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Artikel 1 - Zwanzigste Verordnung zur Änderung der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (20. RSA-ÄndV)
Artikel 1 Änderung der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung
Artikel 1 ändert mWv. 1. Juli 2009 RSAV § 28b, § 28c, § 28e, § 28g, Anlage 1, Anlage 5, Anlage 5a (neu), Anlage 7
Die Risikostruktur-Ausgleichsverordnung vom 3. Januar 1994 (BGBl. I S. 55), die zuletzt durch die Verordnung vom 11. März 2009 (BGBl. I S. 497) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
- 1.
- In § 28b Absatz 1 Satz 2 werden nach der Angabe „Anlagen 1, 3, 5" die Wörter „in Verbindung mit 5a" eingefügt.
- 2.
- In § 28c Satz 2 werden nach der Angabe „Anlagen 1, 3, 5" die Wörter „in Verbindung mit 5a" eingefügt.
- 3.
- In § 28e Satz 2 werden nach der Angabe „Anlagen 1, 3, 5" die Wörter „in Verbindung mit 5a" eingefügt.
- 4.
- In § 28g Absatz 1 Satz 2 werden nach der Angabe „Anlagen 1, 3, 5" die Wörter „in Verbindung mit 5a" eingefügt.
- 5.
- Die Anlage 1 wird wie folgt gefasst:
„Anlage 1 (zu §§ 28b bis 28g) Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme für Diabetes mellitus Typ 2- 1.
- Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)
- 1.1
- Definition des Diabetes mellitus Typ 2
- 1.2
- Diagnostik (Eingangsdiagnose)
- -
- Nachweis typischer Symptome des Diabetes mellitus (zum Beispiel Polyurie, Polydipsie, ansonsten unerklärlicher Gewichtsverlust) und
- -
- Nüchtern-Glukose vorrangig im Plasma (i. P.) ≥ 7,0 mmol/l 126 mg/dl) oder Nicht-Nüchtern-Glukose i. P. 11,1 mmol/l (≥ 200 mg/dl).
Die Diagnose eines Diabetes mellitus wird unabhängig von Alter und Geschlecht durch Messung mehrfach erhöhter Blutglukosewerte an mindestens zwei verschiedenen Tagen gestellt:- -
- mindestens zweimaliger Nachweis von Nüchtern-Glukose i. P. 7,0 mmol/l (≥ 126 mg/dl),
- -
- mindestens zweimaliger Nachweis von Nicht-Nüchtern-Glukose i. P. ≥ 11,1 mmol/l (≥ 200 mg/dl) oder
- -
- Nachweis von Glukose i. P. ≥ 11,1 mmol/l (≥ 200 mg/dl)/2 Stunden nach oraler Glukosebelastung (75g Glukose).
Interpretation eines Nüchtern-Blutglukosewertes sowie Zwei-Stunden-Blutglukosewertes nach oralem Glukosetoleranztest (75g oGTT)
Plasmaglukose | Vollblutglukose | |||||||
venös | kapillar | venös | kapillar | |||||
mmol/l | mg/dl | mmol/l | mg/dl | mmol/l | mg/dl | mmol/l | mg/dl | |
Nüchtern | ≥ 7,0 | ≥ 126 | ≥ 7,0 | ≥ 126 | ≥ 6,1 | ≥ 110 | ≥ 6,1 | ≥ 110 |
2 Std. nach oGTT | ≥ 11,1 | ≥ 200 | ≥ 12,2 | ≥ 220 | ≥ 10,0 | ≥ 180 | ≥ 11,1 | ≥ 200 |
- Bei verdächtigem klinischen Bild und widersprüchlichen Messergebnissen ist die Diagnosestellung mittels oralem Glukosetoleranztest möglich. Die zur Einschreibung führenden Messungen dürfen nicht während akuter Erkrankungen (zum Beispiel Infektionen) oder während der Einnahme das Ergebnis verfälschender Medikamente (zum Beispiel Glukokortikoide) durchgeführt werden, es sei denn, die Einnahme dieser Medikamente ist wegen einer chronischen Erkrankung langfristig erforderlich. Die Unterscheidung zwischen Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 erfolgt anhand der Anamnese und des klinischen Bildes.
Die Einschreibekriterien für strukturierte Behandlungsprogramme ergeben sich zusätzlich aus Ziffer 3. Die Leistungserbringer sollen prüfen, ob die Patientin oder der Patient im Hinblick auf die unter Ziffer 1.3.1 genannten Therapieziele von der Einschreibung profitieren und an der Umsetzung mitwirken kann.- 1.3
- Therapie des Diabetes mellitus Typ 2
- 1.3.1
- Therapieziele
- 1.
- Vermeidung von Symptomen der Erkrankung (zum Beispiel Polyurie, Polydipsie, Abgeschlagenheit) einschließlich der Vermeidung neuropathischer Symptome, Vermeidung von Nebenwirkungen der Therapie (insbesondere schwere oder rezidivierende Hypoglykämien) sowie schwerer hyperglykämischer Stoffwechselentgleisungen,
- 2.
- Reduktion des erhöhten Risikos für kardiale, zerebrovaskuläre und sonstige makroangiopathische Morbidität und Mortalität,
- 3.
- Vermeidung der mikrovaskulären Folgeschäden (insbesondere Retinopathie mit schwerer Sehbehinderung oder Erblindung, Niereninsuffizienz mit der Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie),
- 4.
- Vermeidung des diabetischen Fußsyndroms mit neuro-, angio- und/oder osteoarthropathischen Läsionen und von Amputationen.
- 1.3.2
- Differenzierte Therapieplanung
Die Leistungserbringer haben zu prüfen, ob die Patientin oder der Patient im Hinblick auf die in Ziffer 1.3.1 genannten Therapieziele von einer bestimmten Intervention profitieren kann. Die Durchführung der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen erfolgt in Abstimmung mit der Patientin oder dem Patienten nach ausführlicher Aufklärung über Nutzen und Risiken.
Sofern im Rahmen der individuellen Therapieplanung andere Maßnahmen als die in dieser Anlage genannten verordnet werden sollen, ist die Patientin oder der Patient darüber zu informieren, ob für diese Maßnahmen Wirksamkeitsbelege zur Risikoreduktion klinischer Endpunkte vorliegen.- 1.4
- Basistherapie
- 1.4.1
- Ernährungsberatung
- 1.4.2
- Tabakverzicht
- 1.4.3
- Körperliche Aktivitäten
- 1.4.4
- Stoffwechselselbstkontrolle
- 1.5
- Blutglukosesenkende Therapie
Das Ziel der antihyperglykämischen Therapie, gemessen am HbA1c-Wert, ist individuell festzulegen. Wenn die Verhinderung mikrovaskulärer Komplikationen ein Therapieziel ist, ist eine normnahe Einstellung der Blutglukose anzustreben.
Vorrangig sollen unter Berücksichtigung der Kontraindikationen und der Patientenpräferenzen Medikamente zur Blutglukosesenkung verwendet werden, deren positiver Effekt und deren Sicherheit im Hinblick auf die Erreichung der unter Ziffer 1.3.1 genannten Therapieziele in prospektiven, randomisierten, kontrollierten Langzeitstudien nachgewiesen wurden. Es handelt sich in der primären Monotherapie hierbei um folgende Wirkstoffe zur blutglukosesenkenden Behandlung:- -
- Glibenclamid (bei nicht übergewichtigen Patientinnen oder Patienten),
- -
- Metformin (bei übergewichtigen Patientinnen oder Patienten),
- -
- Human-Insulin.
- 1.6
- Behandlung hyper- und hypoglykämischer Stoffwechselentgleisungen
Für Patientinnen und Patienten, bei denen Symptomfreiheit das vorrangig vereinbarte Therapieziel ist, ist das Ausmaß der Blutglukosesenkung individuell anzupassen, um zum Beispiel folgenschwere Hypoglykämien zu vermeiden.
Das Auftreten von symptomatischen Hypoglykämien erfordert im Anschluss an eine Notfalltherapie eine zeitnahe Ursachenklärung, Therapiezielüberprüfung und gegebenenfalls Therapieanpassung.- 1.7
- Begleit- und Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus Typ 2
- 1.7.1
- Makroangiopathie
Primär sollen zur Beeinflussung makroangiopathischer Begleit- und Folgeerkrankungen Interventionen durchgeführt werden, deren positiver Effekt auf Mortalität und Morbidität, wie sie in den Therapiezielen formuliert wurden, nachgewiesen ist. Insbesondere kommen zur Prävention makroangiopathischer Folgeerkrankungen folgende Maßnahmen in Betracht:- -
- Lebensstil verändernde Maßnahmen (zum Beispiel Tabakverzicht, körperliche Aktivität und gesunde Ernährung),
- -
- antihypertensive Therapie (zur Primär- und Sekundärprävention),
- -
- Statingabe (bei Hochrisikopatientinnen und -patienten und zur Sekundärprävention),
- -
- Thrombozytenaggregationshemmer (nur zur Sekundärprävention).
- 1.7.1.1
- Antihypertensive Therapie
Wenn nicht bereits eine Hypertonie bekannt ist, kann die Diagnose wie folgt gestellt werden:
Eine Hypertonie liegt vor, wenn bei mindestens zwei Gelegenheitsblutdruckmessungen an zwei unterschiedlichen Tagen Blutdruckwerte von ≥ 140 mmHg systolisch und/oder ≥ 90 mmHg diastolisch vorliegen. Diese Definition bezieht sich auf manuelle auskultatorische Messungen durch geschultes medizinisches Personal und gilt unabhängig vom Alter oder von vorliegenden Begleiterkrankungen.
Die Blutdruckmessung ist methodisch standardisiert gemäß den nationalen Empfehlungen durchzuführen.
Sekundäre Hypertonie
Bei Hinweisen auf das Vorliegen einer sekundären Hypertonie ist eine Abklärung erforderlich. Die Ärztin oder der Arzt soll die Notwendigkeit der gezielten Weiterleitung der Patientin oder des Patienten an eine in der Hypertoniediagnostik besonders qualifizierte Ärztin oder einen besonders qualifizierten Arzt prüfen.
Therapieziele
Durch die antihypertensive Therapie soll die Erreichung der unter Ziffer 1.3.1 genannten Therapieziele (insbesondere Nummern 2 und 3) angestrebt werden. Hierfür ist mindestens eine Senkung des Blutdrucks auf Werte systolisch unter 140 mmHg und diastolisch unter 90 mmHg anzustreben.
Basistherapie
Bei der Auswahl der unter Ziffer 1.4 genannten Maßnahmen ist das Vorliegen einer arteriellen Hypertonie gesondert zu berücksichtigen.
Strukturiertes Hypertonie-Behandlungs- und Schulungsprogramm
Jede Patientin und jeder Patient mit Diabetes mellitus Typ 2 und arterieller Hypertonie soll Zugang zu einem strukturierten, evaluierten und publizierten Schulungs- und Behandlungsprogramm erhalten. Insbesondere können solche Schulungen angeboten werden, die bei diesen Patienten auf klinische Endpunkte adäquat evaluiert sind.
