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Abschnitt 3 - Assistenzhundeverordnung (AHundV)

V. v. 19.12.2022 BGBl. I S. 2436 (Nr. 53)
Geltung ab 01.03.2023; FNA: 860-9-2-6 Sozialgesetzbuch

Abschnitt 3 Ausbildung zum Assistenzhund und zur Mensch-Assistenzhund-Gemeinschaft

§ 7 Fremdausbildung und Selbstausbildung



(1) Die Ausbildung erfolgt als Fremdausbildung oder Selbstausbildung.

(2) 1Bei der Selbstausbildung leitet die Ausbildungsstätte den Menschen mit Behinderungen an und führt notwendige Schulungen, insbesondere zur Zusammenarbeit von Mensch und Hund durch. 2Art und Umfang der Einbeziehung der Ausbildungsstätte richten sich nach den jeweiligen Erfordernissen und Bedürfnissen des Menschen mit Behinderungen. 3Sie muss jedoch mindestens einen Umfang von 60 Zeitstunden, verteilt auf einen Zeitraum von zwei Monaten, umfassen.

(3) 1Von den zeitlichen Vorgaben des Absatzes 2 Satz 3 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn hierfür erhebliche Gründe vorliegen. 2Ein erheblicher Grund liegt insbesondere dann vor, wenn der Mensch mit Behinderungen bereits eine Ausbildung mit einem anderen Hund absolviert oder begleitet hat.


§ 8 Ziel und Inhalt der Ausbildung



(1) 1Ziel der Ausbildung ist es, eine funktionsfähige Einheit zwischen Mensch und Hund zu schaffen. 2Diese liegt vor, wenn

1.
die erforderlichen Hilfeleistungen bedarfsgerecht und zwischen Mensch und Hund aufeinander abgestimmt ausgeführt werden,

2.
Mensch und Hund das notwendige Vertrauen und eine sichere Bindung zueinander entwickelt haben,

3.
der Mensch den Hund hinreichend kontrollieren kann und dieser gegenüber dem Menschen den erforderlichen Gehorsam besitzt,

4.
sich die Mensch-Assistenzhund-Gemeinschaft sicher im privaten und öffentlichen Raum bewegt,

5.
der Mensch verschiedene Reaktionsweisen des Hundes, wie etwa bei Stress, erkennen und darauf angemessen reagieren kann und

6.
der Mensch den Hund außerhalb dessen Hilfeleistungsaufgaben mental und körperlich angemessen beschäftigen sowie artgemäß versorgen und halten kann.

(2) Ziel der Ausbildung ist es zudem, dass der Mensch mit Behinderungen die erforderlichen theoretischen Kenntnisse und praktischen Fähigkeiten insbesondere in Bezug auf Haltung, Gesundheit, Wesen und Verhalten eines Assistenzhundes besitzt.

(3) Die Ausbildung erfolgt zu einer der in § 3 Absatz 1 genannten Assistenzhundearten und umfasst mindestens den in Anlage 4 und in diesem Abschnitt aufgeführten Ausbildungsinhalt.

(4) 1Die Ausbildung muss unter Beachtung der einschlägigen Gesetze erfolgen, insbesondere des Tierschutzgesetzes sowie der Tierschutz-Hundeverordnung vom 2. Mai 2001 (BGBl. I S. 838), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 25. November 2021 (BGBl. I S. 4970) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung. 2Für die Ausbildung sind tierschutzgerechte Methoden und Hilfsmittel zu verwenden und zu vermitteln, die dem aktuellen Stand der Wissenschaft und der Lerntheorien entsprechen.


§ 9 Generelle Eignung als Assistenzhund, Alter bei Beginn der Ausbildung



(1) 1Die Ausbildungsstätte vergewissert sich bei der Fremdausbildung und bei Selbstausbildung so früh wie möglich, ob der Hund generell als Assistenzhund geeignet ist. 2Die generelle Eignung als Assistenzhund liegt vor, wenn

1.
die gesundheitliche Eignung des Hundes innerhalb der letzten drei Monate festgestellt wurde und der Ausbildungsstätte ein entsprechendes Attest, der Befunderhebungsbogen sowie die weiteren Untersuchungsergebnisse vorliegen,

2.
sich der Hund nach der Einschätzung der Ausbildungsstätte zur Ausbildung für die Assistenzhundeart, zu der er ausgebildet werden soll, insbesondere im Hinblick auf seine körperliche Beschaffenheit, Rassezugehörigkeit und äußere Erscheinungsform eignet,

3.
der Hund nach Einschätzung der Ausbildungsstätte bei Abschluss der Ausbildung den für einen Assistenzhund erforderlichen Gehorsam zeigen wird,

4.
der Hund noch kein Training zum Schutz-, Wach- oder Herdenschutzhund absolviert hat,

5.
er nicht zur Zucht eingesetzt wird, sofern es sich um eine Hündin handelt, und

6.
nach der Einschätzung der Ausbildungsstätte davon auszugehen ist, dass der Hund bei Abschluss der Ausbildung das für einen Assistenzhund erforderliche Sozial- und Umweltverhalten zeigen wird; das heißt, dass er

a)
sich im Kontakt mit Menschen, Artgenossen und anderen Tieren artgemäß verhält und sozialkompetent kommuniziert,

b)
eine hohe Stress- und Frustrationstoleranz sowie die für einen Assistenzhund erforderliche Konzentrationsfähigkeit zeigt,

c)
auch in Bedrängungs- und Konfliktsituationen nicht unangemessen erregt, schreckhaft, aggressiv oder ängstlich auf akustische, visuelle und andere Umweltreize reagiert,

d)
eine hohe Kooperations- und Gehorsamsbereitschaft zur Vertrauensperson zeigt und

e)
keine unkontrollierbare Jagdneigung zeigt.

