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Gesetz zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung (Strahlenschutzgesetz - StrlSchG)

Artikel 1 G. v. 27.06.2017 BGBl. I S. 1966 (Nr. 42); zuletzt geändert durch Artikel 4 G. v. 23.10.2024 BGBl. 2024 I Nr. 324
Geltung ab 31.12.2018, abweichend siehe Artikel 32; FNA: 751-24 Kernenergie
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Teil 3 Strahlenschutz bei Notfallexpositionssituationen

Kapitel 1 Notfallmanagementsystem des Bundes und der Länder

Abschnitt 2 Referenz-, Dosis- und Kontaminationswerte; Abfälle und Anlagen

§ 94 Dosiswerte und Kontaminationswerte für den Schutz der Bevölkerung; Verordnungsermächtigungen



(1) 1Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit legt für mögliche Notfälle durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Dosiswerte fest, die als radiologisches Kriterium für die Angemessenheit folgender Schutzmaßnahmen dienen:

1.
Aufforderung zum Aufenthalt in Gebäuden,

2.
Verteilung von Jodtabletten oder Aufforderung zur Einnahme von Jodtabletten und

3.
Evakuierung.

2Diese Werte beziehen sich auf die Dosis, die betroffene Personen in einem bestimmten Zeitraum nach Eintritt des Notfalls ohne Schutzmaßnahmen erhalten würden.

(2) 1Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit wird ermächtigt, für mögliche Notfälle, für einen bereits eingetretenen Notfall und für eine nach einem Notfall bestehende Expositionssituation durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Grenzwerte für notfallbedingte Kontaminationen oder Dosisleistungen festzulegen

1.
für Einzelpersonen der Bevölkerung,

2.
für das Trinkwasser,

3.
für Lebensmittel, Futtermittel, Bedarfsgegenstände, kosmetische Mittel und Erzeugnisse im Sinne von § 2 Nummer 1 des Tabakerzeugnisgesetzes,

4.
für Arzneimittel und deren Ausgangsstoffe sowie für Medizinprodukte,

5.
für sonstige Produkte, Gegenstände und Stoffe,

6.
für Fahrzeuge, Güter oder Gepäck und

7.
für kontaminierte Gebiete, insbesondere für kontaminierte Grundstücke und Gewässer,

bei deren Überschreitung davon auszugehen ist, dass eine Gefahr für Einzelpersonen der Bevölkerung durch ionisierende Strahlung besteht. 2Diese Grenzwerte dienen der Durchführung optimierter Schutzstrategien nach § 98 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1.

(3) Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen nach Absatz 2 aufzuheben, zeitlich befristet für unanwendbar zu erklären oder in ihrem Wortlaut einem verbleibenden Anwendungsbereich anzupassen, soweit sie durch den Erlass entsprechender Vorschriften in unmittelbar geltenden Rechtsakten der Europäischen Atomgemeinschaft oder der Europäischen Union unbefristet oder befristet unanwendbar geworden sind.

(4) In den Rechtsverordnungen nach den Absätzen 1 und 2 können auch

1.
Verfahren und Annahmen zur Messung, Berechnung oder Abschätzung der Dosiswerte, Kontaminationswerte oder Dosisleistungswerte festgelegt werden oder

2.
Voraussetzungen festgelegt werden, unter denen diese Werte gelten.

(5) Rechtsverordnungen nach Absatz 2 ergehen im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit, dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und dem Bundesministerium der Finanzen.