Medikamentöse Maßnahmen bei Hypertonie
Vorrangig sollen unter Berücksichtigung der Kontraindikationen, der Komorbiditäten und der Patientenpräferenzen Medikamente zur Blutdrucksenkung verwendet werden, deren positiver Effekt und deren Sicherheit im Hinblick auf die Erreichung der unter Ziffer 1.3.1 genannten Therapieziele (insbesondere Nummern 2 und 3) in prospektiven, randomisierten, kontrollierten Langzeitstudien nachgewiesen wurden.
Dabei handelt es sich um folgende Wirkstoffgruppen:- -
- Diuretika,
- -
- Beta1-Rezeptor-selektive Betablocker,
- -
- Angiotensin-Conversions-Enzym-Hemmer (ACE-Hemmer), bei ACE-Hemmer-Unverträglichkeit oder speziellen Indikationen AT1-Rezeptor-Antagonisten.
- 1.7.1.2
- Statintherapie
- 1.7.1.3
- Thrombozytenaggregationshemmer
- 1.7.2
- Mikrovaskuläre Komplikationen
- 1.7.2.1
- Allgemeinmaßnahmen
Bereits bestehende mikrovaskuläre Komplikationen können insbesondere zu folgenden Folgeschäden führen, die einzeln oder gemeinsam auftreten können: Sehbehinderung bis zur Erblindung, Niereninsuffizienz bis zur Dialysenotwendigkeit. Zur Hemmung der Progression ist neben der Senkung der Blutglukose in einen normnahen Bereich die Senkung des Blutdrucks in einen normalen Bereich (systolisch unter 140 mmHg und diastolisch unter 90 mmHg) von entscheidender Bedeutung.
Vor der Einleitung einer Therapie und in geeigneten Abständen soll eine individuelle Risikoabschätzung gemäß Ziffer 1.3.2 erfolgen.- 1.7.2.2
- Nephropathie bei Diabetes mellitus Typ 2
Hyperglykämie als alleinige Ursache einer Nephropathie ist in den ersten 15 Jahren Diabetesdauer selten, bei längeren Verläufen nimmt das Risiko für eine Nephropathie deutlich zu. Bei Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 spielt eine unzureichend eingestellte Hypertonie die entscheidende Rolle für die Entwicklung und das Fortschreiten der Nierenschädigung.
Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus und einer progredienten Nierenfunktionsstörung (unabhängig von der Ursache) bedürfen einer spezialisierten Behandlung (siehe Ziffer 1.8.2).
Die Ärztin oder der Arzt hat auf Grund des individuellen Risikoprofils (insbesondere Diabetesdauer, Alter, Retinopathie, weitere Begleiterkrankungen) zu prüfen, ob eine Patientin oder ein Patient von einer regelmäßigen Bestimmung der Albumin-Ausscheidung im Urin (zum Beispiel einmal jährlich) profitieren kann. Zum Ausschluss einer diabetischen Nephropathie ist der Nachweis einer normalen Urin-Albumin-Ausscheidungsrate oder einer normalen Urin-Albumin-Konzentration im ersten Morgenurin ausreichend.
Bei Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 ist einmal jährlich die Nierenfunktion vor allem durch Errechnung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) auf der Basis der Serum-Kreatinin-Bestimmung zu ermitteln.
Wenn eine diabetische Nephropathie diagnostiziert wurde, sind Interventionen vorzusehen, für die ein positiver Nutzennachweis im Hinblick auf die Vermeidung der Progression und Nierenersatztherapie erbracht ist. Dazu zählen insbesondere eine normnahe Blutdruck- und Blutglukoseeinstellung, Tabakverzicht und bei pathologisch reduzierter glomerulärer Filtrationsrate die Empfehlung einer adäquat begrenzten Eiweißaufnahme.- 1.7.2.3
- Diabetische Retinopathie
Wenn eine diabetesassoziierte Augenkomplikation diagnostiziert wurde, sind Interventionen vorzusehen, für die ein positiver Nutzennachweis im Hinblick auf die Vermeidung der Erblindung erbracht ist. Dazu zählen eine normnahe Blutglukose- und Blutdruckeinstellung sowie gegebenenfalls eine rechtzeitige und adäquate Laser-Behandlung.- 1.7.2.4
- Diabetische Neuropathie
Bei Neuropathien mit für die Patientin oder den Patienten störender Symptomatik (vor allem schmerzhafte Polyneuropathie) ist der Einsatz zusätzlicher medikamentöser Maßnahmen sinnvoll. Es kommen vorzugsweise Antidepressiva sowie Antikonvulsiva in Betracht, die für diese Indikation zugelassen sind.
Bei Hinweisen auf eine autonome diabetische Neuropathie (zum Beispiel kardiale autonome Neuropathie, Magenentleerungsstörungen, Blasenentleerungsstörungen) ist eine spezialisierte weiterführende Diagnostik und Therapie zu erwägen.- 1.7.2.5
- Das diabetische Fußsyndrom
Es ist bei allen Patientinnen und Patienten mindestens einmal jährlich eine Inspektion der Füße einschließlich Prüfung auf Neuropathie und Prüfung des Pulsstatus durchzuführen. Bei Patientinnen und Patienten mit erhöhtem Risiko soll die Prüfung quartalsweise, einschließlich der Überprüfung des Schuhwerks, erfolgen.
Bei Hinweisen auf ein diabetisches Fußsyndrom (Epithelläsion, Verdacht auf beziehungsweise manifeste Weichteil- oder Knocheninfektion beziehungsweise Verdacht auf Osteoarthropathie) ist die Mitbehandlung in einer für die Behandlung des diabetischen Fußsyndroms qualifizierten Einrichtung gemäß Überweisungsregeln nach Ziffer 1.8.2 erforderlich. Nach abgeschlossener Behandlung einer Läsion im Rahmen eines diabetischen Fußsyndroms ist die regelmäßige Vorstellung in einer für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit diabetischem Fußsyndrom qualifizierten Einrichtung zu prüfen. Die Dokumentation erfolgt nach der Wagner-Armstrong-Klassifikation.- 1.7.3
- Psychische, psychosomatische und psychosoziale Beeinträchtigung
Auf Grund der häufigen und bedeutsamen Komorbidität soll die Depression besondere Berücksichtigung finden.- 1.8
- Kooperation der Versorgungssektoren
- 1.8.1
- Koordinierende Ärztin oder koordinierender Arzt
In Ausnahmefällen kann eine Patientin oder ein Patient mit Diabetes mellitus Typ 2 eine diabetologisch qualifizierte, an der fachärztlichen Versorgung teilnehmende Ärztin oder einen diabetologisch qualifizierten, an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt oder eine diabetologisch qualifizierte Einrichtung, die für die vertragsärztliche Versorgung zugelassen oder ermächtigt ist oder die nach § 116b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch an der ambulanten ärztlichen Versorgung teilnimmt, auch zur Langzeitbetreuung, Dokumentation und Koordination der weiteren Maßnahmen im strukturierten Behandlungsprogramm wählen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Patientin oder der Patient bereits vor der Einschreibung von dieser Ärztin, diesem Arzt oder von dieser Einrichtung dauerhaft betreut worden ist oder diese Betreuung aus medizinischen Gründen erforderlich ist.
Die Überweisungsregeln unter Ziffer 1.8.2 sind von der Ärztin, vom Arzt oder der gewählten Einrichtung zu beachten, wenn ihre besondere Qualifikation für eine Behandlung der Patientin oder des Patienten aus den dort genannten Überweisungsanlässen nicht ausreicht.- 1.8.2
- Überweisung von der koordinierenden Ärztin oder vom koordinierenden Arzt zur jeweils qualifizierten Fachärztin, zum jeweils qualifizierten Facharzt oder zur qualifizierten Einrichtung
- -
- zur augenärztlichen Untersuchung: zum Ausschluss einer diabetischen Augenkomplikation bei Diagnosestellung des Diabetes mellitus Typ 2 mindestens einmal jährlich,
- -
- bei einer Einschränkung der Nierenfunktion mit einer GFR auf weniger als 40 ml/min oder bei deutlicher Progression einer Nierenfunktionsstörung (jährliche Abnahme der GFR um mehr als 5 ml/min) zur nephrologisch qualifizierten Ärztin, zum nephrologisch qualifizierten Arzt oder zur nephrologisch qualifizierten Einrichtung,
- -
- bei Fuß-Läsionen Wagner-Stadium 2-5 und/oder Armstrong-Klasse C oder D in eine für die Behandlung des diabetischen Fußsyndroms qualifizierte Einrichtung,
- -
- bei geplanter oder bestehender Schwangerschaft zu einer Ärztin, zu einem Arzt oder zu einer Einrichtung, die jeweils diabetologisch besonders qualifiziert sind.
- -
- bei Neuauftreten mikrovaskulärer Komplikationen (Nephropathie, Retinopathie) oder Neuropathie zur diabetologisch besonders qualifizierten Ärztin, zum diabetologisch besonders qualifizierten Arzt oder zur diabetologisch besonders qualifizierten Einrichtung,
- -
- bei allen diabetischen Fuß-Läsionen in eine für die Behandlung des diabetischen Fußsyndroms qualifizierte Einrichtung,
- -
- bei Nicht-Erreichen eines Blutdruckwertes systolisch < 140 mmHg und diastolisch < 90 mmHg innerhalb eines Zeitraums von höchstens sechs Monaten an eine in der Hypertoniebehandlung qualifizierte Ärztin, einen in der Hypertoniebehandlung qualifizierten Arzt oder eine in der Hypertoniebehandlung qualifizierte Einrichtung,
- -
- bei Nicht-Erreichen des in Abhängigkeit vom Therapieziel individuell festgelegten HbA1c-Zielwertes (nach spätestens sechs Monaten) zu einer diabetologisch besonders qualifizierten Ärztin, einem diabetologisch besonders qualifizierten Arzt oder einer diabetologisch besonders qualifizierten Einrichtung.
- 1.8.3
- Einweisung in ein Krankenhaus zur stationären Behandlung
- -
- bei Notfallindikation (in jedes Krankenhaus),
- -
- bei bedrohlichen Stoffwechselstörungen,
- -
- bei schweren speziellen Stoffwechselentgleisungen (zum Beispiel häufige nächtliche Hypoglykämien, Hypoglykämiewahrnehmungsstörungen),
- -
- bei Verdacht auf infizierten diabetischen Fuß neuropathischer oder angiopathischer Genese oder akuter neuroosteopathischer Fußkomplikation,
- -
- gegebenenfalls zur Mitbehandlung von Begleit- und Folgekrankheiten des Diabetes mellitus Typ 2.
Im Übrigen entscheidet die Ärztin oder der Arzt nach pflichtgemäßem Ermessen über eine Einweisung.- 1.8.4
- Veranlassung einer Rehabilitationsleistung
- 2.
