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Kapitel 1 - Soldatenentschädigungsgesetz (SEG)


Kapitel 1 Allgemeine Vorschriften

§ 1 Persönlicher Geltungsbereich



Dieses Gesetz gilt für

1.
Personen, die eine Wehrdienstbeschädigung erlitten haben,

2.
Angehörige und Hinterbliebene der in Nummer 1 genannten Personen.


§ 2 Begriffsbestimmungen



(1) Geschädigte Person ist eine Person, die eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat.

(2) Primäre Gesundheitsstörungen sind solche, die nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft durch ein schädigendes Ereignis hervorgerufen werden können und zeitlich als erste auftreten.

(3) Sekundäre Gesundheitsstörungen sind solche, die nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft aus der primären Gesundheitsstörung entstehen können.

(4) Angehörige sind

1.
die Ehegattin oder der Ehegatte einer Soldatin oder eines Soldaten,

2.
die Kinder einer Soldatin oder eines Soldaten,

3.
die Stiefkinder einer Soldatin oder eines Soldaten, die in den Haushalt aufgenommen worden sind,

4.
die Pflegekinder einer Soldatin oder eines Soldaten.

(5) Andere zur häuslichen Gemeinschaft gehörende Personen sind Personen, auf die sich die Umzugskostenzusage des Dienstherrn nach § 6 Absatz 3 Satz 3 des Bundesumzugskostengesetzes bezieht oder beziehen würde.

(6) Hinterbliebene sind

1.
die Witwe oder der Witwer der geschädigten Person,

2.
die Waisen der geschädigten Person,

3.
die Stiefkinder, die in den Haushalt der geschädigten Person aufgenommen worden sind,

4.
die Pflegekinder der geschädigten Person,

5.
die Eltern der geschädigten Person,

6.
die Stiefeltern oder Pflegeeltern der geschädigten Person, wenn sie der geschädigten Person zum Zeitpunkt des Versterbens unentgeltlich Unterhalt geleistet haben,

7.
die Großeltern der geschädigten Person, wenn die verstorbene geschädigte Person ihnen Unterhalt geleistet hat oder hätte.

(7) Pflegekinder sind Personen, mit denen eine Soldatin oder ein Soldat oder eine geschädigte Person durch ein familienähnliches, auf Dauer angelegtes Band verbunden ist, sofern die Soldatin oder der Soldat oder die geschädigte Person die Personen nicht zu Erwerbszwecken in den Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht.


§ 3 Wehrdienstbeschädigung



(1) 1Eine Wehrdienstbeschädigung liegt vor, wenn die primäre Gesundheitsstörung durch eines der folgenden schädigenden Ereignisse verursacht worden ist:

1.
einen Unfall während der Ausübung des Wehrdienstes,

2.
eine Wehrdienstverrichtung,

3.
die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse,

4.
einen Angriff auf die Soldatin oder den Soldaten

a)
wegen des pflichtgemäßen dienstlichen Verhaltens oder

b)
wegen des Status als Soldatin oder als Soldat,

5.
gesundheitsschädigende Verhältnisse während der Verwendung im Ausland oder

6.
einen Angriff auf die Soldatin oder den Soldaten bei Kriegshandlungen, Aufruhr oder Unruhen während der Verwendung im Ausland.

2Eine Wehrdienstbeschädigung liegt nicht vor, wenn die geschädigte Person die Gesundheitsstörung vorsätzlich herbeigeführt hat.

(2) Zum Wehrdienst gehören auch

1.
Verrichtungen und Veranstaltungen nach § 42 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 des Soldatenversorgungsgesetzes sowie

2.
das Erscheinen zur Feststellung der Wehrdienstfähigkeit, zur Eignungsuntersuchung und Eignungsfeststellung oder im Rahmen der Dienstleistungs- oder Wehrüberwachung auf Anordnung einer zuständigen Dienststelle.

(3) Erfasst sind auch Unfälle, welche die geschädigte Person erleidet

1.
während einer Maßnahme nach den Kapiteln 3 bis 5,

2.
während des Erscheinens auf Anordnung einer Behörde oder eines Gerichts wegen der Wehrdienstbeschädigung oder

3.
auf dem jeweils erforderlichen Hin- und Rückweg.

(4) Als Wehrdienstbeschädigung gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines im oder am Körper getragenen Hilfsmittels.


§ 4 Besondere Fallgestaltungen



(1) 1Als Wehrdienstbeschädigung gilt die bei einer Verwendung im Ausland außerhalb des Dienstes erlittene primäre Gesundheitsstörung, wenn sie verursacht worden ist durch

1.
vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse während einer besonderen Verwendung nach § 87 Absatz 1 des Soldatenversorgungsgesetzes oder

2.
einen Unfall oder eine Erkrankung im Zusammenhang mit einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft in dem ausländischen Staat, in dem die Soldatin oder der Soldat verwendet wird, oder den Umstand, dass die Soldatin oder der Soldat aus sonstigen, mit dem Dienst zusammenhängenden Gründen, die sie oder er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich des Dienstherrn entzogen ist, oder

3.
einen gegen die Soldatin oder den Soldaten oder eine andere Person gerichteten vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff oder durch dessen rechtmäßige Abwehr; einem tätlichen Angriff steht die vorsätzliche Beibringung von Gift sowie die wenigstens fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben eines anderen durch ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen gleich.

