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Kapitel 1 - Standortauswahlgesetz (StandAG)

Artikel 1 G. v. 23.07.2013 BGBl. I S. 2553 (Nr. 41); aufgehoben durch Artikel 5 G. v. 05.05.2017 BGBl. I S. 1074
Geltung ab 01.01.2014, abweichend siehe Artikel 6; FNA: 751-17 Kernenergie
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Kapitel 1 Allgemeine Vorschriften und Vorbereitung des Standortauswahlverfahrens

§ 1 Ziel des Gesetzes



(1) Ziel des Standortauswahlverfahrens ist, in einem wissenschaftsbasierten und transparenten Verfahren für die im Inland verursachten, insbesondere hoch radioaktiven Abfälle den Standort für eine Anlage zur Endlagerung nach § 9a Absatz 3 Satz 1 des Atomgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland zu finden, der die bestmögliche Sicherheit für einen Zeitraum von einer Million Jahren gewährleistet. Zur Erreichung dieses Ziels werden zwischen der Bundesrepublik Deutschland und anderen Staaten keine Abkommen geschlossen, mit denen nach den Bestimmungen der Richtlinie 2011/70/EURATOM des Rates vom 19. Juli 2011 über einen Gemeinschaftsrahmen für die verantwortungsvolle und sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle (ABl. L 199 vom 2.8.2011, S. 48) eine Verbringung radioaktiver Abfälle einschließlich abgebrannter Brennelemente zum Zweck der Endlagerung außerhalb Deutschlands ermöglicht würde.

(2) Vor das eigentliche Verfahren zur Standortauswahl nach den §§ 12 bis 20 tritt die Arbeit einer Kommission nach den §§ 3 bis 5.

(3) Das Standortauswahlverfahren soll bis zum Jahr 2031 abgeschlossen sein.


§ 2 Begriffsbestimmungen



Im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Endlagerung

die Einlagerung radioaktiver Abfälle in einer Anlage des Bundes nach § 9a Absatz 3 des Atomgesetzes (Endlager), wobei eine Rückholung nicht beabsichtigt ist;

2.
Erkundung

die über- und untertägige Untersuchung des Untergrundes auf seine Eignung zur Einrichtung eines Endlagers für insbesondere Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle;

3.
Rückholbarkeit

die geplante technische Möglichkeit zum Entfernen der eingelagerten radioaktiven Abfallbehälter aus dem Endlager;

4.
Bergung

die ungeplante Rückholung von radioaktiven Abfällen aus einem Endlager als Notfallmaßnahme;

5.
Stilllegung

der Verschluss des Endlagers zur Gewährleistung der Sicherheit während der Nachverschlussphase.


§ 3 Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe



(1) Zur Vorbereitung des Standortauswahlverfahrens wird eine „Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe" (Kommission) gebildet. Sie besteht aus

1.
einem oder einer Vorsitzenden,

2.
acht Vertreterinnen oder Vertretern aus der Wissenschaft, zwei Vertreterinnen oder Vertretern von Umweltverbänden, zwei Vertreterinnen oder Vertretern von Religionsgemeinschaften, zwei Vertreterinnen oder Vertretern aus der Wirtschaft und zwei Vertreterinnen oder Vertretern der Gewerkschaften sowie

3.
acht Mitgliedern des Deutschen Bundestages, wobei jede Fraktion im Deutschen Bundestag vertreten ist, und acht Mitgliedern von Landesregierungen und

hat somit 33 Mitglieder. Der oder die Vorsitzende und die Mitglieder nach Satz 2 Nummer 2 werden auf der Grundlage eines gleichlautenden Wahlvorschlages von Bundestag und Bundesrat gewählt. Die Mitglieder des Deutschen Bundestages werden auf Grundlage eines gemeinsamen Wahlvorschlages von den im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen und die Mitglieder der Landesregierungen auf Grundlage eines gemeinsamen Wahlvorschlages vom Bundesrat bestimmt. Für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und die Mitglieder der Landesregierungen wird eine gleiche Anzahl von Stellvertreterinnen oder Stellvertretern bestimmt. Die Mitgliedschaft endet durch Verzicht oder Neuwahl. Die Kommission wird beim federführenden Ausschuss des Deutschen Bundestages eingerichtet; sie wird bei der Durchführung ihrer Aufgaben von einer Geschäftsstelle unterstützt. Diese Geschäftsstelle wird vom Deutschen Bundestag eingerichtet.