- Qualitätssichernde Maßnahmen (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)
- -
- Einhaltung der Anforderungen gemäß § 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (einschließlich Therapieempfehlungen),
- -
- Einhaltung einer qualitätsgesicherten und wirtschaftlichen Arzneimitteltherapie,
- -
- Einhaltung der Kooperationsregeln der Versorgungsebenen gemäß Ziffer 1.8,
- -
- Einhaltung der in Verträgen zu vereinbarenden Anforderungen an die Strukturqualität,
- -
- Vollständigkeit, Plausibilität und Verfügbarkeit der Dokumentation nach Anlage 2 in Verbindung mit Anlage 8,
- -
- aktive Teilnahme der Versicherten.
Im Sinne des Patientenschutzes und der Qualitätssicherung vereinbaren die Vertragspartner auf der Grundlage der bereits bestehenden Qualitätssicherungsvereinbarungen in den jeweiligen Versorgungssektoren einheitliche Anforderungen an die Qualifikation der beteiligten Leistungserbringer und des medizinischen Personals, an die technische, apparative und gegebenenfalls räumliche Ausstattung sowie an die organisatorischen Voraussetzungen bei diagnostischen und therapeutischen Interventionen.
Im Rahmen der strukturierten Behandlungsprogramme sind Maßnahmen vorzusehen, die eine Erreichung der vereinbarten Ziele unterstützen. Ihr Einsatz kann auf im Behandlungsprogramm zu spezifizierende Gruppen von Patientinnen und Patienten sowie Leistungserbringern beschränkt werden, die ein ausreichendes Verbesserungspotenzial erwarten lassen. Hierzu gehören insbesondere:- -
- Maßnahmen mit Erinnerungs- und Rückmeldungsfunktionen (zum Beispiel Remindersysteme) für Versicherte und Leistungserbringer,
- -
- strukturiertes Feedback auf der Basis der Dokumentationsdaten für Leistungserbringer mit der Möglichkeit einer regelmäßigen Selbstkontrolle; die regelmäßige Durchführung von strukturierten Qualitätszirkeln kann ein geeignetes Feedbackverfahren für teilnehmende Leistungserbringer sein,
- -
- Maßnahmen zur Förderung einer aktiven Teilnahme und Eigeninitiative der Versicherten,
- -
- Sicherstellung einer systematischen, aktuellen Information für Leistungserbringer und eingeschriebene Versicherte.
Im Rahmen der strukturierten Behandlungsprogramme sind Regelungen zur Auswertung der für die Durchführung der Qualitätssicherung erforderlichen Daten zu treffen. Hierbei sind sowohl die bei den Krankenkassen vorliegenden Dokumentationsdaten nach Anlage 2 in Verbindung mit Anlage 8 als auch die Leistungsdaten der Krankenkassen einzubeziehen.
Im Rahmen der strukturierten Behandlungsprogramme sind wirksame Sanktionen vorzusehen, wenn die Partner der zur Durchführung strukturierter Behandlungsprogramme geschlossenen Verträge gegen die im Programm festgelegten Anforderungen verstoßen.
Die durchgeführten Qualitätssicherungsmaßnahmen sind regelmäßig öffentlich darzulegen.
Ziel ist es, eine gemeinsame Qualitätssicherung im Rahmen strukturierter Behandlungsprogramme aufzubauen, um zu einer sektorenübergreifenden Qualitätssicherung zu kommen. Die insoweit Zuständigen sind gleichberechtigt zu beteiligen. Bis zur Einführung einer sektorenübergreifenden Qualitätssicherung gelten die getrennten Zuständigkeiten auch für die strukturierten Behandlungsprogramme.- 3.
- Teilnahmevoraussetzungen und Dauer der Teilnahme der Versicherten (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)
- 3.1
- Allgemeine Teilnahmevoraussetzungen Voraussetzung für die Einschreibung Versicherter ist
- -
- die schriftliche Bestätigung der gesicherten Diagnose durch die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt gemäß Ziffer 1.2,
- -
- die schriftliche Einwilligung in die Teilnahme und die damit verbundene Erhebung, Verarbeitung und Nutzung ihrer Daten und
- -
- die umfassende, auch schriftliche Information der Versicherten über die Programminhalte, über die mit der Teilnahme verbundene Erhebung, Verarbeitung und Nutzung ihrer Daten, insbesondere darüber, dass Befunddaten an die Krankenkasse übermittelt werden und von ihr im Rahmen des strukturierten Behandlungsprogramms verarbeitet und genutzt werden können und dass in den Fällen des § 28f Absatz 2 die Daten zur Pseudonymisierung des Versichertenbezuges einer Arbeitsgemeinschaft oder von dieser beauftragten Dritten übermittelt werden können, über die Aufgabenverteilung und Versorgungsziele, die Freiwilligkeit ihrer Teilnahme, die Möglichkeit des Widerrufs ihrer Einwilligung, ihre Mitwirkungspflichten sowie darüber, wann eine fehlende Mitwirkung das Ende der Teilnahme an dem Programm zur Folge hat.
- -
- die Programm- und Versorgungsziele kennen und an ihrer Erreichung mitwirken werden,
- -
- die Aufgabenteilung der Versorgungsebenen kennen und unterstützen werden,
- -
- auf die Möglichkeit, eine Liste der verfügbaren Leistungsanbieter zu erhalten, hingewiesen worden sind,
- -
- über die Freiwilligkeit ihrer Teilnahme, die Möglichkeit des Widerrufs ihrer Einwilligung, ihre Mitwirkungspflichten und die Folgen fehlender Mitwirkung informiert worden sind sowie
- -
- über die mit ihrer Teilnahme an dem Programm verbundene Erhebung, Verarbeitung und Nutzung ihrer Daten informiert worden sind, insbesondere über die Möglichkeit einer Übermittlung von Befunddaten an die Krankenkasse zum Zweck der Verarbeitung und Nutzung im Rahmen des strukturierten Behandlungsprogramms und dass in den Fällen des § 28f Absatz 2 die Daten zur Pseudonymisierung des Versichertenbezuges einer Arbeitsgemeinschaft oder von dieser beauftragten Dritten übermittelt werden können.
- 3.2
- Spezielle Teilnahmevoraussetzungen
Patientinnen mit Schwangerschaftsdiabetes werden nicht in ein strukturiertes Behandlungsprogramm aufgenommen.- 4.
- Schulungen (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)
- 4.1
- Schulungen der Leistungserbringer
- 4.2
- Schulungen der Versicherten
Patientenschulungen dienen der Befähigung der Versicherten zur besseren Bewältigung des Krankheitsverlaufs und der Befähigung zu informierten Patientenentscheidungen. Hierbei ist der Bezug zu den hinterlegten strukturierten medizinischen Inhalten der Programme nach § 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch herzustellen. Der bestehende Schulungsstand der Versicherten ist zu berücksichtigen.
Bei Antragstellung müssen die Schulungsprogramme, die angewandt werden sollen, gegenüber dem Bundesversicherungsamt benannt und ihre Ausrichtung an den unter Ziffer 1.3.1 genannten Therapiezielen belegt werden. Die Qualifikation der Leistungserbringer ist sicherzustellen.- 5.
- Evaluation (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)
- -
- der Erreichung der Ziele des strukturierten Behandlungsprogramms,
- -
- der Einhaltung der Einschreibekriterien sowie
- -
- der Kosten der Versorgung im strukturierten Behandlungsprogramm.
Grundlage der Evaluation bilden die für den Evaluationszeitraum relevanten versichertenbezogenen Dokumentationen nach § 28f, alle Leistungsdaten sowie Abrechnungsdaten der teilnehmenden Leistungserbringer für die im Evaluationszeitraum eingeschriebenen Versicherten. Die Daten werden für die Zwecke der Evaluation pseudonymisiert.
Bei der Bewertung der Wirksamkeit des strukturierten Behandlungsprogramms ist zwischen der Funktionsfähigkeit des Programms und seiner Auswirkung auf die Versorgungslage zu unterscheiden.
Bei der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Programms sind insbesondere die Anforderungen gemäß § 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 und 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch einschließlich des Verfahrens der Vereinbarung individueller Therapieziele zu evaluieren.
Gradmesser für die Auswirkung auf die Versorgungslage ist die Veränderung der Ausprägungen von Parametern der Prozess- und Ergebnisqualität des Mindest-Datensatzes relativ zu den ermittelten Ausgangswerten. Die Möglichkeiten des Vergleiches zu einer Kontrollgruppe nicht eingeschriebener Versicherter oder nicht teilnehmender Leistungserbringer sind zu prüfen.
Die Evaluation kann auf der Grundlage einer repräsentativen Stichprobe der eingeschriebenen Versicherten erfolgen; sie ermöglicht eine versichertenbezogene Verlaufsbetrachtung über den Evaluationszeitraum.
Der Prozentsatz sowie die Versichertenstruktur der teilnehmenden Versicherten je Krankenkasse sind zu berücksichtigen. Versicherte, die das strukturierte Behandlungsprogramm freiwillig oder durch Ausschluss verlassen, sind besonders zu würdigen.
Die Evaluation soll auch subjektive Ergebnisqualitätsparameter (Lebensqualität, Zufriedenheit) auf der Basis einer einmaligen Stichproben-Befragung bei eingeschriebenen Versicherten mindestens jeweils zu Beginn und zum Ende des Evaluationszeitraums umfassen. Hierfür ist ein Adressmitteilungsverfahren durch die Krankenkasse vorzusehen.
Unter Berücksichtigung der benötigten Datenbasis können die Vertragspartner vereinbaren, inwieweit zu evaluieren ist, ob die Programme Auswirkungen auf die Versorgung von nicht eingeschriebenen Versicherten haben.
Die Evaluation umfasst den Zeitraum der Zulassung.- 1)
- Die Definition basiert auf der WHO-Definition (World Health Organization. Definition, Diagnosis and Classification of Diabetes Mellitus and its Complications. Report of WHO Consultation. Part 1: Diagnosis and Classification of Diabetes Mellitus. Geneva; 59p, WHO/NCD/NCS/99.2)."
- 6.
- Die Anlage 5 wird wie folgt gefasst:
„Anlage 5 (zu §§ 28b bis 28g) Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme für koronare Herzkrankheit (KHK)- 1.
- Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)
- 1.1
- Definition der koronaren Herzkrankheit (KHK)
- 1.2
- Hinreichende Diagnostik für die Aufnahme in ein strukturiertes Behandlungsprogramm
- 1.2.1
- Chronische KHK
- 1.
- bei einem akuten Koronarsyndrom 1), auch in der Vorgeschichte;
- 2.