(2) 1Die Ausbildung beginnt frühestens, wenn der Hund 15 Monate alt ist. 2Diese Altersgrenze gilt nicht für die Ausbildung von Warn- und Anzeige-Assistenzhunden, soweit Reaktionen in Bezug auf innere körperliche Veränderungen eines Menschen mit stoffwechselbedingten Beeinträchtigungen trainiert werden.


§ 10 Konkret-individuelle Eignung als Assistenzhund



(1) 1Zusätzlich zur generellen Eignung des Hundes vergewissert sich die Ausbildungsstätte bei der Fremdausbildung und bei der Selbstausbildung so früh wie möglich, ob sich der Hund unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Menschen mit Behinderungen im konkreten Fall als Assistenzhund eignet. 2Die konkret-individuelle Eignung liegt vor, wenn der Mensch mit Behinderungen gegenüber der Ausbildungsstätte nachweist, dass

1.
er die Voraussetzungen des § 3 des Behindertengleichstellungsgesetzes erfüllt und

2.
der Hund als ausgebildeter Assistenzhund ihm die selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen, erleichtern oder behinderungsbedingte Nachteile ausgleichen kann.

(2) 1Die konkret-individuelle Eignung kann insbesondere nachgewiesen werden durch die Vorlage

1.
eines Schwerbehindertenausweises,

2.
eines Bescheids über die Feststellung eines Grades der Behinderung,

3.
einer Bescheinigung eines Sozialleistungsträgers oder

4.
einer fachärztlichen Bescheinigung.

2Der Nachweis nach Satz 1 muss alle Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 1 und 2 umfassen.


§ 11 Schulung der Zusammenarbeit



(1) 1Die Ausbildungsstätte schult die Zusammenarbeit von Mensch und Hund. 2Ziel dieser Schulung ist es, eine funktionsfähige Einheit zwischen Mensch und Hund zu schaffen.

(2) 1Die Schulung der Zusammenarbeit erfolgt bei der Fremdausbildung spätestens dann, wenn der Hund die erforderlichen Hilfeleistungen erlernt hat. 2Diese Schulung erfolgt mindestens über einen Zeitraum von 60 Zeitstunden, verteilt auf mindestens zwei Monate. 3Von diesen zeitlichen Vorgaben kann abgewichen werden, wenn hierfür erhebliche Gründe vorliegen. 4§ 7 Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend.


§ 12 Ausbildungsstätte



(1) In der Ausbildungsstätte trägt die fachlich verantwortliche Person die Verantwortung für die Einhaltung der Bestimmungen dieser Verordnung über die Ausbildung.

(2) 1Die Ausbildungsstätte berücksichtigt bei der Ausbildung die individuellen Bedarfe von Menschen mit Behinderungen. 2Insbesondere erfolgt die Ausbildung durch die Ausbildungsstätte für den Menschen mit Behinderungen barrierefrei oder, soweit dies nicht möglich oder zumutbar ist, durch die Bereitstellung der erforderlichen angemessenen Vorkehrungen.

(3) 1Die Ausbildungsstätte dokumentiert die Ausbildung nach Maßgabe der Anlage 5 in einem Ausbildungsnachweis. 2Die Ausbildungsstätte händigt dem Menschen mit Behinderungen auf dessen Verlangen eine Kopie des Ausbildungsnachweises aus.


§ 13 Einbeziehung einer Bezugsperson in die Ausbildung



1Eine Bezugsperson ist in die Ausbildung einzubeziehen, wenn aufgrund der Beeinträchtigung oder des Alters des Menschen mit Behinderungen eine Unterstützung durch diese Bezugsperson bei der Ausführung der Hilfeleistungen, der Haltung des Assistenzhundes oder in sonstiger Weise erforderlich ist. 2Bei Menschen mit Behinderungen, die jünger als 16 Jahre sind, ist die Einbeziehung einer Bezugsperson zwingend. 3Der Umfang der Einbeziehung richtet sich nach dem Bedarf des Menschen mit Behinderungen und des Hundes.


§ 14 Beratung bei der Selbstausbildung



1Menschen mit Behinderungen und gegebenenfalls deren Bezugspersonen nehmen spätestens bei Beginn der Selbstausbildung die Beratung einer Ausbildungsstätte zu Inhalt und Umfang der Selbstausbildung in Anspruch. 2Die Beratung zu den praktischen Anforderungen an eine Selbstausbildung, zu Fragen der generellen Eignung als Assistenzhund, insbesondere aufgrund von rassetypischen Besonderheiten, zu Fragen der konkret-individuellen Eignung als Assistenzhund sowie zur artgemäßen Versorgung eines Assistenzhundes soll möglichst schon vor der Anschaffung eines Hundes erfolgen.