§ 95 Bewirtschaftung von Abfällen, die infolge eines Notfalls kontaminiert sein können, Errichtung und Betrieb von Anlagen; Verordnungsermächtigungen



(1) 1Die Bundesregierung legt für mögliche Notfälle, für einen bereits eingetretenen Notfall und für eine nach einem Notfall bestehende Expositionssituation durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Kontaminationswerte für Abfälle und sonstige Gegenstände oder Stoffe, die durch einen Notfall kontaminiert sind oder kontaminiert sein können, fest. 2Werden diese Kontaminationswerte unterschritten, so ist davon auszugehen, dass der erforderliche Schutz von Mensch und Umwelt vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung bei der Bewirtschaftung dieser Abfälle sowie der Errichtung und dem Betrieb oder der Benutzung der nachfolgend genannten Anlagen nach Maßgabe des Kreislaufwirtschaftgesetzes und der sonstigen für Abfälle und für die Anlagen geltenden Bundesgesetze und der auf diese Gesetze gestützten Rechtsverordnungen ohne zusätzliche spezielle Schutzmaßnahmen sichergestellt ist:

1.
Anlagen, in denen diese Abfälle entsorgt werden,

2.
Abwasseranlagen, die Abwasser aufnehmen, das durch einen Notfall kontaminiert ist oder kontaminiert sein kann,

3.
Anlagen, in denen diese Abfälle oder diese sonstigen Gegenstände oder Stoffe insbesondere als Brennstoff, Rohstoff, Material, Vorprodukt, Schmier-, Löse- oder sonstiges Hilfsmittel gelagert, eingesetzt oder behandelt werden oder gelagert, eingesetzt oder behandelt werden können.

(2) 1Um den Schutz des Menschen und der Umwelt vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung sicherzustellen, regelt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates für die Vermeidung, Verwertung, Beseitigung oder sonstige Bewirtschaftung von Abfällen, die infolge eines Notfalls radioaktiv kontaminiert sind oder radioaktiv kontaminiert sein können, für die Errichtung und den Betrieb der in Absatz 1 Satz 2 genannten Anlagen sowie für die Gewässeraufsicht ergänzende Anforderungen und Ausnahmen zu nachfolgenden Rechtsvorschriften oder lässt die Erteilung von Ausnahmen zu diesen Rechtsvorschriften durch die zuständigen Behörden zu:

1.
zum Kreislaufwirtschaftsgesetz und zu den sonstigen für Abfälle geltenden Bundesgesetzen und zu den auf diese Gesetze gestützten Rechtsverordnungen und

2.
zu Bundesgesetzen, die für die Errichtung und den Betrieb der in Absatz 1 Satz 2 genannten Anlagen gelten, und zu den auf diese Gesetze gestützten Rechtsverordnungen.

2Ausnahmen dürfen nur geregelt, zugelassen oder erteilt werden, soweit Gefahren für die menschliche Gesundheit hierdurch nicht zu erwarten sind und Rechtsakte der Europäischen Union oder der Europäischen Atomgemeinschaft nicht entgegenstehen. 3Bei solchen Ausnahmen sind erhebliche Nachteile für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu vermeiden oder zu vermindern, soweit dies unter Berücksichtigung der radiologischen Lage und der anderen für die Ausnahme erheblichen Umstände des jeweiligen Notfalls möglich und angemessen ist. 4Bei den Ausnahmen und den ergänzenden Regelungen sind Anforderungen an die Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren sowie gegen erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen zu berücksichtigen, insbesondere dadurch, dass die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen ergriffen werden.

(3) Die Regelungen nach Absatz 2 beziehen sich insbesondere auf

1.
die Rangfolge der Maßnahmen zur Abfallvermeidung und zur Abfallbewirtschaftung,

2.
Anforderungen an die Schadlosigkeit der Verwertung,

3.
die Ordnung und Durchführung der Abfallbeseitigung,

4.
Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb von Deponien sowie deren Zulassung einschließlich des Zulassungsverfahrens,

5.
Anforderungen an die Überwachung der Abfallwirtschaft,

6.
Anforderungen an Sammler, Beförderer, Händler und Makler von Abfällen sowie deren jeweilige Zulassung einschließlich des Zulassungsverfahrens,