- wenn sich aus Symptomatik, klinischer Untersuchung, Anamnese, Begleiterkrankungen und Belastungs-EKG eine hohe Wahrscheinlichkeit (mindestens 90 Prozent) für das Vorliegen einer koronaren Herzkrankheit belegen lässt 2). Nur bei Patientinnen und Patienten, die nach Feststellung der Ärztin oder des Arztes aus gesundheitlichen Gründen für ein Belastungs-EKG nicht in Frage kommen oder bei denen ein auswertbares Ergebnis des Belastungs-EKGs nicht erreichbar ist (insbesondere bei Patientinnen und Patienten mit Linksschenkelblock, Herzschrittmacher oder bei Patientinnen und Patienten, die physikalisch nicht belastbar sind), können andere nicht-invasive Untersuchungen zur Diagnosesicherung (echokardiografische oder szintigrafische Verfahren) angewendet werden;
- 3.
- durch direkten Nachweis mittels Koronarangiografie (gemäß Indikationsstellungen unter Ziffer 1.5.3.1).
Die Einschreibekriterien für strukturierte Behandlungsprogramme ergeben sich zusätzlich aus Ziffer 3.- 1.2.2
- Akutes Koronarsyndrom
- 1.3
- Therapieziele
- 1.
- Reduktion der Sterblichkeit,
- 2.
- Reduktion der kardiovaskulären Morbidität, insbesondere Vermeidung von Herzinfarkten und der Entwicklung einer Herzinsuffizienz,
- 3.
- Steigerung der Lebensqualität, insbesondere durch Vermeidung von Angina pectoris-Beschwerden und Erhaltung der Belastungsfähigkeit.
- 1.4
- Differenzierte Therapieplanung auf der Basis einer individuellen Risikoabschätzung
Patientinnen und Patienten mit koronarer Herzkrankheit haben ein erhöhtes Risiko, einen Myokardinfarkt zu erleiden oder zu versterben. Dieses Risiko richtet sich sowohl nach dem Schweregrad der Erkrankung als auch nach den Risikoindikatoren (zum Beispiel Alter und Geschlecht, Übergewicht, Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörung, Hypertonie, linksventrikuläre Funktionsstörung, Rauchen, familiäre Prädisposition) der Patientinnen und Patienten. Daher soll die Ärztin oder der Arzt individuell das Risiko für diese Patientinnen und Patienten einmal jährlich beschreiben, sofern der Krankheitsverlauf kein anderes Vorgehen erfordert. Bei Vorliegen von Risikoindikatoren sind diese bei der individuellen Therapieplanung und -durchführung besonders zu berücksichtigen.
Die Ärztin oder der Arzt hat zu prüfen, ob die Patientin oder der Patient im Hinblick auf die in Ziffer 1.3 genannten Therapieziele von einer bestimmten Intervention profitieren kann. Die Durchführung der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen erfolgt in Abstimmung mit der Patientin oder dem Patienten nach ausführlicher Aufklärung über Nutzen und Risiken.
Auf der Basis der individuellen Risikoabschätzung und der allgemeinen Therapieziele sind gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten individuelle Therapieziele festzulegen.- 1.5
- Therapeutische Maßnahmen
- 1.5.1
- Nicht-medikamentöse Therapie und allgemeine Maßnahmen
- 1.5.1.1
- Ernährungsberatung
- 1.5.1.2
- Raucherberatung
- -
- Der Raucherstatus soll bei jeder Patientin und jedem Patienten bei jeder Konsultation erfragt werden.
- -
- Raucherinnen und Raucher sollen in einer klaren, starken und persönlichen Form dazu motiviert werden, mit dem Rauchen aufzuhören.
- -
- Es ist festzustellen, ob Raucherinnen und Raucher zu dieser Zeit bereit sind, einen Ausstiegsversuch zu beginnen.
- -
- Änderungsbereite Raucherinnen und Raucher sollen über wirksame Hilfen zur Raucherentwöhnung (nichtmedikamentöse Maßnahmen, Nikotinersatztherapie oder eine Kombination aus beidem) beraten werden.
- -
- Es sollen Folgekontakte vereinbart werden, möglichst in der ersten Woche nach dem Ausstiegsdatum.
- 1.5.1.3
- Körperliche Aktivitäten
- 1.5.1.4
- Psychische, psychosomatische und psychosoziale Betreuung
Mangelnde Krankheitsbewältigung, Motivation und Compliance, fehlender sozioemotionaler Rückhalt, Probleme am Arbeitsplatz sind unter anderem zu berücksichtigen. Auf Grund der häufigen und bedeutsamen Komorbidität sollte die Depression besondere Beachtung finden.- 1.5.2
- Medikamentöse Therapie
Sofern im Rahmen der individuellen Therapieplanung Wirkstoffe aus anderen Wirkstoffgruppen als die in dieser Anlage genannten verordnet werden sollen, ist die Patientin oder der Patient darüber zu informieren, ob für diese Wirkstoffe Wirksamkeitsbelege zur Risikoreduktion klinischer Endpunkte vorliegen.- -
- Für die Behandlung der chronischen KHK, insbesondere nach akutem Myokardinfarkt, sind Betablocker hinsichtlich der in Ziffer 1.3 genannten Therapieziele Mittel der ersten Wahl, auch bei relativen Kontraindikationen. Dieser Nutzen ist besonders bei Risikokollektiven wie Diabetes mellitus-Patientinnen und -Patienten überdurchschnittlich hoch.
- -
- Für die antianginöse Behandlung der chronischen KHK werden primär Betablocker - gegebenenfalls in Kombination mit Nitraten und/oder Kalzium-Antagonisten 3) unter Beachtung der Kontraindikationen - empfohlen.
- -
- Für die antianginöse Behandlung der chronischen KHK sind bei absoluten Kontraindikationen für Betablocker (zum Beispiel bei Asthma bronchiale, höhergradigem AV-Block) Nitrate und/oder Kalzium-Antagonisten zu erwägen.
- -
- Für die Therapie der chronischen KHK sollten HMG-CoA-Reduktase-Hemmer (Statine) unter Beachtung der Kontraindikationen eingesetzt werden. Es sollten diejenigen Statine bevorzugt verwendet werden, für die eine morbiditäts- und mortalitätssenkende Wirkung in der Sekundärprävention nachgewiesen ist.
- -
- ACE-Hemmer sind grundsätzlich bei allen KHK-Patientinnen und -Patienten in der frühen Postinfarktphase (4 Wochen) indiziert und wenn die chronische KHK mit einer begleitenden Herzinsuffizienz oder mit asymptomatischer linksventrikulärer Dysfunktion und/oder mit der Komorbidität Hypertonie und/oder Diabetes mellitus einhergeht. Im Falle einer ACE-Hemmer-Unverträglichkeit können bei Patientinnen und Patienten mit KHK und einer systolischen Herzinsuffizienz oder dem gleichzeitigen Vorliegen der Komorbiditäten Hypertonie und Diabetes mellitus AT1-Rezeptorantagonisten eingesetzt werden.
- -
- Grundsätzlich sollen alle Patientinnen und Patienten mit chronischer KHK unter Beachtung der Kontraindikationen und/oder Unverträglichkeiten Thrombozytenaggregationshemmer erhalten. Eine Kombinationstherapie von Acetylsalicylsäure plus Clopidogrel ist nach einem akuten Koronarsyndrom, insbesondere nach Einsatz von Stents, für mindestens vier Wochen - gefolgt von einer Dauertherapie mit Acetylsalicylsäure -indiziert. Eine längere Gabe der Kombinationstherapie kann nach akutem Koronarsyndrom indiziert sein. Die Dauer der kombinierten Thrombozytenaggregationshemmung ist insbesondere abhängig von der Art der Intervention. Die interventionell tätigen Kardiologinnen oder Kardiologen müssen die weiterbehandelnden Ärztinnen oder Ärzte über die Art des verwendeten Stents und die daraus begründete Dauer der Kombinationsbehandlung informieren.
- 1.5.3
- Koronarangiografie - Interventionelle Therapie - Koronarrevaskularisation
Die Ärztin oder der Arzt hat zu prüfen, ob die Patientin oder der Patient im Hinblick auf die in Ziffer 1.3 genannten Therapieziele von einer bestimmten Intervention profitieren kann. Die Durchführung der diagnostischen und gegebenenfalls therapeutischen Maßnahmen erfolgt in Abstimmung mit der Patientin oder dem Patienten nach ausführlicher Aufklärung über Nutzen und Risiken.- 1.5.3.1
- Koronarangiografie
- -
- bei Patientinnen und Patienten mit akutem Koronarsyndrom 4),
- -
- bei Patientinnen und Patienten mit stabiler Angina pectoris (CCS Klasse III und IV) trotz medikamentöser Therapie 5),
- -
- bei Patientinnen und Patienten mit Hochrisikomerkmalen bei der nicht-invasiven Vortestung, unabhängig von der Schwere der Angina pectoris 4),
- -
- bei Patientinnen und Patienten mit Angina pectoris, die einen plötzlichen Herzstillstand oder eine lebensbedrohliche ventrikuläre Arrhythmie überlebt haben,
- -
- bei Patientinnen und Patienten mit Angina pectoris und Symptomen einer chronischen Herzinsuffizienz.
- 1.5.3.2
- Interventionelle Therapie und Koronarrevaskularisation
Vor der Durchführung von invasiven Therapiemaßnahmen ist eine individuelle Nutzen-Risikoabwägung durchzuführen. Insbesondere ist die hämodynamische und funktionelle Relevanz der festgestellten Gefäßveränderungen zu prüfen.
Die nachfolgenden Empfehlungen beziehen sich auf Patientinnen und Patienten mit stabiler Angina pectoris oder Anginaäquivalent. Die Therapie des akuten Koronarsyndroms ist nicht Gegenstand der Empfehlungen.- -
- Bei linkskoronarer signifikanter Hauptstammstenose soll primär die operative Revaskularisation (CABG) angestrebt werden.
- -
- Bei Mehrgefäßerkrankung mit hochgradigen proximalen Stenosen (> 70 Prozent) sollen - vorrangig mit dem Ziel der Symptomkontrolle - revaskularisierende Maßnahmen empfohlen werden.
- -
- Bei Eingefäßerkrankung mit hochgradiger proximaler RIVA-Stenose (> 70 Prozent) sollte - unabhängig von der Symptomatik - eine Koronarrevaskularisation empfohlen werden.
- -
- Bei ausgeprägter, persistierender, trotz medikamentöser Therapie bestehender Symptomatik soll zur Symptomkontrolle eine Revaskularisation erwogen werden, bei Eingefäßerkrankung ohne proximale RIVA-Stenose primär eine perkutane Koronarintervention (PCI).
- 1.6
- Rehabilitation
Dimensionen und Inhalte der Rehabilitation sind insbesondere:- -
- Somatische Ebene: Überwachung, Risikostratifizierung, Therapieanpassung, Remobilisierung, Training, Sekundärprävention;
- -
- Psychosoziale Ebene: Krankheitsbewältigung, Verminderung von Angst und Depressivität;
- -
- Edukative Ebene (insbesondere Beratung, Schulung): Vermittlung von krankheitsbezogenem Wissen und Fertigkeiten (unter anderem Krankheitsverständnis, Modifikation des Lebensstils und der Risikofaktoren), Motivationsstärkung;
- -
- Sozialmedizinische Ebene: Berufliche Wiedereingliederung, Erhaltung der Selbständigkeit.
