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Abschnitt 3 - Kulturgüterrückgabegesetz (KultGüRückG)


Abschnitt 3 Rückgabeansprüche anderer Staaten

§ 6 Voraussetzungen der Rückgabepflicht



(1) Ein unrechtmäßig nach dem 31. Dezember 1992 aus dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union in das Bundesgebiet verbrachter Gegenstand ist diesem Mitgliedstaat auf sein Ersuchen zurückzugeben, wenn

1.
dieser Gegenstand vor der Verbringung oder im Fall von archäologischen Gegenständen, die vor der Verbringung unbekannt waren, innerhalb eines Jahres, nachdem die zuständige Behörde des betroffenen Mitgliedstaats von dem Gegenstand Kenntnis erlangen konnte, von dem ersuchenden Mitgliedstaat durch Rechtsvorschrift oder Verwaltungsakt als nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert im Sinne des Artikels 30 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft öffentlich eingestuft wurde oder seine Einstufung als nationales Kulturgut eingeleitet und die Einleitung des Verfahrens öffentlich bekannt gemacht wurde und

2.
der Gegenstand entweder

a)
unter eine der im Anhang der Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern (ABl. EG Nr. L 74 S. 74), zuletzt geändert durch die Richtlinie 2001/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2001 (ABl. EG Nr. L 187 S. 43), genannten Kategorien fällt oder

b)
als Teil einer öffentlichen Sammlung in ein Bestandsverzeichnis eines Museums, eines Archivs, einer religiösen Einrichtung oder in das Bestandsverzeichnis der erhaltungswürdigen Bestände einer Bibliothek eingetragen ist und die Sammlung selbst oder die Einrichtung, zu der sie gehört, nach der für sie gültigen Rechtsordnung einer öffentlichen Einrichtung gleichsteht.

(2) Ein unrechtmäßig nach dem 26. April 2007 aus dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats in das Bundesgebiet verbrachter Gegenstand ist dem Vertragsstaat auf sein Ersuchen zurückzugeben, wenn

1.
dieser Gegenstand vor der Verbringung oder im Fall von archäologischen Gegenständen, die vor der Verbringung unbekannt waren, innerhalb eines Jahres, nachdem die zuständige Behörde des betroffenen Vertragsstaats von dem Gegenstand Kenntnis erlangen konnte, von dem ersuchenden Vertragsstaat aus religiösen oder weltlichen Gründen als für die Archäologie, Vorgeschichte, Geschichte, Literatur, Kunst oder Wissenschaft besonders bedeutsam bezeichnet wurde oder ein Verfahren zur Bezeichnung eingeleitet und die Einleitung des Verfahrens öffentlich bekannt gemacht wurde und

2.
der Gegenstand einer der in Artikel 1 des Kulturgutübereinkommens genannten Kategorien angehört.

Als „besonders bedeutsam bezeichnet" im Sinne von Satz 1 Nr. 1 gilt ein Gegenstand, wenn er individuell identifizierbar von einem anderen Vertragsstaat in ein Verzeichnis des bedeutenden öffentlichen und privaten Kulturgutes aufgenommen worden ist. Das Verzeichnis muss im Bundesgebiet ohne unzumutbare Hindernisse öffentlich zugänglich sein. Lässt sich nicht klären, ob ein Gegenstand, der vor dem 26. April 2007 als besonders bedeutsam im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 bezeichnet worden ist, vor oder nach diesem Tag ins Bundesgebiet verbracht worden ist, so gilt er als nach diesem Tag ins Bundesgebiet verbracht.

(2a) Ist der ersuchende Staat durch innere Unruhen, kriegerische Auseinandersetzungen oder vergleichbare Umstände gehindert, innerhalb der in Absatz 1 Nr. 1 oder der in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 genannten Frist das Verfahren zur Einstufung oder Bezeichnung einzuleiten oder die Einleitung des Verfahrens öffentlich bekannt zu machen, so beginnt die Frist erst mit dem Wegfall dieser Umstände.

(3) Vom Besitzer oder Dritten auf Grund rechtsgeschäftlicher Verfügung oder Verfügung im Wege der Zwangsvollstreckung oder Arrestvollziehung erworbene Rechte stehen der Rückgabepflicht nicht entgegen.

(4) Kulturgut ist unrechtmäßig aus einem anderen Staat verbracht worden, wenn bei seiner Ausfuhr gegen die dort gültigen Rechtsvorschriften für den Schutz von Kulturgütern verstoßen worden ist.

(5) Als unrechtmäßiges Verbringen gilt auch jede nicht erfolgte Rückkehr nach Ablauf der Frist für eine vorübergehende rechtmäßige Verbringung und jeder Verstoß gegen eine andere Bedingung für diese vorübergehende Verbringung.

(6) Die Kosten der Rückgabe und der zur Sicherung und Erhaltung des betroffenen Kulturgutes erforderlichen Maßnahmen trägt der ersuchende Staat.


