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Achtung: Dieser Titel gilt komplett oder überwiegend erst ab 01.04.2025

Abschnitt 5 - Wehrdisziplinarordnung (WDO)


Teil 3 Ahndung von Dienstvergehen durch Disziplinarmaßnahmen

Kapitel 3 Das gerichtliche Disziplinarverfahren

Abschnitt 5 Einleitung des Verfahrens

§ 95 Vorermittlungen



(1) 1Zur Vorbereitung ihrer Entschließung über die Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens kann die Einleitungsbehörde die Wehrdisziplinaranwaltschaft um die Aufnahme von Vorermittlungen ersuchen. 2Werden der Wehrdisziplinaranwaltschaft Tatsachen bekannt, welche die Verhängung einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme erwarten lassen, so nimmt sie unbeschadet des Satzes 1 Vorermittlungen auf und führt die Entscheidung der Einleitungsbehörde herbei.

(2) 1Für die Vorermittlungen gilt § 100 entsprechend. 2Der Soldatin oder dem Soldaten ist die Aufnahme von Vorermittlungen und das Dienstvergehen, dessen sie oder er verdächtigt wird, schriftlich mitzuteilen, sobald dies ohne Gefährdung des Ermittlungszwecks möglich ist. 3Die Mitteilung ist zuzustellen.

(3) 1Sieht die Einleitungsbehörde nach Abschluss der Vorermittlungen von der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens ab, hat sie diese Entscheidung der Soldatin oder dem Soldaten bekannt zu geben. 2Ebenso ist zu verfahren, wenn ein Dienstvergehen vorliegt und ein Disziplinarvorgesetzter wegen dieses Verhaltens bereits eine Disziplinarmaßnahme verhängt hat. 3Darf im Fall eines Dienstvergehens eine einfache Disziplinarmaßnahme nicht mehr verhängt werden, weil der Verhängung ein Verbot nach § 16 Absatz 1 oder § 17 Absatz 2 entgegensteht oder weil es sich um eine frühere Soldatin oder einen früheren Soldaten handelt, so stellt die Einleitungsbehörde ein Dienstvergehen fest. 4Dies gilt auch dann, wenn die oder der Disziplinarvorgesetzte zuvor ein Dienstvergehen verneint und seine Entscheidung der Soldatin oder dem Soldaten bekannt gegeben hat. 5Die Entscheidung ist zu begründen und der Soldatin oder dem Soldaten zuzustellen. 6In allen übrigen Fällen bleibt die oder der Disziplinarvorgesetzte für die disziplinare Erledigung zuständig.

(4) 1Die Soldatin oder der Soldat kann gegen die Feststellung eines Dienstvergehens die Entscheidung des Truppendienstgerichts beantragen. 2§ 42 Absatz 4 und § 43 Absatz 3 Satz 2 gelten entsprechend. 3Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung zu stellen. 4Das Truppendienstgericht entscheidet endgültig, ob ein Dienstvergehen vorliegt und, wenn dies zutrifft, ob missbilligende Äußerungen angebracht waren. 5Die Entscheidung ist der Soldatin oder dem Soldaten zuzustellen und der Einleitungsbehörde bekannt zu geben.


§ 96 Einleitungsverfügung



(1) 1Das gerichtliche Disziplinarverfahren wird durch schriftliche Verfügung der Einleitungsbehörde eingeleitet. 2Der Soldatin oder dem Soldaten ist vorher Gelegenheit zu geben, sich zu äußern, sofern sie oder er nicht bereits zu dem Sachverhalt, der der Einleitung zu Grunde liegt, vernommen worden ist. 3Die Einleitung wird mit der Zustellung der Verfügung an die Soldatin oder den Soldaten wirksam.

(2) Wird eine militärische Flugunfalluntersuchung durchgeführt, ist für die disziplinare Erledigung der damit zusammenhängenden Dienstvergehen die Einleitungsbehörde zuständig, soweit diese die disziplinare Erledigung nicht der oder dem sonst zuständigen Disziplinarvorgesetzten überlässt.

(3) 1Wird ein Havarieverfahren durchgeführt, ist für die disziplinare Erledigung der damit zusammenhängenden Dienstvergehen die Einleitungsbehörde zuständig, die im Havarieverfahren die Entscheidung trifft. 2Sie kann auch ein gerichtliches Disziplinarverfahren einleiten, sofern nicht eine höhere Vorgesetzte oder ein höherer Vorgesetzter Einleitungsbehörde ist.


