Bundesrecht - tagaktuell konsolidiert - alle Fassungen seit 2006
Vorschriftensuche
 

Verordnung über die Verfahrensgrundsätze der Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung und im Krankenhaus (Methodenbewertungsverfahrensverordnung - MBVerfV)

V. v. 23.06.2020 BGBl. I S. 1379 (Nr. 29)
Geltung ab 27.06.2020; FNA: 860-5-57 Sozialgesetzbuch

§ 3 Ankündigung der Bewertung und Einholung von Ersteinschätzungen



(1) 1Nach der Annahme eines Antrags macht der Gemeinsame Bundesausschuss unverzüglich bekannt, welche Untersuchungs- oder Behandlungsmethode auf Grund des angenommenen Antrags von ihm zu bewerten ist. 2Die Bekanntmachung erfolgt auf seiner Internetseite, im Bundesanzeiger sowie in geeigneten Fachzeitschriften.

(2) 1Mit der Veröffentlichung erhalten insbesondere die Organisationen, die nach gesetzlichen Vorschriften zu dem Beschluss nach § 7 Absatz 2 oder Absatz 3 stellungnahmeberechtigt sind (Stellungnahmeberechtigte), sowie weitere Sachverständige der medizinischen Wissenschaft und Praxis, Spitzenverbände der Selbsthilfegruppen und Patientenvertretungen sowie Verbände von Leistungserbringern und Medizinprodukteherstellern Gelegenheit, eine Ersteinschätzung zu der zu bewertenden Untersuchungs- oder Behandlungsmethode abzugeben. 2Die Ersteinschätzung ist gegenüber dem Gemeinsamen Bundesausschuss schriftlich oder elektronisch abzugeben. 3Für die Abgabe der schriftlichen oder elektronischen Ersteinschätzungen hat der Gemeinsame Bundesausschuss eine angemessene Frist zu setzen, die einen Monat nicht unterschreiten soll. 4Jedem Stellungnahmeberechtigten, der eine Ersteinschätzung abgegeben hat, ist in der Regel auch in einer Anhörung Gelegenheit zur Abgabe einer mündlichen Ersteinschätzung zu geben.

(3) Die auf Grund gesetzlicher Vorschriften vom Gemeinsamen Bundesausschuss anerkannten und bekannten Stellungnahmeberechtigten und zu beteiligenden Organisationen werden schriftlich oder elektronisch unterrichtet über

1.
die Veröffentlichung,

2.
die Möglichkeit zur Abgabe einer Ersteinschätzung sowie

3.
die Möglichkeit der Teilnahme eines Vertreters oder einer Vertreterin an der mündlichen Anhörung nach Absatz 2 Satz 4.

(4) Die Erkenntnisse aus den Ersteinschätzungen sind in die Ausgestaltung des Auftrags nach § 4 Absatz 2 Satz 1 einzubeziehen und in den tragenden Gründen des Beschlusses nach § 7 oder in einer zusammenfassenden Dokumentation des Bewertungsverfahrens zu dokumentieren.


§ 4 Ermittlung und Auswertung der vorliegenden Erkenntnisse



(1) Für die Bewertung einer Untersuchungs- oder Behandlungsmethode nach § 135 Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch oder § 137c Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ist der aktuelle Stand der medizinischen Erkenntnisse zu ermitteln.

(2) 1Der Gemeinsame Bundesausschuss beauftragt seine Geschäftsstelle, das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen oder eine andere fachlich unabhängige wissenschaftliche Institution mit der Recherche, Darstellung und Bewertung des aktuellen medizinischen Wissensstandes, insbesondere im Wege und auf Grund einer systematischen Literaturrecherche. 2Der Auftrag soll spätestens drei Monate nach der Annahme des Antrags erteilt werden.

(3) 1Im Falle der Beauftragung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen oder einer anderen fachlich unabhängigen wissenschaftlichen Institution ist in dem Auftrag vorzugeben, dass ein Bericht über die Recherche, Darstellung und Bewertung des aktuellen medizinischen Wissensstandes spätestens innerhalb eines Jahres nach Erteilung des Auftrags vorzulegen ist. 2Im Falle der Beauftragung der Geschäftsstelle des Gemeinsamen Bundesausschusses soll die Auswertung der recherchierten Erkenntnisse durch den Gemeinsamen Bundesausschuss ebenfalls spätestens innerhalb eines Jahres nach der Erteilung des Auftrags abgeschlossen sein.