7.
Anforderungen an die Errichtung, die Beschaffenheit, den Betrieb und die wesentliche Änderung der in Absatz 1 Satz 2 genannten Anlagen, an die Zulassung dieser Anlagen einschließlich des Zulassungsverfahrens sowie an den Zustand der Anlage und des Anlagengrundstücks nach Betriebseinstellung,

8.
Anforderungen an die Benutzung der in Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 genannten Abwasseranlagen,

9.
Anforderungen an die Benutzung von Gewässern, insbesondere an das Einbringen und Einleiten von Stoffen in ein Gewässer; die Anforderungen können auch für den Ort des Anfalls von Abwasser oder vor seiner Vermischung festgelegt werden,

10.
Anforderungen an die Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht,

11.
Anforderungen an die Überwachung der Gewässereigenschaften,

12.
Messmethoden und Messverfahren, insbesondere im Rahmen der Abwasserbeseitigung und der Überwachung von Gewässereigenschaften,

13.
Pflichten der Betreiber der in Absatz 1 Satz 2 genannten Anlagen,

14.
die Voraussetzungen, unter denen die zuständigen Behörden Ausnahmen auf Grund einer Verordnung nach Absatz 2 zulassen können und

15.
die Anforderungen, die zur Erfüllung der sich aus Absatz 2 Satz 2 und 3 ergebenden Pflichten zu erfüllen sind.

(4) Die Länder legen fest, welche juristischen Personen als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger im Sinne des § 17 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes zur Entsorgung solcher Abfälle aus privaten Haushaltungen und aus anderen Herkunftsbereichen verpflichtet sind, die auf Grund ihrer notfallbedingten Kontamination nicht in den für die Beseitigung anderer Abfälle vorgesehenen Anlagen oder Einrichtungen behandelt, gelagert oder abgelagert werden können.

(5) Für Rechtsverordnungen nach den Absätzen 1 bis 3 gilt § 94 Absatz 3 und 4 entsprechend.


§ 95a Auskunftsverlangen, Betretensrechte, Mitwirkungs- und Duldungspflichten



(1) Auskunft über Abfälle und sonstige Gegenstände oder Stoffe, die durch einen Notfall kontaminiert sind oder kontaminiert sein können, über Errichtung, Betrieb und Benutzung der in § 95 Absatz 1 Satz 2 genannten Anlagen, über Grundstücke, auf denen sich solche Abfälle, sonstige Gegenstände oder Stoffe oder solche Anlagen befinden können, sowie über andere der Aufsicht nach § 178 Satz 2 unterliegende Gegenstände oder Stoffe haben den Bediensteten und Beauftragten der für die Aufsicht nach § 178 Satz 2 zuständigen Behörde auf Verlangen zu erteilen

1.
Erzeuger und Besitzer von Abfällen oder von sonstigen Gegenständen oder Stoffen, die durch einen Notfall kontaminiert sind oder kontaminiert sein können,

2.
zur Entsorgung von Abfällen, die durch einen Notfall kontaminiert sind oder kontaminiert sein können, Verpflichtete,

3.
Eigentümer und Betreiber sowie frühere Betreiber

a)
von Unternehmen, die solche Abfälle entsorgen oder entsorgt haben,

b)
der in § 95 Absatz 1 Satz 2 genannten Anlagen, auch wenn diese Anlagen stillgelegt sind,

4.
Eigentümer und Besitzer von Grundstücken, auf denen die in § 95 Absatz 1 Satz 2 genannten Anlagen betrieben werden oder wurden, sowie

5.
Sammler, Beförderer, Händler und Makler von Abfällen, die durch einen Notfall kontaminiert sind oder kontaminiert sein können.