§ 7 Rückgabegläubiger, Rückgabeschuldner



(1) Der Rückgabeanspruch steht dem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Vertragsstaat zu, aus dessen Hoheitsgebiet das Kulturgut unrechtmäßig in das Bundesgebiet verbracht worden ist.

(2) Rückgabeschuldner ist, wer für sich selbst oder für einen anderen die tatsächliche Sachherrschaft über das Kulturgut ausübt.


§ 8 Durchführung und Sicherung der Rückgabe



(1) Für die erforderlichen Maßnahmen zur Ermittlung des rückgabepflichtigen Kulturgutes, seiner Sicherung und seiner Rückgabe sind die Länder zuständig.

(2) Erhalten die für die Rückgabe des Kulturgutes zuständigen Behörden Kenntnis von Kulturgut, bei dem der dringende Verdacht besteht, dass es unrechtmäßig aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Vertragsstaat in das Bundesgebiet verbracht worden und an diesen Staat zurückzugeben ist, so ordnen sie seine Anhaltung an oder veranlassen die Anordnung durch die dafür zuständige Behörde. Die Anhaltung ist unverzüglich der Zentralstelle des Bundes zu melden.

(3) Das angehaltene Kulturgut darf nur mit schriftlicher Zustimmung der zuständigen Zentralstelle des Landes an andere Personen oder Einrichtungen weitergegeben werden.

(4) Es ist verboten, nach Absatz 2 angehaltenes Kulturgut auszuführen, der zuständigen Stelle vorzuenthalten, zu beschädigen oder zu zerstören.

(5) Die Anhaltung ist aufzuheben, wenn keiner der von den nach § 12 zuständigen Zentralstellen zu unterrichtenden Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder Vertragsstaaten fristgemäß um die Rückgabe des angehaltenen Kulturgutes ersucht. Das Rückgabeersuchen ist innerhalb von zwei Monaten bei der zuständigen Zentralstelle zu stellen. Die Frist beginnt mit dem Eingang der Mitteilung über die Anhaltung bei der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats der Europäischen Union oder Vertragsstaats, aus dessen Hoheitsgebiet das Kulturgut unrechtmäßig verbracht worden ist. Der Rückgabeanspruch ist glaubhaft zu machen.

(6) Das angehaltene Kulturgut ist nach Maßgabe landesrechtlicher Vorschriften sicherzustellen, sofern zu befürchten ist, dass seine Rückgabe an den ersuchenden Staat verhindert werden soll oder dass es Schaden erleidet.


§ 9 Eigentum an zurückgegebenem Kulturgut



Das Eigentum an Kulturgut bestimmt sich nach erfolgter Rückgabe nach den Sachvorschriften des ersuchenden Staats.


§ 10 Entschädigung



(1) Der Rückgabeschuldner ist zur Rückgabe nur Zug um Zug gegen eine angemessene Entschädigung verpflichtet, wenn nicht der ersuchende Staat nachweist, dass dem Rückgabeschuldner bei Erwerb des Kulturgutes die unrechtmäßige Verbringung aus dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Staats bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war. Bei der Bemessung der Entschädigungshöhe ist die Entziehung der Nutzung des Kulturgutes unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und des Rückgabeschuldners zu berücksichtigen. Für entgangenen Gewinn und für sonstige Vermögensnachteile, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Entzug der Nutzung stehen, ist dem Rückgabeschuldner eine Entschädigung zu zahlen, wenn und insoweit dies zur Abwendung oder zum Ausgleich einer unbilligen Härte geboten erscheint.

(2) Die Entschädigung ist von dem ersuchenden Staat zu entrichten.

(3) Sichert der ersuchende Staat schriftlich zu, dass die Rechte des Rückgabeschuldners an dem Kulturgut durch die Rückgabe nicht berührt werden, so hat er diesem nur die Kosten zu erstatten, die ihm daraus entstanden sind, dass er darauf vertraut hat, das Kulturgut im Bundesgebiet belassen zu dürfen.

(4) Ist das zurückzugebende Kulturgut dem Rückgabeschuldner geschenkt, vererbt oder vermacht worden, so fallen ihm die Sorgfaltspflichtverletzungen des Schenkers oder Erblassers zur Last.


§ 11 Verjährung und Erlöschen des Rückgabeanspruchs



(1) Der Rückgabeanspruch des ersuchenden Staats verjährt in einem Jahr von dem Zeitpunkt an, in dem dessen Behörden von dem Ort der Belegenheit und der Person des Rückgabeschuldners Kenntnis erlangen. Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Hemmung und den Neubeginn der Verjährung sind entsprechend anzuwenden. Der Rückgabeanspruch erlischt jedoch spätestens 30 Jahre nach dem Zeitpunkt, in dem das Kulturgut unrechtmäßig aus dem ersuchenden Staat ausgeführt worden ist.