- -
- die Frühmobilisation während der Akutbehandlung,
- -
- die Rehabilitation (nach Ziffer 1.7.4) im Anschluss an die Akutbehandlung,
- -
- die langfristige wohnortnahe Nachsorge und Betreuung.
- 1.7
- Kooperation der Versorgungsebenen
- 1.7.1
- Hausärztliche Versorgung
In Ausnahmefällen kann eine Patientin oder ein Patient mit koronarer Herzkrankheit eine zugelassene oder ermächtigte qualifizierte Fachärztin, einen zugelassenen oder ermächtigten qualifizierten Facharzt oder eine qualifizierte Einrichtung, die für die Erbringung dieser Leistungen zugelassen oder ermächtigt ist oder die nach § 116b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch an der ambulanten ärztlichen Versorgung teilnimmt, auch zur Langzeitbetreuung, Dokumentation und Koordination der weiteren Maßnahmen im strukturierten Behandlungsprogramm wählen, wenn die gewählte Fachärztin, der gewählte Facharzt oder die gewählte Einrichtung an dem Programm teilnimmt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Patientin oder der Patient bereits vor der Einschreibung von dieser Ärztin, diesem Arzt oder dieser Einrichtung dauerhaft betreut worden ist oder diese Betreuung aus medizinischen Gründen erforderlich ist. Die Überweisungsregeln gemäß Ziffer 1.7.2 sind von der gewählten Ärztin, dem gewählten Arzt oder der gewählten Einrichtung zu beachten, wenn deren besondere Qualifikation für eine Behandlung der Patientinnen und Patienten aus den dort genannten Überweisungsanlässen nicht ausreicht.- 1.7.2
- Überweisung von der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt zur jeweils qualifizierten Fachärztin, zum jeweils qualifizierten Facharzt oder zur qualifizierten Einrichtung
- -
- zunehmende oder erstmalige Angina pectoris-Beschwerden,
- -
- neu aufgetretene Herzinsuffizienz,
- -
- neu aufgetretene oder symptomatische Herzrhythmusstörungen,
- -
- medikamentöse Non-Responder,
- -
- Patientinnen und Patienten mit Komorbiditäten (zum Beispiel Hypertonie, Diabetes, Depression),
- -
- Mitbehandlung von Patientinnen und Patienten mit zusätzlichen kardiologischen Erkrankungen (zum Beispiel Klappenvitien),
- -
- Indikationsstellung zur invasiven Diagnostik und Therapie,
- -
- Durchführung der invasiven Diagnostik und Therapie,
- -
- Rehabilitation,
- -
- Schulung von Patientinnen und Patienten.
- 1.7.3
- Einweisung in ein Krankenhaus
- -
- Verdacht auf akutes Koronarsyndrom,
- -
- Verdacht auf lebensbedrohliche Dekompensation von Folge- und Begleiterkrankungen (zum Beispiel Hypertonie, Herzinsuffizienz, Rhythmusstörungen, Diabetes mellitus).
- 1.7.4
- Veranlassung einer Rehabilitationsmaßnahme
- -
- nach akutem Koronarsyndrom,
- -
- nach koronarer Revaskularisation,
- -
- bei Patientinnen und Patienten mit stabiler Angina pectoris und dadurch bedingten limitierenden Symptomen 6), die trotz konservativer, interventioneller und/oder operativer Maßnahmen persistieren,
- -
- bei Patientinnen und Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und dadurch bedingten limitierenden Symptomen 6), die trotz konservativer, interventioneller und/oder operativer Maßnahmen persistieren.
- 2.
- Qualitätssichernde Maßnahmen (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)
- 3.
- Teilnahmevoraussetzungen und Dauer der Teilnahme der Versicherten (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)
- 3.1
- Allgemeine Teilnahmevoraussetzungen
- 3.2
- Spezielle Teilnahmevoraussetzungen
- 1.
- Bei einem akuten Koronarsyndrom 1), auch in der Vorgeschichte;
- 2.
- wenn sich aus Symptomatik, klinischer Untersuchung, Anamnese, Begleiterkrankungen und Belastungs-EKG, das innerhalb der letzten drei Jahre durchgeführt worden ist, eine hohe Wahrscheinlichkeit (mindestens 90 Prozent) für das Vorliegen einer koronaren Herzkrankheit belegen lässt 2). Nur bei Patientinnen und Patienten, die nach Feststellung der Ärztin oder des Arztes aus gesundheitlichen Gründen für ein Belastungs-EKG nicht in Frage kommen oder bei denen ein auswertbares Ergebnis des Belastungs-EKGs nicht erreichbar ist (insbesondere bei Patientinnen und Patienten mit Linksschenkelblock, Herzschrittmacher oder bei Patientinnen und Patienten, die physikalisch nicht belastbar sind), können andere nicht-invasive Untersuchungen zur Diagnosesicherung (echokardiografische oder szintigrafische Verfahren) angewendet werden;
- 3.
- direkter Nachweis mittels Koronarangiografie (gemäß Indikationsstellungen nach Ziffer 1.5.3.1).
- 3.3
- Voraussetzungen für die Teilnahme an dem zusätzlichen Modul Herzinsuffizienz
- 4.
- Schulungen (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)
- 4.1
- Schulungen der Leistungserbringer
- 4.2
- Schulungen der Versicherten
Im Rahmen des strukturierten Behandlungsprogramms prüft die Ärztin oder der Arzt unter Berücksichtigung bestehender Folge- und Begleiterkrankungen, ob die Patientin oder der Patient von strukturierten, evaluierten, zielgruppenspezifischen (unter anderem Antikoagulation, Diabetes mellitus, Hypertonie) und publizierten Schulungs- und Behandlungsprogrammen profitieren kann. Der bestehende Schulungsstand der Versicherten ist zu berücksichtigen.
Bei Antragstellung müssen die Schulungsprogramme, die angewandt werden sollen, gegenüber dem Bundesversicherungsamt benannt werden. Die Qualifikation der Leistungserbringer ist sicherzustellen.- 5.
- Evaluation (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)
- 1)
- Nach der Definition in ACC/AHA (2002a): American College of Cardiology and American Heart Association Task Force an Practice Guidelines. ACC/AHA 2002 Guideline Update for the Management of Patients With Unstable Angina and Non-ST-Segment Elevation Myocardial Infarction.
- 2)
- Die Nachtest-Wahrscheinlichkeit (nach Durchführung eines Belastungs-EKGs) ist zu berechnen nach Diamond, GA et al.: Analysis of probability as an aid in the clinical diagnosis of coronary artery disease. N. Engl. J. Med (1979); 300:1350-8. Für Patienten, die älter als 69 Jahre sind, sind die Werte der Altersgruppe von 60 bis 69 Jahren heranzuziehen.
- 3)
- Die Anwendung von kurzwirkenden Kalzium-Antagonisten vom Dihydropyridin-Typ sollte vermieden werden.
- 4)
- Betrifft das Therapieziel „Senkung der Morbidität, Mortalität".
- 5)
- Betrifft das Therapieziel „Beschwerdefreiheit".
- 6)
- Unter limitierenden Symptomen ist eine für die Patientin oder den Patienten - unter Berücksichtigung der individuellen Lebensumstände -wesentliche Einschränkung der Lebensqualität zu verstehen. Diese kann nur individuell festgelegt werden."
- 7.
- Nach Anlage 5 wird folgende Anlage 5a eingefügt:
„Anlage 5a (zu §§ 28b bis 28g) Anforderungen an ein Modul für chronische Herzinsuffizienz für strukturierte Behandlungsprogramme für koronare Herzkrankheit (KHK)- 1.
- Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)
- 1.1
- Definition der chronischen Herzinsuffizienz
Pathophysiologisch liegt eine multisystemische Störung vor, die unter anderem durch die Dysfunktion der Herz- und Skelettmuskulatur sowie der Nierenfunktion charakterisiert ist 2).
Klinisch liegt dann eine Herzinsuffizienz vor, wenn typische Symptome wie zum Beispiel Dyspnoe, Müdigkeit (Leistungsminderung) und/oder Flüssigkeitsretention auf Grund einer kardialen Funktionsstörung bestehen 1).- 1.2
- Kriterien zur Abgrenzung der Zielgruppe
Ausgehend vom strukturierten Behandlungsprogramm für KHK sollen Patientinnen und Patienten mit einer klinischen Symptomatik, die auf eine Herzinsuffizienz hinweist (zum Beispiel Dyspnoe, Leistungsminderung, Flüssigkeitsretention), einer gezielten Diagnostik (primär Echokardiographie) zugeführt werden. Auch asymptomatische Patientinnen und Patienten sollten gemäß den Modulinhalten behandelt werden, wenn eine Einschränkung der LVEF auf unter 40 Prozent bereits nachgewiesen wurde.- 1.3
- Therapieziele
- 1.
- Reduktion der Sterblichkeit (entsprechend dem strukturierten Behandlungsprogramm für KHK),
- 2.
- Reduktion der kardiovaskulären Morbidität, insbesondere Vermeidung oder Verlangsamung einer Progression der bestehenden kardialen Funktionsstörung,
- 3.
- Steigerung der Lebensqualität, insbesondere durch Vermeidung von Hospitalisationen und Steigerung oder Erhaltung der Belastungsfähigkeit.
- 1.4
- Therapeutische Maßnahmen
- 1.4.1
- Allgemeine nicht-medikamentöse Maßnahmen
Die Flüssigkeitsaufnahme sollte sich am klinischen Zustand der Patientinnen und Patienten und an deren Nierenfunktion orientieren. Eine Beschränkung der Flüssigkeitsaufnahme auf 1,5 bis 2 Liter pro Tag ist bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz, anhaltenden Stauungszeichen, Hypervolämie und/oder Hyponatriämie zu erwägen. Eine exzessive Flüssigkeitsaufnahme ist zu vermeiden.
Eine moderate Beschränkung der Kochsalzaufnahme ist insbesondere bei Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz zu empfehlen.- 1.4.2
- Medikamentöse Therapie
Die nachfolgenden Empfehlungen konkretisieren oder ergänzen die Therapieempfehlungen des strukturierten Behandlungsprogramms für KHK in Ziffer 1.5.2 der Anlage 5.- -
- Therapie mit Angiotensin-Conversions-Enzym-Hemmern (ACE-Hemmer):
Alle Patientinnen und Patienten sollten unabhängig vom Schweregrad der Herzinsuffizienz einen ACE-Hemmer erhalten, da eine Behandlung mit ACE-Hemmern Prognose und Symptomatik der Erkrankung verbessert. In Konkretisierung der Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme für KHK in Ziffer 1.5.2 fünfter Spiegelstrich der Anlage 5 sollen ACE-Hemmer verwendet werden, für die ein mortalitätssenkender Effekt bei Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz belegt ist.
