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Seearbeitsgesetz (SeeArbG)

Artikel 1 G. v. 20.04.2013 BGBl. I S. 868, 2014 I 605; zuletzt geändert durch Artikel 3 G. v. 14.03.2023 BGBl. 2023 I Nr. 73
Geltung ab 01.08.2013, abweichend siehe § 154, Ermächtigungen ab 25.04.2013; FNA: 9513-38 Schiffsbesatzung
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Abschnitt 3 Beschäftigungsbedingungen

Unterabschnitt 7 Heimschaffung und Imstichlassen

§ 73 Anspruch auf Heimschaffung



Das Besatzungsmitglied hat Anspruch auf Heimschaffung an den nach § 75 maßgebenden Bestimmungsort

1.
im Falle von Krankheit oder Verletzung nach Maßgabe des § 105,

2.
wenn das Heuerverhältnis endet; im Falle einer ordentlichen Kündigung nach Ablauf der sich aus § 66 ergebenden Kündigungsfrist,

3.
wenn der Reeder seine gesetzlichen oder arbeitsvertraglichen Verpflichtungen wegen Insolvenz, Veräußerung des Schiffes, Änderung der Eintragung im Schiffsregister oder aus einem ähnlichen Grund nicht mehr erfüllt,

4.
wenn ein Schiff ein Gebiet befahren soll, in dem besondere Gefahren durch bewaffnete Auseinandersetzungen drohen und in das sich das Besatzungsmitglied nicht begeben will, oder wenn das Schiff ein solches Gebiet nicht unverzüglich verlässt,

5.
wenn der Reeder das Besatzungsmitglied im Stich lässt (§ 76a Absatz 1 Satz 3).




§ 74 Heimschaffung eines jugendlichen Besatzungsmitglieds



Hat ein jugendliches Besatzungsmitglied während seiner ersten Auslandsreise auf einem Schiff mindestens vier Monate lang Dienst getan und stellt sich während dieser Zeit heraus, dass es für das Leben auf See ungeeignet ist, so hat es einen Anspruch auf Heimschaffung von einem Hafen, in dem die Heimschaffung sicher und mit allgemein zugänglichen Verkehrsmitteln möglich ist.


§ 75 Bestimmungsort der Heimschaffung



(1) Bestimmungsort der Heimschaffung nach Wahl des Besatzungsmitglieds ist

1.
der Wohnort des Besatzungsmitglieds,

2.
der Ort, an dem der Heuervertrag abgeschlossen worden ist,

3.
der durch Tarifvertrag festgelegte Ort oder

4.
jeder andere im Heuervertrag vereinbarte Ort.

(2) Lässt der Reeder ein Besatzungsmitglied im Stich (§ 76a Absatz 1 Satz 3), ist abweichend von Absatz 1 Bestimmungsort der Heimschaffung ausschließlich der Wohnort des Besatzungsmitglieds.




§ 76 Durchführung und Kosten der Heimschaffung



(1) 1Der Reeder hat die Vorkehrungen für die Durchführung der Heimschaffung zu treffen. 2Er stellt sicher, dass das Besatzungsmitglied den Pass und sonstige für die Heimschaffung erforderliche Ausweispapiere erhält. 3Die Beförderung des Besatzungsmitglieds erfolgt grundsätzlich auf dem Luftweg. 4Für die Zeit vom Verlassen des Schiffes bis zum Eintreffen am Bestimmungsort hat das Besatzungsmitglied Anspruch auf Fortzahlung der Heuer.

(2) 1Der Anspruch auf Heimschaffung umfasst

1.
die Beförderung an den Bestimmungsort,

2.
die Unterkunft und Verpflegung,

3.
die Beförderung von bis zu 30 Kilogramm persönlichem Gepäck an den Bestimmungsort der Heimschaffung und

4.
ärztliche Behandlung, soweit das Besatzungsmitglied dieser bedarf, um zum Bestimmungsort reisen zu können.

2Der Reeder trägt die notwendigen Kosten der Heimschaffung. 3Die Aufrechnung der Kosten der Heimschaffung mit der Heuer oder anderen Ansprüchen des Besatzungsmitglieds ist unwirksam. 4Eine Vorauszahlung zur Deckung der Kosten der Heimschaffung darf der Reeder nicht verlangen; eine entsprechende Vereinbarung ist unwirksam.

(3) Die Wartezeit bis zur Heimschaffung und die Dauer der Heimschaffung dürfen nicht auf den Urlaub angerechnet werden.

