud. (UE)
 Vertiefungsmodul „Behandlung akuter Traumafolgestörungen"
- Vertiefung der nosologischen Konzepte in ICD-11 (Akute Belastungsreaktion) und DSM-5
(Akute Belastungsstörung) sowie deren Auswirkungen auf die Behandlung akut belasteter
Kinder und Jugendlicher
- Vertiefung AWMF-S2-Leitlinie „Diagnostik und Behandlung von akuten Folgen psychischer
Traumatisierung"
- Überblick über traumafokussierte Behandlungstechniken in den ersten 4 Wochen nach aku-
ter Traumatisierung (Evidenzbasis, aktueller Forschungsstand zur Wirksamkeit empfohlener
Verfahren und ihrem Einsatz für verschiedene Zielgruppen)
- Besonderheiten der Akutbetreuung und der Psychosozialen Notfallversorgung durch abge-
stufte Unterstützungsangebote
- Vertiefung: Allgemeine Gesprächsführung mit akut belasteten Kindern und Jugendlichen und
deren Angehörigen (im Einzel- und Gruppensetting, z. B. bei Ereignissen in der Schule, beim
Sport, bei Großveranstaltungen). Gesprächsführung mit akut belasteten Erziehungsberech-
tigten
- Überblick über aktuelle Empfehlungen und Leitlinien zur Behandlung von Betroffenen großer
Schadenslagen (z. B. TENTS, The National Child Tramatic Stress Network/NCTSM)
- Vertiefung: Psychoedukation für Angehörige zur Unterstützung von Kindern und Jugend-
lichen nach akuten Belastungen/Traumatisierungen
- Vertiefung: Psychoedukation für Angehörige zur Unterstützung von Kindern und Jugend-
lichen nach akuten Belastungen/Traumatisierungen
- Hinweise auf weiterführende professionelle Hilfsangebote in Akutsituationen
- Vertiefung: Umgang mit schwerwiegenden Symptomen (z. B. Dissoziation, Suizidalität oder
psychotischen Zuständen)
8
 - Vertiefung einer traumafokussierten Behandlungstechnik zur Frühintervention in den ersten
4 Wochen nach akuter Traumatisierung (Theoretischer Hintergrund, Evidenzbasis, Vorgehen
und Materialien)
- Praktisches Einüben des Verfahrens in Kleingruppen anhand von Fallbeispielen
8
 Gesamtstunden (UE) 16
 Vertiefungsmodul „Transkulturelle Kompetenz"
- Grundkenntnis: Istanbul Protokoll, aufenthaltsrechtliche Bestimmungen und Verfahren mit
besonderer Berücksichtigung der Bedürfnisse und Rechte von Kindern, Jugendlichen und
unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten (UMF). Recht auf Familienzusammenführung
8
 - Vertiefung: Sequentielle Traumatisierung und Postmigrationsstressoren, Prämigrationserfah-
rungen
- Besonderheiten klinischer Symptomatik je nach Entwicklungsalter mit Berücksichtigung des
kulturspezifischen Krankheitsausdrucks und transkultureller Aspekte
- Krankheitskonzepte/Therapieerwartungen
- Vertiefung Diagnostik (Multilinguale Instrumente, Einbezug von DolmetscherInnen)
- Einbindung in multiprofessionelle Netzwerke, Schulassistenz, Jugendhilfe, Kooperation mit
anderen Einrichtungen: Behandlungszentren, Integrationskurse, etc.
- Praktisches Einüben der Verfahren in Kleingruppen anhand von Fallbeispielen
 