Die jeweilige Zieldosis ist durch eine langsame Steigerung der Dosierung anzustreben. Wenn die optimale Zieldosis nicht erreicht wird, erfolgt die Behandlung in der maximal von der Patientin oder vom Patienten tolerierten Dosis. - -
- Therapie mit Beta-Rezeptorenblockern (Betablocker):
Alle klinisch stabilen Patientinnen und Patienten sollten einen Betablocker erhalten. In Konkretisierung der Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme für KHK in Ziffer 1.5.2 erster Spiegelstrich der Anlage 5 sollen Betablocker verwendet werden, für die ein mortalitätssenkender Effekt bei Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz belegt ist.
Die jeweilige Zieldosis ist durch eine langsame Steigerung der Dosierung anzustreben. Wenn die optimale Zieldosis nicht erreicht wird, erfolgt die Behandlung in der maximal von der Patientin oder vom Patienten tolerierten Dosis.
Die Dosierung von ACE-Hemmern und von Betablockern ist bei symptomatischer Hypotonie entsprechend anzupassen, so dass die Behandlung von der Patientin oder vom Patienten toleriert wird. Dabei ist zu beachten, dass vor einer Dosisreduktion aufgrund einer symptomatischen Hypotonie zunächst die Dosierung der übrigen blutdrucksenkenden Begleitmedikation reduziert wird. - -
- Therapie mit Angiotensin II-Antagonisten (AT1-Rezeptorantagonisten):
Bei Patientinnen und Patienten, die eine Behandlung mit ACE-Hemmern aufgrund eines durch ACE-Hemmer bedingten Hustens nicht tolerieren, kann der Wechsel auf einen AT1-Rezeptorantagonisten zur Beschwerdebesserung oder zur Beschwerdefreiheit führen. In diesem Fall können AT1-Rezeptorantagonisten verwendet werden, für die ein Nutzen bei Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz belegt ist. - -
- Therapie mit Aldosteron-Antagonisten:
Patientinnen und Patienten mit einer LVEF unter 35 Prozent, die trotz optimaler Therapie mit ACE-Hemmer und Betablocker und Diuretikum im Stadium NYHA III-IV sind, sollten additiv mit Spironolacton in niedriger Dosierung behandelt werden. Es ist zu beachten, dass mit steigender Dosierung die Gefahr einer Hyperkaliämie zunimmt. Daher sind in diesem Fall engmaschigere Kontrollen des Serum-Kaliums erforderlich. Voraussetzung ist, dass bei Therapiebeginn das Serum-Kreatinin unter 2,5 mg/dl und das Serum-Kalium unter 5 mmol/l liegen. Nach einem Herzinfarkt kann anstelle von Spironolacton Eplerenon gegeben werden. - -
- Therapie mit Diuretika:
Alle Patientinnen und Patienten, die Stauungszeichen aufweisen, sollen mit Diuretika behandelt werden, da Diuretika die einzige Therapieoption zur Kontrolle des Volumenstatus darstellen. In Kombination mit der mortalitätssenkenden Therapie soll die zur Symptomkontrolle niedrigste erforderliche Dosis verwendet werden. Der Nutzen ist belegt für Schleifendiuretika und Thiaziddiuretika. - -
- Therapie mit Herzglykosiden (Digitalis):
Patientinnen und Patienten, die trotz Therapie mit einem Betablocker ein chronisches tachykardes Vorhofflimmern aufweisen, sollten zusätzlich mit Digitalis behandelt werden. Für Patientinnen und Patienten mit Sinusrhythmus stellt Digitalis lediglich ein Reservemedikament dar und sollte bei diesen Patientinnen und Patienten nur gegeben werden, wenn sie trotz Ausschöpfung der vorgenannten medikamentösen Therapie weiterhin im Stadium NYHA III-IV sind. - -
- Orale Antikoagulationstherapie:
Bei chronischem oder paroxysmalem Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz besteht ein besonders hohes Risiko für thrombembolische Ereignisse, so dass hier in der Regel eine effektive orale Antikoagulation (INR 2-3) durchzuführen ist. In diesem Fall sollte die wegen KHK durchgeführte Thrombozytenaggregationshemmung in der Regel beendet und auf die orale Antikoagulation umgestellt werden. Über eine in besonderen Situationen (zum Beispiel Stent-Implantation) dennoch indizierte Kombinationstherapie ist in Kooperation mit der qualifizierten Fachärztin oder dem qualifizierten Facharzt beziehungsweise der qualifizierten Einrichtung zu entscheiden. Eine orale Antikoagulation ist bei bestehendem Sinusrhythmus im Allgemeinen nicht indiziert. - 1.4.3
- Spezielle interventionelle Maßnahmen
Zu den speziellen interventionellen Maßnahmen zählen insbesondere die kardiale Resynchronisationstherapie und die Therapie mit implantierbaren Kardioverter-Defibrillatoren.- 1.4.3.1
- Kardiale Resynchronisationstherapie (CRT)
- 1.4.3.2
- Therapie mit implantierbaren Kardioverter-Defibrillatoren (ICD)
Zur Prävention eines erneuten Ereignisses:- -
- Patientinnen und Patienten nach überlebtem Herzkreislaufstillstand, Kammerflimmern oder Auftreten von Kammertachykardien,
- -
- Patientinnen und Patienten mit einer LVEF unter 40 Prozent nach Synkope (keine EKG-Dokumentation zum Zeitpunkt des Ereignisses), nachdem andere Ursachen als eine ventrikuläre Tachykardie ausgeschlossen wurden.
- -
- Patientinnen und Patienten mit einer LVEF unter 30 bis 35 Prozent und Herzinsuffizienz im Stadium NYHA II-III. Bei Patientinnen und Patienten in der chronischen Postinfarktphase gilt dies frühestens vierzig Tage nach dem Infarktereignis.
- 1.5
- Monitoring
Mit symptomatischen Patientinnen und Patienten sollte, soweit möglich, das Protokollieren von täglichen Gewichtskontrollen vereinbart werden. Die Patientinnen und Patienten sollten dazu aufgefordert werden, bei einem deutlichen, kurzfristigen Gewichtsanstieg (zum Beispiel mehr als 1 Kilogramm in 24 Stunden oder mehr als 2,5 Kilogramm pro Woche) die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt zu konsultieren. Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt sollte prüfen, ob die Patientin oder der Patient auf der Grundlage des Gewichtsprotokolls selbständige Anpassungen der Diuretikadosis (insbesondere Schleifendiuretika) vornehmen kann.
Die tatsächlich eingenommene Medikation, einschließlich der Selbstmedikation, und mögliche Nebenwirkungen der medikamentösen Therapie sind zu erfragen, um Therapieänderungen oder Dosisanpassungen möglichst frühzeitig vornehmen zu können.
Im Rahmen der körperlichen Untersuchung ist insbesondere zu achten auf:- -
- die Jugularvenenfüllung,
- -
- periphere Ödeme,
- -
- Zeichen der pulmonalen Stauung bei der Auskultation von Herz und Lunge,
- -
- den Ernährungszustand, wobei insbesondere zu prüfen ist, ob eine eventuell vorliegende kardiale Kachexie durch eine Hypervolämie maskiert wird (und umgekehrt),
- -
- den Blutdruck im Liegen und im Stehen und
- -
- Herzrhythmus und Herzfrequenz (insbesondere als Hinweis auf neu aufgetretenes Vorhofflimmern).
Eine routinemäßige Röntgen-Thorax-Kontrolle, eine routinemäßige Langzeit-EKG-Kontrolle, die Bestimmung des Digitalisspiegels bei Therapie mit Herzglykosiden oder die Bestimmung natriuretischer Peptide (BNP) gehören nicht zum Monitoring.- 1.6
- Kooperation der Versorgungsebenen
- 1.6.1
- Überweisung vom behandelnden Arzt oder von der behandelnden Ärztin zum jeweils qualifizierten Facharzt oder zur jeweils qualifizierten Fachärztin oder zur qualifizierten Einrichtung
- -
- bei Fortschreiten der chronischen systolischen Herzinsuffizienz trotz individuell angepasster Therapie gemäß Ziffern 1.4.1 und 1.4.2,
- -
- falls erforderlich zur Erreichung einer optimalen medikamentösen Therapie gemäß Ziffer 1.4.2,
- -
- zur Kontrolle mittels Echokardiographie bei relevanten Verschlechterungen des klinischen Zustandes der Patientin oder des Patienten,
- -
- zur Abklärung von Indikationen für spezielle interventionelle Maßnahmen gemäß Ziffern 1.4.3.1 und 1.4.3.2 zu einem diesbezüglich qualifizierten Facharzt oder zu einer diesbezüglich qualifizierten Fachärztin oder zu einer diesbezüglich qualifizierten Einrichtung,
- -
- zur Abklärung einer Transplantationsindikation.
Im Übrigen entscheidet der Arzt oder die Ärztin nach pflichtgemäßem Ermessen über eine Überweisung.- 1.6.2
- Einweisung in ein Krankenhaus
- -
- akute oder chronische Dekompensation,
- -
- Durchführung von speziellen interventionellen Maßnahmen gemäß Ziffern 1.4.3.1 und 1.4.3.2 in diesbezüglich qualifizierten Einrichtungen.
Die stationäre Einrichtung soll der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt bei Entlassung der Patientin oder des Patienten Empfehlungen zur weiteren individuellen Anpassung der Dosierung der medikamentösen Herzinsuffizienz-Behandlung sowie des Körpergewichts beziehungsweise des Volumenstatus aussprechen.- 1.6.3
- Veranlassung einer Rehabilitationsmaßnahme
Die Rehabilitationseinrichtung soll der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt bei Entlassung der Patientin oder des Patienten Empfehlungen zur weiteren individuellen Anpassung der Dosierung der medikamentösen Herzinsuffizienz-Behandlung, des Körpergewichts beziehungsweise des Volumenstatus sowie der körperlichen Belastbarkeit aussprechen.- 2.
- Qualitätssichernde Maßnahmen (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)
- 3.
- Teilnahmevoraussetzungen und Dauer der Teilnahme der Versicherten (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)
Patientinnen und Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz können am Modul teilnehmen, wenn sie die in Ziffer 1.2 genannten Kriterien zur Abgrenzung der Zielgruppe erfüllen und wenn und solange sie am strukturierten Behandlungsprogramm für KHK nach den jeweils geltenden Bestimmungen dieser Verordnung teilnehmen.- 4.
- Schulungen (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)
- 4.1
- Schulungen der Leistungserbringer
- 4.2
- Schulungen der Versicherten
Im Rahmen des strukturierten Behandlungsprogramms prüft die Ärztin oder der Arzt unter Berücksichtigung bestehender Folge- und Begleiterkrankungen, ob die Patientin oder der Patient von strukturierten, evaluierten, zielgruppenspezifischen (unter anderem Antikoagulation, Diabetes mellitus, Hypertonie) und publizierten Schulungs- und Behandlungsprogrammen profitieren kann. Der bestehende Schulungsstand der Versicherten ist zu berücksichtigen. Sofern Schulungsprogramme angewandt werden sollen, sind diese gegenüber dem Bundesversicherungsamt im Rahmen des Zulassungsverfahrens zu benennen und ihre Ausrichtung an den unter Ziffer 1.3 genannten Therapiezielen zu belegen.