(2) Die Kommission hat insbesondere einen Bericht nach § 4 vorzulegen, in dem sie die für das Auswahlverfahren relevanten Grundsatzfragen für die Entsorgung radioaktiver Abfälle untersucht und bewertet, sowie Vorschläge für die Entscheidungsgrundlagen nach § 4 und eine entsprechende Handlungsempfehlung für den Bundestag und den Bundesrat erarbeitet.

(3) Hält die Kommission Regelungen dieses Gesetzes für nicht angemessen, so legt sie dies in ihrem Bericht dar und unterbreitet einen Alternativvorschlag.

(4) Im Rahmen ihrer Handlungsempfehlung nimmt die Kommission auch Stellung zu bisher getroffenen Entscheidungen und Festlegungen in der Endlagerfrage.

(5) Die Kommission beschließt bis zum 31. Dezember 2015 den Bericht zum Standortauswahlverfahren möglichst im Konsens, mindestens aber mit einer Mehrheit von zwei Dritteln ihrer Mitglieder. Sie ist berechtigt, diese Frist einmalig um sechs Kalendermonate zu verlängern. Diese Entscheidung bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder der Kommission. Stimmberechtigt sind die Mitglieder der Kommission nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 2. Jedes Mitglied der Kommission kann eine eigene Stellungnahme abgeben. Stellungnahmen sind dem Bericht beizufügen.

(6) Die Kommission gibt sich eine Geschäftsordnung. Sie entscheidet über Geschäftsordnungsfragen mit einfacher Mehrheit.


§ 4 Bericht der Kommission und Umsetzung der Handlungsempfehlungen



(1) Zur Vorbereitung des Standortauswahlverfahrens erarbeitet die Kommission einen Bericht. Sie geht in diesem Bericht umfassend auf sämtliche entscheidungserheblichen Fragestellungen ein. Sie unterzieht dieses Gesetz einer Prüfung und unterbreitet Bundestag und Bundesrat entsprechende Handlungsempfehlungen. Sie analysiert hierzu auch die Erfahrungen und die Vorgehensweise anderer Staaten bei der Standortauswahl.

(2) Die Kommission soll Vorschläge erarbeiten

1.
zur Beurteilung und Entscheidung der Frage, ob anstelle einer unverzüglichen Endlagerung hoch radioaktiver Abfälle in tiefen geologischen Formationen andere Möglichkeiten für eine geordnete Entsorgung dieser Abfälle wissenschaftlich untersucht und bis zum Abschluss der Untersuchungen die Abfälle in oberirdischen Zwischenlagern aufbewahrt werden sollen,

2.
für die Entscheidungsgrundlagen (allgemeine Sicherheitsanforderungen an die Lagerung, geowissenschaftliche, wasserwirtschaftliche und raumplanerische Ausschlusskriterien und Mindestanforderungen im Hinblick auf die Eignung geologischer Formationen für die Endlagerung sowie wirtsgesteinsspezifische Ausschluss- und Auswahlkriterien für die möglichen Wirtsgesteine Salz, Ton und Kristallin sowie wirtsgesteinsunabhängige Abwägungskriterien und die Methodik für die durchzuführenden vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen),

3.
für Kriterien einer möglichen Fehlerkorrektur (Anforderungen an die Konzeption der Lagerung insbesondere zu den Fragen der Rückholung, Bergung, und Wiederauffindbarkeit der radioaktiven Abfälle sowie der Frage von Rücksprüngen im Standortauswahlverfahren),