(2) Bei Kulturgut, das Teil einer öffentlichen Sammlung des ersuchenden Staats im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b ist, erlischt der Rückgabeanspruch nach 75 Jahren. Dieser Rückgabeanspruch erlischt jedoch nicht, wenn und soweit er auch nach dem Recht des um die Rückgabe ersuchenden Staats keiner Verjährung und keinem durch Zeitablauf bedingten Erlöschen unterliegt.

(3) Erteilt die zuständige Behörde des ersuchenden Staats für unrechtmäßig ausgeführtes Kulturgut nachträglich eine wirksame Ausfuhrgenehmigung, so kann seine Rückgabe nicht mehr gefordert werden. Das Gleiche gilt, wenn die Ausfuhr auf Grund einer nach ihr in Kraft getretenen Rechtsänderung Rechtmäßigkeit erlangt.




§ 12 Aufgaben des Bundes und der Zentralstellen der Länder



(1) Die Zentralstellen der Länder nehmen im Zusammenhang mit der Rückführung rechtswidrig in das Bundesgebiet verbrachten Kulturgutes der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder Vertragsstaaten insbesondere folgende Aufgaben wahr:

1.
die von dem ersuchenden Staat beantragten Nachforschungen nach einem bestimmten Kulturgut, das unrechtmäßig aus seinem Hoheitsgebiet verbracht wurde, und nach der Identität seines Eigentümers oder Besitzers. Dem Antrag sind zur Erleichterung der Nachforschungen alle erforderlichen Angaben beizufügen, insbesondere über die Veröffentlichung als national wertvolles Kulturgut und den tatsächlichen oder vermutlichen Ort der Belegenheit des Kulturgutes;

2.
die Erleichterung der Überprüfung durch die zuständigen Behörden des ersuchenden Staats, ob der betreffende Gegenstand des ersuchenden Staats ein Kulturgut darstellt, sofern die Überprüfung innerhalb von zwei Monaten nach der Unterrichtung nach Absatz 2 Nr. 1 oder einer Unterrichtung auf dem diplomatischen Weg erfolgt. Wird diese Überprüfung nicht innerhalb der festgelegten Frist durchgeführt, so entfallen die Verpflichtungen nach den Nummern 3 und 4;

3.
die Durchführung und erforderlichenfalls die Anordnung der notwendigen Maßnahmen für die physische Erhaltung des Kulturgutes in Zusammenarbeit mit dem betroffenen Staat;

4.
den Erlass der erforderlichen vorläufigen Maßnahmen, um zu verhindern, dass das Kulturgut dem Rückgabeverfahren entzogen wird.

(2) Die Zentralstellen der Länder nehmen in Bezug auf Rückgabebegehren von Mitgliedstaaten der Europäischen Union außerdem folgende Aufgaben wahr:

1.
die Unterrichtung der betroffenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Fall des Auffindens eines Kulturgutes, wenn begründeter Anlass für die Vermutung besteht, dass das Kulturgut unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union verbracht wurde;

2.
die Wahrnehmung der Rolle eines Vermittlers zwischen dem Eigentümer oder Besitzer und dem ersuchenden Mitgliedstaat der Europäischen Union in der Frage der Rückgabe. Das Landesrecht kann vorsehen, dass, unabhängig von der Erhebung der Klage, der Rückgabeanspruch zunächst im Schiedsverfahren geklärt wird, sofern zwischen Rückgabegläubiger und Rückgabeschuldner hierüber Einvernehmen besteht.

(3) In Bezug auf Rückgabebegehren von Vertragsstaaten, die nicht Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind, nimmt das Auswärtige Amt in Zusammenarbeit mit der Zentralstelle des Bundes insbesondere die in Absatz 2 beschriebenen Aufgaben auf diplomatischem Weg wahr.


§ 13 Rückgabeklage des ersuchenden Staats



(1) Unabhängig von der Möglichkeit, eine gütliche Einigung über die Rückgabe anzustreben, kann der ersuchende Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Vertragsstaat den Rückgabeschuldner auf dem verwaltungsgerichtlichen Rechtsweg auf Rückgabe verklagen.

(2) Drei Monate nach Eingang des Rückgabeersuchens bei der zuständigen Zentralstelle kann Klage erhoben werden. Ihr sind eine Beschreibung des streitbefangenen Gegenstandes und die zum Nachweis der Voraussetzungen erforderlichen Urkunden und Erklärungen beizufügen.

(3) Die Beweislast für das Bestehen des Rückgabeanspruchs, den Entschädigungsanspruch des Rückgabeschuldners und die für die Höhe der Entschädigung maßgeblichen Umstände bemisst sich nach deutschem Recht.

(4) Gibt das Gericht der Klage statt, so entscheidet es zugleich über die dem Beklagten zu gewährende Entschädigung.

(5) § 6 Abs. 6 bleibt unberührt.

(6) Dem Berechtigten steht es frei, unbeschadet des Vorgehens des Staats seine Rechte gegen den Besitzer auf dem ordentlichen Rechtsweg durchzusetzen.