§ 97 Einleitungsbehörden



(1) 1Einleitungsbehörde ist

1.
für Offizierinnen und Offiziere vom Dienstgrad eines Obersten und eines entsprechenden Dienstgrades an aufwärts die Bundesministerin der Verteidigung oder der Bundesminister der Verteidigung; sie oder er kann diese Befugnisse auf nachgeordnete Einleitungsbehörden übertragen, sie jedoch im Einzelfall wieder an sich ziehen;

2.
für andere Soldatinnen und Soldaten die Kommandeurin der Division oder der Kommandeur der Division, eine höhere Vorgesetzte oder ein höherer Vorgesetzter oder Vorgesetzte in entsprechender oder vergleichbarer Dienststellung;

3.
für Soldatinnen und Soldaten, für die keine der in den Nummern 1 oder 2 genannten Einleitungsbehörden zuständig ist, sowie für frühere Soldatinnen und frühere Soldaten die Bundesministerin der Verteidigung oder der Bundesminister der Verteidigung oder die von ihr oder ihm bestimmte Dienststelle.

2§ 96 Absatz 3 bleibt unberührt.

(2) Die Bundesministerin der Verteidigung oder der Bundesminister der Verteidigung bestimmt, welche Vorgesetzten sich in den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 genannten entsprechenden oder vergleichbaren Dienststellungen befinden.

(3) 1Zuständig ist die Einleitungsbehörde, der die Soldatin oder der Soldat im Zeitpunkt der Einleitung untersteht. 2Die Zuständigkeit der Einleitungsbehörde wird durch eine Kommandierung oder Beurlaubung der Soldatin oder des Soldaten nicht berührt.

(4) Ist zweifelhaft oder streitig, welche Einleitungsbehörde zuständig ist, bestimmt die Bundesministerin der Verteidigung oder der Bundesminister der Verteidigung die zuständige Einleitungsbehörde.

(5) Besteht zwischen den Dienstvergehen mehrerer Soldatinnen und Soldaten, die verschiedenen Einleitungsbehörden unterstehen, ein Zusammenhang, so kann die gemeinsame höhere Einleitungsbehörde die zuständige Einleitungsbehörde bestimmen.


§ 98 Antrag auf Einleitung des Verfahrens



(1) 1Jede Soldatin und jeder Soldat, gegen die oder den eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme verhängt werden kann, kann die Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegen sich beantragen, um sich von dem Verdacht eines Dienstvergehens zu reinigen. 2Die Einleitungsbehörde hat den Sachverhalt aufzuklären und festzustellen, ob die Soldatin oder der Soldat ein Dienstvergehen begangen hat. 3Lehnt die Einleitungsbehörde die Einleitung ab, hat sie diese Entscheidung zu begründen und der Soldatin oder dem Soldaten zuzustellen. 4Sie ist in diesem Fall für die disziplinare Erledigung zuständig.

(2) Hat die Einleitungsbehörde eine einfache Disziplinarmaßnahme verhängt oder ein Dienstvergehen festgestellt, eine Disziplinarmaßnahme aber nicht verhängt, gilt § 95 Absatz 4 entsprechend.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für Verfahren nach § 148 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 88 des Soldatengesetzes.


§ 99 Nachträgliches gerichtliches Disziplinarverfahren



(1) 1Hält die Einleitungsbehörde eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme für geboten, kann sie das gerichtliche Disziplinarverfahren auch einleiten, wenn eine Disziplinarvorgesetzte oder ein Disziplinarvorgesetzter wegen der Tat bereits eine Disziplinarmaßnahme verhängt oder eine Disziplinarmaßnahme nicht für zulässig oder angebracht gehalten und diese Entscheidung der Soldatin oder dem Soldaten bekannt gegeben hat. 2Dies gilt nicht, wenn das Wehrdienstgericht auf Beschwerde oder im Fall des § 40 Absatz 4 entschieden hat.

(2) 1Führt das gerichtliche Disziplinarverfahren zur Verhängung einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme oder wird die Soldatin oder der Soldat freigesprochen, so hebt das Wehrdienstgericht in seinem Urteil die bereits verhängte Disziplinarmaßnahme auf; ansonsten wird das Verfahren eingestellt. 2§ 56 gilt entsprechend, es sei denn, ein vollstreckter Disziplinararrest oder ein vollstreckter strenger Disziplinararrest wird aufgehoben, der in einem sachgleichen Strafverfahren oder Bußgeldverfahren erkennbar angerechnet worden ist.