Die Qualifikation der Leistungserbringer ist sicherzustellen.- 5.
- Evaluation (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)
Die Evaluation erfolgt im Rahmen der Evaluation des strukturierten Behandlungsprogramms für KHK.- 1)
- Vergleiche Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung. Hoppe UC, Böhm M, Dietz R, Hanrath P, Kroemer HK, Osterspey A, Schmaltz AA, Erdmann E. Leitlinie zur Therapie der chronischen Herzinsuffizienz. Z Kardiol 2005; 94: 488-509.
- 2)
- Vergleiche Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Muth C, Gensichen J, Butzlaff M. DEGAM-Leitlinie Nr. 9: Herzinsuffizienz, Teil 2 - Evidenz und Rationale. omikron publishing Düsseldorf 2006."
- 8.
- Die Anlage 7 wird wie folgt gefasst:
„Anlage 7 (zu §§ 28b bis 28g) Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme für Diabetes mellitus Typ 1- 1.
- Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)
- 1.1
- Definition des Diabetes mellitus Typ 1
- 1.2
- Diagnostik (Eingangsdiagnose)
- 1.
- Nachweis typischer Symptome des Diabetes mellitus (zum Beispiel Polyurie, Polydipsie, ungewollter Gewichtsverlust) und/oder einer Ketose/Ketoazidose und
- 2.
- Nüchtern-Glukose vorrangig im Plasma (i. P.) ≥ 7,0 mmol/l (≥ 126 mg/dl) oder Nicht-Nüchtern-Glukose i. P. ≥ 11,1 mmol/l (≥ 200 mg/dl) und
- 3.
- gegebenenfalls laborchemische Hinweise für einen absoluten Insulinmangel (zum Beispiel Nachweis von Ketonkörpern in Blut und/oder Urin mit und ohne Azidose).
Diagnostische Kriterien des Diabetes mellitus
Plasmaglukose | Vollblutglukose | |||||||
venös | kapillar | venös | kapillar | |||||
mmol/l | mg/dl | mmol/l | mg/dl | mmol/l | mg/dl | mmol/l | mg/dl | |
Nüchtern | ≥ 7,0 | ≥ 126 | ≥ 7,0 | ≥ 126 | ≥ 6,1 | ≥ 110 | ≥ 6,1 | ≥ 110 |
Nicht-nüchtern | ≥ 11,1 | ≥ 200 | ≥ 12,2 | ≥ 220 | ≥ 10,0 | ≥ 180 | ≥ 11,1 | ≥ 200 |
- Die Unterscheidung zwischen Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 erfolgt im strukturierten Behandlungsprogramm demnach anhand der Anamnese, des klinischen Bildes und der Laborparameter.
Die Leistungserbringer sollen prüfen, ob die Patientin oder der Patient im Hinblick auf die unter Ziffer 1.3.1 genannten Therapieziele von der Einschreibung profitieren kann.- 1.3
- Therapie des Diabetes mellitus Typ 1
- 1.3.1
- Therapieziele
- 1.
- Vermeidung der mikrovaskulären Folgeschäden (Retinopathie mit schwerer Sehbehinderung oder Erblindung, Niereninsuffizienz mit der Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie),
- 2.
- Vermeidung von Neuropathien beziehungsweise Linderung von damit verbundenen Symptomen, insbesondere Schmerzen,
- 3.
- Vermeidung des diabetischen Fußsyndroms mit neuro-, angio- und/oder osteoarthropathischen Läsionen und von Amputationen,
- 4.
- Reduktion des erhöhten Risikos für kardiale, zerebrovaskuläre und sonstige makroangiopathische Morbidität und Mortalität,
- 5.
- Vermeidung von Stoffwechselentgleisungen (Ketoazidosen) und Vermeidung von Nebenwirkungen der Therapie (insbesondere schwere oder rezidivierende Hypoglykämien).
- 1.3.2
- Differenzierte Therapieplanung
Die Leistungserbringer haben zu prüfen, ob die Patientin oder der Patient im Hinblick auf die in Ziffer 1.3.1 genannten Therapieziele von einer bestimmten Intervention profitieren kann. Die Durchführung der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen erfolgt in Abstimmung mit der Patientin oder dem Patienten nach ausführlicher Aufklärung über Nutzen und Risiken.- 1.3.3
- Strukturierte Schulungs- und Behandlungsprogramme
- 1.3.4
- Insulinsubstitution
Sofern im Rahmen der individuellen Therapieplanung anstelle des als vorrangig anzuwendenden Human-Insulins Insulin-Analoga verordnet werden sollen, ist die Patientin oder der Patient darüber zu informieren, dass derzeit für Insulin-Analoga noch keine ausreichenden Belege zur Sicherheit im Langzeitgebrauch sowie zur Risikoreduktion klinischer Endpunkte vorliegen. Sie oder er ist darüber zu informieren, ob für das jeweilige Insulin-Analogon Daten zur besseren Wirksamkeit und Steuerbarkeit vorliegen. Dies ist für kurzwirksame Insulin-Analoga bei Pumpentherapie (CSII) bisher nur in Kurzzeitstudien nachgewiesen.
Die intensivierte Insulin-Therapie ist der Behandlungsstandard bei Diabetes mellitus Typ 1. Im Rahmen des strukturierten Behandlungs- und Schulungsprogramms sollen die Patienten mit der selbstständigen korrekten Durchführung einer intensivierten Insulintherapie vertraut gemacht werden. Hierzu zählen unter anderem die variablen präprandialen Gaben von kurzwirksamen Insulinen nach Blutglukoseselbstkontrolle. Dabei ist auf einen ausreichenden Wechsel der Insulin-Injektionsstellen zu achten, um Gewebeveränderungen zu vermeiden, die die Insulinresorption nachhaltig beeinflussen.
Ziel ist eine selbstbestimmte flexible Lebensführung ohne diabetesbedingte Beschränkung der Auswahl von Nahrungsmitteln.- 1.4
- Hypoglykämische und ketoazidotische Stoffwechselentgleisungen
- 1.5
- Begleit- und Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus Typ 1
- 1.5.1
- Mikrovaskuläre Folgeerkrankungen
- 1.5.1.1
- Allgemeinmaßnahmen
- 1.5.1.2
- Diabetische Nephropathie
Für die Diagnosestellung einer diabetischen Nephropathie ist der mindestens zweimalige Nachweis einer pathologisch erhöhten Albumin-Ausscheidungsrate im Urin im Abstand von zwei bis vier Wochen notwendig, insbesondere bei Vorliegen einer Retinopathie. Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 ohne bekannte diabetische Nephropathie erhalten mindestens einmal jährlich eine entsprechende Urin-Untersuchung zum Ausschluss einer diabetischen Nephropathie.
Bei Nachweis einer persistierenden pathologischen Urin-Albumin-Ausscheidung ist unter anderem zusätzlich die Bestimmung der glomerulären Filtrationsrate (eGFR) auf Basis der Serum-Kreatinin-Bestimmung durchzuführen.
Wenn eine diabetische Nephropathie diagnostiziert wurde, sind Interventionen vorzusehen, für die ein positiver Nutzennachweis im Hinblick auf die Vermeidung der Progression und Nierenersatztherapie erbracht ist. Dazu zählen insbesondere eine normnahe Blutdruck- und Blutglukoseeinstellung, Tabakverzicht und bei pathologisch reduzierter glomerulärer Filtrationsrate die Empfehlung einer adäquat begrenzten Eiweißaufnahme.- 1.5.1.3
- Diabetische Retinopathie
Wenn eine diabetesassoziierte Augenkomplikation diagnostiziert wurde, sind Interventionen vorzusehen, für die ein positiver Nutzennachweis im Hinblick auf die Vermeidung der Erblindung erbracht ist. Dazu zählen eine normnahe Blutglukose- und Blutdruckeinstellung sowie gegebenenfalls eine rechtzeitige und adäquate Laser-Behandlung. Bei proliferativer Retinopathie ist insbesondere die panretinale Laser-Fotokoagulation durchzuführen.- 1.5.2
- Diabetische Neuropathie
Bei Neuropathien mit für die Patientin oder den Patienten störender Symptomatik (vor allem schmerzhafte Polyneuropathie) ist der Einsatz zusätzlicher medikamentöser Maßnahmen sinnvoll. Es kommen vorzugsweise Antidepressiva sowie Antikonvulsiva in Betracht, die für diese Indikation zugelassen sind.
Bei Hinweisen auf eine autonome diabetische Neuropathie (zum Beispiel kardiale autonome Neuropathie, Magenentleerungsstörungen, Blasenentleerungsstörungen) ist eine spezialisierte weiterführende Diagnostik und Therapie zu erwägen.- 1.5.3
- Das diabetische Fußsyndrom
Es ist bei allen Patientinnen und Patienten mindestens einmal jährlich eine Inspektion der Füße einschließlich Prüfung auf Neuropathie und Prüfung des Pulsstatus durchzuführen. Bei Patientinnen oder Patienten mit erhöhtem Risiko soll die Prüfung quartalsweise, einschließlich der Überprüfung des Schuhwerks, erfolgen.
Bei Hinweisen auf ein diabetisches Fußsyndrom (Epithelläsion, Verdacht auf beziehungsweise manifeste Weichteil- oder Knocheninfektion beziehungsweise Verdacht auf Osteoarthropathie) ist die Mitbehandlung in einer für die Behandlung des diabetischen Fußsyndroms qualifizierten Einrichtung gemäß Überweisungsregeln nach Ziffer 1.8.2 erforderlich. Nach abgeschlossener Behandlung einer Läsion im Rahmen eines diabetischen Fußsyndroms ist die regelmäßige Vorstellung in einer für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit diabetischem Fußsyndrom qualifizierten Einrichtung zu prüfen.
Die Dokumentation erfolgt nach der Wagner-Armstrong-Klassifikation.- 1.5.4
- Makroangiopathische Erkrankungen
- 1.5.4.1
- Arterielle Hypertonie bei Diabetes mellitus Typ 1
- 1.5.4.1.1
- Definition und Diagnosestellung der Hypertonie
- 1.5.4.1.2
- Therapeutische Maßnahmen bei Hypertonie
Jede Patientin und jeder Patient mit Diabetes mellitus Typ 1 und arterieller Hypertonie soll Zugang zu einem strukturierten, evaluierten und publizierten Schulungs- und Behandlungsprogramm erhalten. Insbesondere können solche Schulungen angeboten werden, die bei diesen Patientinnen oder Patienten auf klinische Endpunkte adäquat evaluiert sind.
Vorrangig sollen unter Berücksichtigung der Kontraindikationen, der Komorbiditäten und der Patientenpräferenzen Medikamente zur Blutdrucksenkung verwendet werden, deren positiver Effekt und deren Sicherheit im Hinblick auf die Erreichung der unter Ziffer 1.3.1 genannten Therapieziele in prospektiven, randomisierten, kontrollierten Langzeitstudien nachgewiesen wurden.