(4) 1Folgende Unterlagen und Nachweise sind nach den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin grundsätzlich in die Ermittlung des aktuellen Standes der medizinischen Erkenntnisse einzubeziehen und auszuwerten:

1.
für die Bewertung diagnostischer Methoden als Unterlagen und Nachweise der Evidenzstufe

a)
I a systematische Übersichtsarbeiten von Studien der Evidenzstufe I b,

b)
I b randomisierte kontrollierte Studien,

c)
I c andere Interventionsstudien,

d)
II a systematische Übersichtsarbeiten von Studien zur diagnostischen Testgenauigkeit der Evidenzstufe II b,

e)
II b Querschnitts- und Kohortenstudien, aus denen sich alle diagnostischen Kenngrößen zur Testgenauigkeit, insbesondere zu Sensitivität und Spezifität, Wahrscheinlichkeitsverhältnissen, positivem und negativem prädiktiven Wert berechnen lassen,

f)
III andere Studien, aus denen sich die diagnostischen Kenngrößen zur Testgenauigkeit, insbesondere zu Sensitivität und Spezifität, Wahrscheinlichkeitsverhältnissen berechnen lassen sowie

g)
IV Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Einzelfallberichte, nicht mit Studien belegte Meinungen anerkannter Expertinnen und Experten, Berichte von Expertenkomitees und Konsensuskonferenzen,

2.
für die Bewertung therapeutischer Methoden als Unterlagen und Nachweise der Evidenzstufe

a)
I a systematische Übersichtsarbeiten von Studien der Evidenzstufe I b,

b)
I b randomisierte klinische Studien,

c)
II a systematische Übersichtsarbeiten von Studien der Evidenzstufe II b,

d)
II b prospektive vergleichende Kohortenstudien,

e)
III retrospektive vergleichende Studien,

f)
IV Fallserien und andere nicht vergleichende Studien,

g)
V Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Einzelfallberichte, nicht mit Studien belegte Meinungen anerkannter Expertinnen und Experten, Berichte von Expertenkomitees und Konsensuskonferenzen.

2Der Auftrag nach Absatz 2 Satz 1 ist entsprechend auszugestalten. 3Auf die Einbeziehung von Unterlagen und Nachweisen niedrigerer Evidenzstufen kann verzichtet werden, wenn die Bewertungsentscheidung bereits auf Grund hinreichend aussagekräftiger Unterlagen und Nachweise einer höheren Evidenzstufe getroffen werden kann.


§ 5 Bewertung und Abwägungsprozess zur Erstellung eines Beschlussentwurfs



1Der Gemeinsame Bundesausschuss erstellt in einem umfassenden Abwägungsprozess einen Beschlussentwurf über die Bewertung der Untersuchungs- oder Behandlungsmethode für den jeweiligen Versorgungskontext. 2Der Entwurf soll innerhalb von drei Monaten nach Vorliegen des Berichts über die Ermittlung und Auswertung der vorliegenden Erkenntnisse erstellt werden.


§ 6 Stellungnahmeverfahren



(1) 1Die Frist zur Abgabe einer schriftlichen oder elektronischen Stellungnahme durch die Stellungnahmeberechtigen zu dem Beschlussentwurf soll nicht kürzer als vier Wochen sein. 2Die Gelegenheit zur Abgabe einer mündlichen Stellungnahme nach § 91 Absatz 9 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ist im Rahmen einer Anhörung zu geben, die in der Regel nicht später als einen Monat nach Ablauf der Frist zur Abgabe einer schriftlichen oder elektronischen Stellungnahme stattfinden soll.

(2) 1Die Auswertung der abgegebenen Stellungnahmen erfordert eine Auseinandersetzung mit den vorgetragenen Einwänden und Änderungsvorschlägen. 2Die wesentlichen Gründe für das Aufgreifen oder Nichtaufgreifen der einzelnen Einwände oder Änderungsvorschläge bei der Beschlussfassung nach § 7 Absatz 2 oder Absatz 3 sind in die tragenden Gründe aufzunehmen oder in einer zusammenfassenden Dokumentation des Bewertungsverfahrens zu dokumentieren und zu veröffentlichen. 3Die Auswertung der schriftlichen, elektronischen und mündlichen Stellungnahmen ist in der Regel innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der nach Absatz 1 Satz 1 gesetzten Frist zur Abgabe einer schriftlichen oder elektronischen Stellungnahme abzuschließen. 4Die Stellungnahmen sind in die abschließende Abwägungsentscheidung einzubeziehen.