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Kapitel 4 - Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV)


Kapitel 4 Besonderes elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach; Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos

§ 10 Besonderes elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach



(1) Natürliche Personen, juristische Personen sowie sonstige Vereinigungen können zur Übermittlung elektronischer Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg ein besonderes elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach verwenden,

1.
das auf dem Protokollstandard OSCI oder einem diesen ersetzenden, dem jeweiligen Stand der Technik entsprechenden Protokollstandard beruht,

2.
bei dem die Identität des Postfachinhabers festgestellt worden ist,

3.
bei dem der Postfachinhaber in ein sicheres elektronisches Verzeichnis eingetragen ist,

4.
bei dem sich der Postfachinhaber beim Versand eines elektronischen Dokuments authentisiert und

5.
bei dem feststellbar ist, dass das elektronische Dokument vom Postfachinhaber versandt wurde.

(2) Das besondere elektronische Bürger- und Organisationenpostfach muss

1.
über eine Suchfunktion verfügen, die es ermöglicht, Inhaber eines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs, eines besonderen elektronischen Notarpostfachs, eines besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs oder eines besonderen elektronischen Behördenpostfachs aufzufinden,

2.
für Inhaber besonderer elektronischer Anwaltspostfächer, besonderer elektronischer Notarpostfächer, besonderer elektronischer Steuerberaterpostfächer oder besonderer elektronischer Behördenpostfächer adressierbar sein und

3.
barrierefrei sein im Sinne der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung.

(3) Wird für eine rechtlich unselbständige Untergliederung einer juristischen Person oder sonstigen Vereinigung ein besonderes elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach eingerichtet, so muss der Postfachinhaber so bezeichnet sein, dass eine Verwechslung mit der übergeordneten Organisationseinheit ausgeschlossen ist.




§ 11 Identifizierung und Authentisierung des Postfachinhabers



(1) Die Länder oder mehrere Länder gemeinsam bestimmen jeweils für ihren Bereich eine öffentlichrechtliche Stelle, die die Freischaltung eines besonderen elektronischen Bürger- und Organisationenpostfachs veranlasst.

(2) 1Der Postfachinhaber hat im Rahmen der Identitätsfeststellung seinen Namen und seine Anschrift nachzuweisen. 2Der Nachweis kann nur durch eines der folgenden Identifizierungsmittel erfolgen:

1.
den elektronischen Identitätsnachweis nach § 18 des Personalausweisgesetzes, nach § 12 des eID-Karte-Gesetzes oder nach § 78 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes,

2.
ein qualifiziertes elektronisches Siegel nach Artikel 38 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 73; L 23 vom 29.1.2015, S. 19; L 155 vom 14.6.2016, S. 44),

3.
bei öffentlich bestellten oder beeidigten Personen, die Dolmetscher- oder Übersetzungsleistungen erbringen, eine Bestätigung der nach dem Gerichtsdolmetschergesetz oder dem jeweiligen Landesrecht für die öffentliche Bestellung und Beeidigung dieser Personen zuständigen Stelle, auch hinsichtlich der Angaben zu Berufsbezeichnung sowie zur Sprache, für die die Bestellung erfolgt,

4.
bei Gerichtsvollziehern eine Bestätigung der für ihre Ernennung zuständigen Stelle, auch hinsichtlich der Dienstbezeichnung, oder

5.
eine in öffentlich beglaubigter Form abgegebene Erklärung über den Namen und die Anschrift des Postfachinhabers sowie die eindeutige Bezeichnung des Postfachs.

3Eine nach Satz 2 Nummer 5 angegebene geschäftliche Anschrift ist durch eine Bescheinigung nach § 21 Absatz 1 der Bundesnotarordnung, einen amtlichen Registerausdruck oder eine beglaubigte Registerabschrift nachzuweisen. 4Geht eine angegebene geschäftliche Anschrift nicht aus einem öffentlichen Register hervor, so stellt die Stelle nach Absatz 1 diese durch geeignete Maßnahmen fest. 5Die Übermittlung von Daten nach Satz 2 Nummer 3 bis 5 an die in Absatz 1 genannte öffentlich-rechtliche Stelle erfolgt in strukturierter maschinenlesbarer Form. 6Im Fall des Satzes 2 Nummer 5 ist der öffentlich-rechtlichen Stelle zusätzlich eine öffentlich beglaubigte elektronische Abschrift der Erklärung zu übermitteln.