(4) 1Ein Besatzungsmitglied ist heimgeschafft, wenn es am Bestimmungsort eingetroffen ist. 2Der Anspruch auf Heimschaffung erlischt, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten, gerechnet ab dem Tag, an dem das Besatzungsmitglied den Anspruch erstmals geltend machen konnte, geltend gemacht worden ist. 3Die Frist nach Satz 2 läuft nicht, solange das Besatzungsmitglied infolge von seeräuberischen Handlungen oder bewaffneten Raubüberfällen auf Schiffe gefangen gehalten wird.

(5) 1Ist das Heuerverhältnis durch eine Kündigung nach § 67 beendet worden, kann der Reeder vom Besatzungsmitglied die Erstattung der Kosten der Heimschaffung verlangen. 2Absatz 1 Satz 4 und Absatz 2 Satz 3 gelten nicht.

(6) Ist der Reeder außerstande, die Vorkehrungen für die Heimschaffung zu treffen, hat das Besatzungsmitglied Anspruch auf Zahlung des für seine Heimschaffung erforderlichen Geldbetrages.

(7) Das Recht des Reeders, sich die Kosten für die Heimschaffung auf Grund vertraglicher Vereinbarungen mit Dritten erstatten zu lassen, bleibt unberührt.

(8) Der Reeder ist verpflichtet, zum Schutz der an Bord des Schiffes beschäftigten Besatzungsmitglieder für Fälle der Heimschaffung nach § 73 Nummer 1 bis 4 eine Zahlungsübernahmeerklärung nachzuweisen, die durch eine Bürgschaft oder Garantie durch eine Vereinigung von Reedern oder eine sonstige finanzielle Sicherheit abgedeckt ist.




§ 76a Pflicht zur finanziellen Absicherung für Fälle des Imstichlassens



(1) 1Der Reeder eines Schiffes, das kein Fischereifahrzeug ist, hat nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 für Fälle des Imstichlassens eines Besatzungsmitglieds eine Versicherung oder eine sonstige finanzielle Sicherheit aufrechtzuerhalten. 2Die Versicherung oder die sonstige finanzielle Sicherheit ist der Berufsgenossenschaft bei Überprüfungen nachzuweisen. 3Ein Besatzungsmitglied ist insbesondere im Stich gelassen, wenn der Reeder

1.
die Kosten für die Heimschaffung nach § 76 Absatz 2 Satz 2 nicht übernimmt,

2.
den Anspruch des Besatzungsmitglieds auf medizinische Betreuung nach den §§ 99 bis 103 nicht erfüllt,

3.
mit der Heuerzahlung nach § 37 mindestens zwei Monate in Verzug ist,

4.
gesundheitsschädliche Unterkunftsräume bereithält,

5.
verdorbene oder für die Schiffsbesatzung ungenügende Verpflegungs- oder Trinkwasservorräte zur Verfügung stellt oder

6.
keinen ausreichenden Kraftstoff für das Überleben an Bord des Schiffes zur Verfügung stellt.

(2) 1Die Versicherung oder die sonstige finanzielle Sicherheit muss die gesetzlichen Ansprüche der Besatzungsmitglieder und solche Leistungen, die nach dem Heuervertrag mit dem in § 28 vorgeschriebenen Inhalt, nach dem Berufsausbildungsvertrag mit dem in § 82 vorgeschriebenen Inhalt oder nach dem anwendbaren Tarifvertag geschuldet sind, finanziell absichern. 2Der Versicherungsvertrag oder der Vertrag über die sonstige finanzielle Sicherheit kann die finanzielle Absicherung von ausstehenden Leistungen aus dem Heuerverhältnis auf vier Monate beschränken. 3Das gilt nicht für Ansprüche, bei deren Nichterfüllung durch den Reeder ein Besatzungsmitglied nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 1, 2, 4, 5 oder 6 im Stich gelassen ist.

(3) Der Versicherungsvertrag oder der Vertrag über die sonstige finanzielle Sicherheit muss vorsehen, dass

1.
Besatzungsmitglieder ihre Ansprüche unmittelbar gegen den Versicherer oder den Sicherungsgeber geltend machen können,

2.
der Versicherungsschutz oder der Schutz durch die sonstige finanzielle Sicherheit nicht vor Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer endet, es sei denn, der Versicherer oder der Sicherungsgeber informiert die Berufsgenossenschaft mindestens 30 Tage zuvor.

(4) 1Der Versicherer oder der Sicherungsgeber übermittelt nach Maßgabe des Absatzes 5 dem Reeder eines Schiffes im Sinne des § 130 Absatz 1 oder 8 eine Bescheinigung über die Versicherung oder die sonstige finanzielle Sicherheit in deutscher Sprache, begleitet von einer englischen Übersetzung. 2Der Reeder hat die Bescheinigung an Bord mitzuführen. 3Eine Kopie der Bescheinigung ist an geeigneter Stelle an Bord in einer für die Besatzungsmitglieder geeigneten Sprache auszuhängen.