Dabei handelt es sich um folgende Wirkstoffgruppen:- -
- Diuretika,
- -
- Beta1-Rezeptor-selektive Betablocker,
- -
- Angiotensin-Conversions-Enzym-Hemmer (ACE-Hemmer), bei ACE-Hemmer-Unverträglichkeit oder speziellen Indikationen AT1-Rezeptor-Antagonisten.
- 1.5.4.2
- Statintherapie
- 1.5.4.3
- Thrombozytenaggregationshemmer
- 1.5.5
- Psychische, psychosomatische und psychosoziale Betreuung
- 1.6
- Schwangerschaft bei Diabetes mellitus Typ 1
- 1.7
- Behandlung von Kindern und Jugendlichen
- 1.7.1
- Therapieziele
- 1.
- Vermeidung akuter Stoffwechselentgleisungen (Ketoazidose, diabetisches Koma, schwere Hypoglykämie),
- 2.
- Reduktion der Häufigkeit diabetesbedingter Folgeerkrankungen, auch im subklinischen Stadium; dies setzt eine möglichst normnahe Blutglukoseeinstellung sowie die frühzeitige Erkennung und Behandlung von zusätzlichen Risikofaktoren (zum Beispiel Hypertonie, Dyslipidämie, Adipositas, Rauchen) voraus,
- 3.
- altersentsprechende körperliche Entwicklung (Längenwachstum, Gewichtszunahme, Pubertätsbeginn), altersentsprechende geistige und körperliche Leistungsfähigkeit,
- 4.
- möglichst geringe Beeinträchtigung der psychosozialen Entwicklung und der sozialen Integration der Kinder und Jugendlichen durch den Diabetes und seine Therapie; die Familie soll in den Behandlungsprozess einbezogen werden, Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der Patientinnen und Patienten sind altersentsprechend zu stärken.
- 1.7.2
- Therapie
- 1.7.3
- Schulung
Die krankheitsspezifische Beratung und Diabetesschulung in der Pädiatrie soll das Ziel verfolgen, das eigenverantwortliche Krankheitsmanagement der Kinder und Jugendlichen und in besonderem Maße auch die ihrer Betreuungspersonen zu fördern und zu entwickeln. Das Alter und der Entwicklungsstand des Kindes sind zu berücksichtigen.- 1.7.4
- Psychosoziale Betreuung
- 1.7.5
- Ausschluss von Folgeschäden und assoziierten Erkrankungen
Der Blutdruck soll bei allen Kindern und Jugendlichen mit Diabetes mellitus Typ 1 mindestens ab einem Alter von elf Jahren vierteljährlich gemessen werden.- 1.8
- Kooperation der Versorgungssektoren
- 1.8.1
- Koordinierende Ärztin oder koordinierender Arzt
In Einzelfällen kann die Koordination auch von Hausärztinnen oder Hausärzten im Rahmen ihrer in § 73 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch beschriebenen Aufgaben in enger Kooperation mit einer diabetologisch besonders qualifizierten Ärztin, einem diabetologisch besonders qualifizierten Arzt oder einer diabetologisch besonders qualifizierten Einrichtung wahrgenommen werden.
Bei Kindern und Jugendlichen erfolgt die Koordination unter 16 Jahren grundsätzlich, unter 21 Jahren fakultativ durch eine diabetologisch besonders qualifizierte Pädiaterin, einen diabetologisch besonders qualifizierten Pädiater oder eine diabetologisch besonders qualifizierte pädiatrische Einrichtung. In begründeten Einzelfällen kann die Koordination durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine Einrichtung erfolgen, die in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen diabetologisch besonders qualifiziert sind.- 1.8.2
- Überweisung von der koordinierenden Ärztin, vom koordinierenden Arzt oder von der koordinierenden Einrichtung zur jeweils qualifizierten Fachärztin, zum jeweils qualifizierten Facharzt oder zur qualifizierten Einrichtung
- 1.
- bei Fuß-Läsionen Wagner-Stadium 2-5 und/oder Armstrong-Klasse C oder D in eine für die Behandlung des diabetischen Fußsyndroms qualifizierte Einrichtung,
- 2.
- zur augenärztlichen Untersuchung, insbesondere der Untersuchung der Netzhaut (vergleiche Ziffer 1.5.1.3),
- 3.
- bei geplanter oder bestehender Schwangerschaft in eine in der Behandlung von Schwangeren mit Diabetes mellitus Typ 1 erfahrene qualifizierte Einrichtung (vergleiche Ziffer 1.6),
- 4.
- zur Einleitung einer Insulinpumpentherapie in eine mit dieser Therapie erfahrene diabetologisch qualifizierte Einrichtung,
- 5.
- bei bekannter Hypertonie und bei Nichterreichen des Ziel-Blutdruck-Bereiches unterhalb systolisch 140 mmHg und diastolisch 90 mmHg innerhalb eines Zeitraums von höchstens sechs Monaten zur jeweils qualifizierten Fachärztin, zum jeweils qualifizierten Facharzt oder zur qualifizierten Einrichtung.
- 1.
- bei signifikanter Kreatinin-Erhöhung beziehungsweise bei Einschränkung der Kreatinin-Clearance zum Nephrologen,
- 2.
- bei Vorliegen makroangiopathischer einschließlich kardialer Komplikationen zur jeweils qualifizierten Fachärztin, zum jeweils qualifizierten Facharzt oder zur qualifizierten Einrichtung,
- 3.
- bei allen diabetischen Fuß-Läsionen in eine für die Behandlung des diabetischen Fußsyndroms qualifizierte Einrichtung.
Erfolgt in Einzelfällen die Koordination durch eine Hausärztin oder einen Hausarzt im Rahmen ihrer in § 73 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch beschriebenen Aufgaben, ist ergänzend zu den oben aufgeführten Indikationen eine Überweisung auch bei folgenden Indikationen zur jeweils qualifizierten Fachärztin, zum jeweils qualifizierten Facharzt oder zur qualifizierten Einrichtung zu veranlassen. Dies gilt ebenso, wenn die Koordination im Falle von Kindern und Jugendlichen durch eine diabetologisch besonders qualifizierte Ärztin oder einen diabetologisch besonders qualifizierten Arzt ohne Anerkennung auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendmedizin erfolgt. In diesem Fall ist bei den folgenden Indikationen eine Überweisung zur diabetologisch qualifizierten Pädiaterin, zum diabetologisch qualifizierten Pädiater oder zur diabetologisch qualifizierten pädiatrischen Einrichtung zu veranlassen:- 1.
- bei Erstmanifestation in eine diabetologisch qualifizierte Einrichtung,
- 2.
- bei Neuauftreten mikrovaskulärer Komplikationen (Nephropathie, Retinopathie) oder Neuropathie an eine diabetologisch qualifizierte Einrichtung,
- 3.
- bei Vorliegen mikrovaskulärer Komplikationen (Nephropathie, Retinopathie) oder Neuropathie mindestens einmal jährlich an eine diabetologisch qualifizierte Einrichtung,
- 4.
- bei Vorliegen makroangiopathischer einschließlich kardialer Komplikationen in eine diabetologisch qualifizierte Einrichtung,
- 5.
- zur Einleitung einer intensivierten Insulintherapie in eine diabetologisch qualifizierte Einrichtung, die zur Durchführung von strukturierten Behandlungs- und Schulungsprogrammen qualifiziert ist,
- 6.
- bei Nichterreichen eines HbA1c-Wertes unter dem etwa 1,2-fachen der oberen Norm der jeweiligen Labormethode nach maximal sechs Monaten Behandlungsdauer in eine diabetologisch qualifizierte Einrichtung,
- 7.
- bei Abschluss der akut-medizinischen Versorgung infolge einer schweren Stoffwechseldekompensation (zum Beispiel schwere Hypoglykämie, Ketoazidose) in eine diabetologisch qualifizierte Einrichtung.
- 1.8.3
- Einweisung in ein Krankenhaus zur stationären Behandlung
- 1.
- Notfall (in jedes Krankenhaus),
- 2.
- ketoazidotischer Erstmanifestation in eine diabetologisch qualifizierte stationäre Einrichtung oder ein diabetologisch qualifiziertes Krankenhaus,
- 3.
- Abklärung nach wiederholten schweren Hypoglykämien oder Ketoazidosen in ein diabetologisch qualifiziertes Krankenhaus,
- 4.
- Verdacht auf infizierten diabetischen Fuß neuropathischer oder angiopathischer Genese sowie bei akuter neuroosteopathischer Fußkomplikation in ein für die Behandlung des diabetischen Fußsyndroms qualifiziertes Krankenhaus,
- 5.
- Nichterreichen eines HbA1c-Wertes unter dem etwa 1,2-fachen der oberen Norm der jeweiligen Labormethode nach in der Regel sechs Monaten (spätestens neun Monaten) Behandlungsdauer in einer ambulanten diabetologisch qualifizierten Einrichtung; vor einer Einweisung in diabetologisch qualifizierte stationäre Einrichtungen ist zu prüfen, ob die Patientin oder der Patient von einer stationären Behandlung profitieren kann,
- 6.
- Kindern und Jugendlichen mit neu diagnostiziertem Diabetes mellitus Typ 1 beziehungsweise bei schwerwiegenden Behandlungsproblemen (zum Beispiel ungeklärten Hypoglykämien oder Ketoazidosen) in pädiatrisch diabetologisch qualifizierte stationäre Einrichtungen,
- 7.
- gegebenenfalls zur Einleitung einer intensivierten Insulintherapie in eine diabetologisch qualifizierte stationäre Einrichtung, die zur Durchführung von strukturierten Schulungs- und Behandlungsprogrammen (entsprechend Ziffer 4.2) qualifiziert ist,
- 8.
- gegebenenfalls zur Durchführung eines strukturierten Schulungs- und Behandlungsprogramms (entsprechend Ziffer 4.2) von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 im stationären Bereich,
- 9.
- gegebenenfalls zur Einleitung einer Insulinpumpentherapie (CSII),
- 10.
- gegebenenfalls zur Mitbehandlung von Begleit- und Folgekrankheiten des Diabetes mellitus Typ 1. Im Übrigen entscheidet die Ärztin oder der Arzt nach pflichtgemäßem Ermessen über eine Einweisung.
- 1.8.4
- Veranlassung einer Rehabilitationsleistung
- 2.
- Qualitätssichernde Maßnahmen (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)
- 3.
- Teilnahmevoraussetzungen und Dauer der Teilnahme der Versicherten (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)
- 3.1
- Allgemeine Teilnahmevoraussetzungen
- 3.2
- Spezielle Teilnahmevoraussetzungen
- 4.
- Schulungen (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)
- 4.1
- Schulungen der Leistungserbringer
- 4.2
- Schulungen der Versicherten
- 5.
- Evaluation (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)
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