(3) Der Postfachinhaber hat sich beim Versand eines elektronischen Dokuments zu authentisieren durch

1.
den elektronischen Identitätsnachweis nach § 18 des Personalausweisgesetzes, nach § 12 des eID-Karte-Gesetzes oder nach § 78 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes,

2.
ein Authentisierungszertifikat, das auf einer qualifizierten elektronischen Signaturerstellungseinheit nach dem Anhang II der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 gespeichert ist, oder

3.
ein nichtqualifiziertes Authentisierungszertifikat.




§ 12 Änderung von Angaben und Löschung des Postfachs



(1) 1Bei Änderung seiner Daten hat der Postfachinhaber unverzüglich die Anpassung seines Postfachs bei der nach § 11 Absatz 1 bestimmten Stelle zu veranlassen. 2Das betrifft insbesondere die Änderung seines Namens oder seiner Anschrift, bei juristischen Personen oder sonstigen Vereinigungen auch bei der Änderung des Sitzes.

(2) Der Postfachinhaber kann jederzeit die Löschung seines besonderen elektronischen Bürger- und Organisationenpostfachs veranlassen.




§ 13 Elektronische Kommunikation über den Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos



(1) Zur Übermittlung elektronischer Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg kann der Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos im Sinne des § 2 Absatz 5 des Onlinezugangsgesetzes genutzt werden, wenn bei diesem Postfach- und Versanddienst

1.
eine technische Vorrichtung besteht, die auf dem Protokollstandard OSCI oder einem diesen ersetzenden, dem jeweiligen Stand der Technik entsprechenden Protokollstandard beruht,

2.
die Identität des Nutzers des Postfach- und Versanddienstes durch ein Identifizierungsmittel nach § 11 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder 2 oder für Nutzer des Organisationskontos im Sinne des § 2 Absatz 5 Satz 4 des Onlinezugangsgesetzes durch ein nach § 87a Absatz 6 der Abgabenordnung in der Steuerverwaltung eingesetztes sicheres Verfahren festgestellt ist,

3.
der Nutzer des Postfach- und Versanddienstes sich beim Versand eines elektronischen Dokuments entsprechend § 11 Absatz 3 authentisiert und

4.
feststellbar ist, dass das elektronische Dokument von dem Nutzer des Postfach- und Versanddienstes versandt wurde.

(2) Der Postfach- und Versanddienst muss barrierefrei sein im Sinne der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung.

(3) 1Der Nutzer des Postfach- und Versanddienstes ist in ein sicheres elektronisches Verzeichnis einzutragen, soweit dies zum Betrieb des jeweiligen Postfach- und Versanddienstes erforderlich ist. 2In diesem Fall gilt § 10 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechend. 3Der Nutzer kann jederzeit die Löschung des Postfach- und Versanddienstes veranlassen.




§ 13a Datenverarbeitung



(1) Zur Auffindbarkeit und Adressierung eines Postfachinhabers dürfen folgende personenbezogene Daten im sicheren elektronischen Verzeichnis (§ 10 Absatz 1 Nummer 3 und § 13 Absatz 3 Satz 1) gespeichert und aus dem Verzeichnis abgerufen werden:

1.
bei einer natürlichen Person:

a)
Vor- und Nachname,

b)
Anschrift,

c)
Staat,

d)
Nutzer-ID,

e)
Verschlüsselungszertifikat;

2.
bei einer juristischen Person:

a)
Name,

b)
Anschrift des Sitzes,

c)
Staat,

d)
Nutzer-ID,

e)
Verschlüsselungszertifikat.

(2) Für die Verarbeitung personenbezogener Daten im sicheren elektronischen Verzeichnis verantwortlich nach Artikel 4 Nummer 7 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2; L 74 vom 4.3.2021, S. 35) sind die Stellen, in deren Auftrag das sichere elektronische Verzeichnis betrieben wird.