(2) 1Die nach Absatz 1 zur Auskunft verpflichteten Personen haben den Bediensteten und Beauftragten der für die Aufsicht nach § 178 Satz 2 zuständigen Behörde zur Prüfung der Einhaltung ihrer Verpflichtungen nach § 95, den Verordnungen nach § 95 oder den Eilverordnungen nach § 96 das Betreten der Grundstücke sowie der Geschäfts- und Betriebsräume zu den üblichen Geschäftszeiten, die Einsicht in Unterlagen und die Vornahme von technischen Ermittlungen und Prüfungen, einschließlich der Ermittlung von Emissionen und Immissionen, zu gestatten. 2Die nach Absatz 1 zur Auskunft verpflichteten Personen sind ferner verpflichtet, zu diesen Zwecken das Betreten von Geschäfts- und Betriebsgrundstücken und -räumen außerhalb der üblichen Geschäftszeiten sowie das Betreten von Wohnräumen zu gestatten, wenn dies zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist. 3Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt.

(3) Betreiber der in § 95 Absatz 1 Satz 2 genannten Anlagen haben diese Anlagen den Bediensteten oder Beauftragten der zuständigen Behörde zugänglich zu machen, die zur Überwachung erforderlichen Arbeitskräfte, Werkzeuge, Hilfsmittel, insbesondere Treibstoffe und Antriebsaggregate, und Unterlagen zur Verfügung zu stellen und nach Anordnung der zuständigen Behörde Zustand und Betrieb der Anlage auf eigene Kosten prüfen zu lassen.

(4) Die behördlichen Befugnisse nach den Absätzen 1 bis 3 erstrecken sich auch auf die Prüfung, ob bestimmte Stoffe oder Gegenstände

1.
nicht oder nicht mehr als Abfall anzusehen sind oder

2.
als Abfälle, sonstige Gegenstände oder Stoffe anzusehen sind, bei denen der für solche Abfälle, sonstige Gegenstände oder Stoffe in einer Verordnung nach § 95 Absatz 1 festgelegte Kontaminationswert unterschritten wird.

(5) Für die nach dieser Vorschrift zur Auskunft verpflichteten Personen gilt § 55 der Strafprozessordnung entsprechend.

(6) 1Auf die nach den Absätzen 1 bis 3 erlangten Kenntnisse und Unterlagen sind die §§ 93, 97, 105 Absatz 1, § 111 Absatz 5 in Verbindung mit § 105 Absatz 1 sowie § 116 Absatz 1 der Abgabenordnung nicht anzuwenden. 2Dies gilt nicht, soweit die Finanzbehörden die Kenntnisse für die Durchführung eines Verfahrens wegen einer Steuerstraftat sowie eines damit zusammenhängenden Besteuerungsverfahrens benötigen, an deren Verfolgung ein zwingendes öffentliches Interesse besteht, oder soweit es sich um vorsätzlich falsche Angaben des Auskunftspflichtigen oder der für ihn tätigen Personen handelt.




§ 96 Eilverordnungen



(1) Bei Eilbedürftigkeit nach Eintritt eines Notfalls kann

1.
das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit Regelungen nach den §§ 93, 94 und 95 Absatz 1 und

2.
das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit oder das Bundesministerium, das jeweils für abfallwirtschaftliche Regelungen außerhalb des Geltungsbereichs des Kreislaufwirtschaftsgesetzes oder für Regelungen über die Errichtung und den Betrieb der in § 95 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 genannten Anlagen zuständig ist, Regelungen nach § 95 Absatz 2 und 3

durch Rechtsverordnung ohne die Zustimmung des Bundesrates und ohne das Einvernehmen der zu beteiligenden Bundesministerien erlassen (Eilverordnungen), soweit noch keine entsprechenden Regelungen bestehen oder die bestehenden Regelungen nicht angemessen sind.

(2) 1Eilverordnungen treten spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft. 2Ihre Geltungsdauer kann nur durch eine Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates und im Einvernehmen mit den zu beteiligenden Bundesministerien verlängert werden. 3Eilverordnungen, die bestehende Regelungen ändern, sind unverzüglich aufzuheben, wenn der Bundesrat dies verlangt.