(5) Die Bescheinigung hat mindestens den folgenden Inhalt:

1.
Name des Schiffes,

2.
Heimathafen des Schiffes,

3.
Rufzeichen des Schiffes,

4.
IMO-Schiffsidentifikationsnummer,

5.
Name und Anschrift des Versicherers oder des Sicherungsgebers,

6.
Kontaktinformationen der Personen oder der Stelle, die für die Behandlung von Hilfeersuchen der Seeleute zuständig sind,

7.
Name des Reeders,

8.
Gültigkeitsdauer der Versicherung oder der sonstigen finanziellen Sicherheit sowie

9.
eine Erklärung des Versicherers oder des Sicherungsgebers, dass die Versicherung oder die sonstige finanzielle Sicherheit den Anforderungen der Norm A2.5.2 des Seearbeitsübereinkommens genügt.

(6) 1Soweit der Versicherer oder der Sicherungsgeber das Besatzungsmitglied oder im Falle des § 77 Satz 1 in Verbindung mit Satz 3 die Berufsgenossenschaft befriedigt, geht der Anspruch des Besatzungsmitglieds gegen den Reeder auf ihn über. 2Der Reeder hat den Anspruch in Geld zu erfüllen. 3Steht dem Reeder ein Ersatzanspruch zu, geht dieser Anspruch auf den Versicherer oder den Sicherungsgeber über, soweit er die Leistung erbringt.

(7) Der Anspruch eines Besatzungsmitglieds gegen den Versicherer oder den Sicherungsgeber auf Zahlung der vom Reeder geschuldeten Heuer mindert sich insoweit, als diese Heueransprüche nach § 169 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen.




§ 77 Behördliche Durchführungsmaßnahmen bei der Heimschaffung



1Erfüllt der Reeder seine Verpflichtung nach § 76 nicht und befriedigt im Falle eines Imstichlassens im Sinne des § 76a Absatz 1 auch der Versicherer oder der Sicherungsgeber das Besatzungsmitglied nicht, hat die Berufsgenossenschaft die Heimschaffung zu veranlassen und die Kosten zu verauslagen. 2Sie sind vom Reeder zu erstatten. 3Die Ansprüche des Besatzungsmitglieds im Falle eines Imstichlassens im Sinne des § 76a Absatz 1 gegen den Versicherer oder den Sicherungsgeber gehen insoweit auf sie über.




§ 78 Verfügbarkeit von Rechtsvorschriften über Heimschaffung



Der Reeder hat sicherzustellen, dass dem Besatzungsmitglied an Bord eine Kopie der anwendbaren Rechtsvorschriften über die Heimschaffung in einer für das Besatzungsmitglied geeigneten Sprache zur Verfügung steht.


Unterabschnitt 8 Verfahren bei Tod von Besatzungsmitgliedern

§ 79 Tod des Besatzungsmitglieds



(1) Der Kapitän hat für die Bestattung zu sorgen, wenn ein Besatzungsmitglied an Bord oder während der Schiffsreise im Ausland verstorben ist. Wenn der Leichnam nicht bis zu einem Hafen in dem Staat, in dem der Bestimmungsort nach § 75 liegt, mitgenommen werden kann, das Schiff aber zumutbarerweise innerhalb von 24 Stunden nach dem Todesfall einen Hafen erreichen kann, und gegen die Mitnahme des Leichnams keine gesundheitlichen Bedenken bestehen, so ist die Bestattung an Land vorzunehmen. Ist eine Bestattung auf See erforderlich, so ist sie in einer würdigen Form vorzunehmen.

(2) Der Reeder trägt die Kosten der Bestattung, wenn ein Besatzungsmitglied im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit oder deren Folgen verstorben ist.


§ 80 Sorge für Sachen und Heuerguthaben eines verstorbenen oder vermissten Besatzungsmitglieds



(1) Der Kapitän hat die Sachen eines verstorbenen oder vermissten Besatzungsmitglieds dem Vertreter des Reeders vor Ort zu übergeben. Der Reeder hat sicherzustellen, dass die Sachen unverzüglich an die Erben des verstorbenen oder die Angehörigen des vermissten Besatzungsmitglieds übermittelt werden.

(2) Der Reeder hat das Heuerguthaben eines verstorbenen oder für tot erklärten Besatzungsmitglieds an dessen Erben zu überweisen, bei einem vermissten Besatzungsmitglied an dessen Angehörige.