 - Vertiefung einer traumafokussierten Behandlungstechnik, die im transkulturellen Setting gut
anwendbar ist
- Möglichkeiten und Grenzen von therapeutischen Interventionen bei unsicherer äußerer Situa-
tion und anhaltender Stresssituation. Einführung in Prinzipien von „psycological first aid" und
Mental Health Psychoscoial Support (MHPSS). Umgang mit Krisensituationen bei neuer-
lichen Belastungen
- Vertiefung zu Besonderheiten im Therapieverlauf (z. B. Psychoedukation, Stabilisierung, kul-
tursensitive und kontextangepasste Behandlungsansätze)
- Dolmetscher gestützte Therapie (Regeln, Professionalisierung und Bedarfe an Fortbildung
und Supervision des Dolmetschers/der Dolmetscherin, Abrechnungsprozedere)
- Praktisches Einüben der Verfahren in Kleingruppen anhand von Fallbeispielen inklusive dol-
metschergestützte Traumatherapie
8
 Gesamtstunden (UE) 16
 Vertiefungsmodul „Kinderschutz und Einbeziehen des Herkunftssystems"
- Übereinkommen über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtkonvention)
- Kindeswohl und Feststellung einer Kindeswohlgefährdung
- Vorgehen bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung
- Formen der Gewalt und Vernachlässigung (incl. körperlicher Muster)
- Systemische Beachtung des Umgangs mit Trauma in der Familie
- Gesprächsführung bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung
- Gesprächsführung mit Kindern und Jugendlichen mit Misshandlungserfahrungen
- Grundsätze für das Gespräch mit Obsorgeberechtigten/Eltern
- das „Konfrontationsgespräch"
- Dokumentation von Gesprächen im Kinderschutzfall
- Mitteilung bei Verdacht der Kindeswohlgefährdung, Verschwiegenheits-, Anzeige- und Mel-
depflicht
- Multiprofessionelle Zusammenarbeit und Einbeziehung der Kinderschutzgruppen
- Länderspezifische gesetzliche Rahmenbedingungen
- Umgang mit Schweigepflichten, länderspezifische rechtliche Regelungen für Psychologen,
Psychotherapeuten, Ärzte (Österreich, Deutschland, Schweiz)
- Gelingensfaktoren im Kinderschutz
- Reflektierte Auseinandersetzung mit der Kinderschutzarbeit
- Umgang mit vernachlässigenden und misshandelnden Elternteilen in der Therapie
8
 - Vertiefung der Auswirkungen von elterlicher Traumatisierung auf das Erziehungsverhalten
- Vertiefung von Aspekten der transgenerationalen Traumatisierung
- Kinderschutzgruppe (KSG) und interdisziplinäre Zusammenarbeit
- Zusammensetzung, Aufgaben und Ziele der KSG
- Dokumentation der KSG
- Schriftliche Gefährdungsmeldung und Anzeige
- Regelungen zur Verschwiegenheit in der professionellen Zusammenarbeit
- Basiswissen über Schutzkonzepte in Institutionen
Externe Unterstützungsangebote/Netzwerke
- Kooperation mit der Kinder- und Jugendhilfe
8
 - Hilfsangebote für Kinder und Jugendliche
- Hilfsangebote für Obsorgeberechtigte/Eltern
- Angebote für PädagogInnen, BeraterInnen, PsychotherapeutInnen
Selbstfürsorge im Kinderschutz
- Umgang mit Herausforderungen
- Rollenverständnis und -klarheit
- Kollegialer Austausch und Reflexion im Team
- Nachbearbeitung von Kinderschutzfällen
- Supervision
 
 Gesamtstunden (UE) 16




 

Zitierungen von Anlage 2 TAV

Sie sehen die Vorschriften, die auf Anlage 2 TAV verweisen. Die Liste ist unterteilt nach Zitaten in TAV selbst, Ermächtigungsgrundlagen, anderen geltenden Titeln, Änderungsvorschriften und in aufgehobenen Titeln.
 
interne Verweise

§ 4 TAV Qualifikationsanforderungen bei Behandlung von Kindern und Jugendlichen
... ist und 2. zumindest den Modulen des Teils A Nummer 7 und 8 der Empfehlung nach Anlage 2 entspricht. Satz 1 gilt nicht, wenn die in Satz 1 Nummer 2 genannten Inhalte ...