4.
für Anforderungen an die Organisation und das Verfahren des Auswahlprozesses und für die Prüfung von Alternativen,

5.
für Anforderungen an die Beteiligung und Information der Öffentlichkeit sowie zur Sicherstellung der Transparenz

sowie gesellschaftspolitische und technisch-wissenschaftliche Fragen erörtern und dabei Empfehlungen zum Umgang mit bisher getroffenen Entscheidungen und Festlegungen in der Endlagerfrage aussprechen und internationale Erfahrungen und daraus folgernde Empfehlungen für ein Lagerkonzept analysieren.

(3) Die Kommission arbeitet mit Forschungseinrichtungen im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zusammen. Die Kommission kann wissenschaftliche Erkenntnisse der zuständigen obersten Bundes- und Landesbehörden heranziehen. Sie kann im Rahmen ihrer Arbeit Sachverständige anhören und externe wissenschaftliche Gutachten beauftragen.

(4) Die Kommission legt ihren Bericht dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat sowie der Bundesregierung vor. Der Bericht ist Grundlage für die Evaluierung dieses Gesetzes durch den Bundestag.

(5) Die Ausschlusskriterien, die Mindestanforderungen, die Abwägungskriterien und die weiteren Entscheidungsgrundlagen werden von der Kommission als Empfehlungen erarbeitet und vom Deutschen Bundestag als Gesetz beschlossen.




§ 5 Öffentlichkeit der Kommissionsarbeit und Beteiligung der Öffentlichkeit



(1) Die Kommission tagt in der Regel öffentlich. Sie beschließt unter Angabe der Gründe, wann eine Sitzung nicht öffentlich ist. Die Öffentlichkeit einer Sitzung kann auch durch Übertragung der Beratung als Livestream im Internet hergestellt werden. Über die Sitzungsergebnisse werden Protokolle geführt, die nach ihrer Annahme nach Maßgabe des Satzes 2 veröffentlicht werden. Das Nähere regelt die Geschäftsordnung nach § 3 Absatz 6 Satz 1.

(2) Von der Kommission beauftragte externe Gutachten werden veröffentlicht.

(3) Die Kommission beteiligt die Öffentlichkeit nach den in den §§ 9 und 10 festgelegten Grundsätzen. Die Kommission bedient sich dabei ihrer Geschäftsstelle.

(4) Die Kommission stellt den Bericht zum Standortauswahlverfahren im Rahmen ihrer letzten Sitzung öffentlich vor und veröffentlicht ihn unmittelbar im Anschluss.


§ 6 Vorhabenträger



1Vorhabenträger ist der Dritte nach § 9a Absatz 3 Satz 2 zweiter Halbsatz des Atomgesetzes. 2Der Vorhabenträger hat die Aufgabe, das Standortauswahlverfahren umzusetzen, insbesondere:

1.
Vorschläge für die Auswahl der Standortregionen und der zu erkundenden Standorte zu erarbeiten,

2.
standortbezogene Erkundungsprogramme und Prüfkriterien nach § 15 Absatz 1 und § 18 Absatz 1 zu erstellen,

3.
die übertägige und untertägige Erkundung der festgelegten Standorte durchzuführen,

4.
die jeweiligen vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen zu erstellen,

5.
dem Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit den Standort für eine Anlage zur Endlagerung nach § 18 Absatz 4 vorzuschlagen.




§ 7 Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit



Das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit reguliert das Standortauswahlverfahren, insbesondere:

1.
durch die Festlegung von Erkundungsprogrammen und standortbezogenen Prüfkriterien nach § 15 Absatz 2 und § 18 Absatz 2,

2.
durch die Erarbeitung von Vorschlägen für die Standortentscheidungen und

3.
bei dem Vollzug des Standortauswahlverfahrens entsprechend § 19 Absatz 1 bis 4 des Atomgesetzes.