2Satz 1 Nummer 3 gilt auch, wenn sich der tätliche Angriff oder dessen rechtmäßige Abwehr auf dem Hinweg ins Ausland oder auf dem Rückweg ereignet.

(2) Als Wehrdienstbeschädigung gilt auch, wenn

1.
die Soldatin oder der Soldat zur Wahrnehmung einer Tätigkeit, die öffentlichen Belangen oder dienstlichen Interessen dient, vom Wehrdienst beurlaubt wird und auf Grund dieser Tätigkeit, durch einen Unfall während der Ausübung dieser Tätigkeit oder auf dem jeweils erforderlichen Hin- und Rückweg eine primäre Gesundheitsstörung erleidet,

2.
eine nicht nach § 2 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 9 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch versicherte Begleitperson einer geschädigten Person im Falle von § 3 Absatz 3 einen Unfall und dadurch eine primäre Gesundheitsstörung erleidet,

3.
Angehörige oder andere zur häuslichen Gemeinschaft der Soldatin oder des Soldaten gehörende Personen, die in dem ausländischen Staat, in dem die Soldatin oder der Soldat verwendet wird, oder auf dem Hin- und Rückweg infolge eines gegen sie oder eine andere Person gerichteten vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine primäre Gesundheitsstörung erleiden,

4.
das Kind einer Soldatin durch eine Wehrdienstbeschädigung der Mutter während der Schwangerschaft unmittelbar eine primäre Gesundheitsstörung erleidet.

(3) 1Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und Absatz 2 Nummer 1 bis 3 gelten nicht, soweit in diesen Fällen Ansprüche nach anderen gesetzlichen Regelungen bestehen oder Leistungen von anderer Seite gewährt werden. 2Schadensersatzansprüche auf Grund fahrlässiger Amtspflichtverletzung nach § 839 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind nicht ausgeschlossen.


§ 5 Anerkennung der Schädigungsfolgen



(1) Als Schädigungsfolge wird die sekundäre Gesundheitsstörung anerkannt, die in ursächlichem Zusammenhang mit der Wehrdienstbeschädigung steht.

(2) Zur Anerkennung der Schädigungsfolge genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der sekundären Gesundheitsstörung mit der Wehrdienstbeschädigung.

(3) 1Wenn die zur Anerkennung einer Schädigungsfolge erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache der primären oder der sekundären Gesundheitsstörung in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums der Verteidigung die Schädigungsfolge anerkannt werden. 2Die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.

(4) 1War die Soldatin oder der Soldat durch eine Wehrdienstverrichtung oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse besonderen Einwirkungen ausgesetzt und erkrankt sie oder er infolgedessen an einer Krankheit, die in Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung aufgeführt ist, so wird die Schädigungsfolge nach Maßgabe des § 9 Absatz 1 und 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch anerkannt. 2Bei der Entscheidung über die Anerkennung sind auch Tätigkeiten zu berücksichtigen, die den Versicherungsschutz nach den § 2, § 3 oder § 6 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch begründen, wenn

1.
diese Tätigkeiten ihrer Art nach geeignet waren, die Berufskrankheit nach § 9 Absatz 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch zu verursachen, und

2.
die besondere Einwirkung überwiegend durch ein schädigendes Ereignis nach § 3 Absatz 1 verursacht worden ist.

(5) Die Entscheidung über die Anerkennung einer Schädigungsfolge gilt für die Zeit nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses fort.


§ 6 Grad der Schädigungsfolgen



(1) Ist für eine geschädigte Person die Schädigungsfolge anerkannt worden, so wird für sie der Grad der Schädigungsfolgen festgesetzt.

(2) 1Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigungen, die durch die Schädigungsfolge bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. 2Er ist nach Zehnerwerten von 10 bis 100 zu bemessen. 3Ein bis zu 5 Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. 4Bei geschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleichen Schädigungsfolgen ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist.

(3) Vorübergehende sekundäre Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum von bis zu sechs Monaten.

(4) Ist bei der geschädigten Person neben einer Schädigungsfolge auf Grund einer Wehrdienstbeschädigung auch eine Schädigungsfolge auf Grund eines schädigenden Ereignisses nach dem Vierzehnten Buch Sozialgesetzbuch anerkannt worden, so ist ein einheitlicher Grad der Schädigungsfolgen festzusetzen.

(5) Das Bundesministerium der Verteidigung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Folgendes zu regeln:

1.
die Grundsätze für die Beurteilung und Bemessung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 2,

2.
die Grundsätze für die Anerkennung einer sekundären Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge sowie

3.
das Verfahren für die Fortentwicklung der in den Nummern 1 und 2 genannten Grundsätze.


§ 7 Leistungen der Soldatenentschädigung



(1) Eine geschädigte Person hat wegen der anerkannten Schädigungsfolge und deren wirtschaftlicher Folgen Anspruch auf folgende Leistungen:

1.
Ausgleich für gesundheitliche Schädigungsfolgen nach Maßgabe des Kapitels 2,

2.
Leistungen der medizinischen Versorgung nach Maßgabe des Kapitels 3,

3.
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach Maßgabe des Kapitels 4,

4.
Leistungen zur Sozialen Teilhabe nach Maßgabe des Kapitels 5,

5.
Leistungen des Erwerbsschadensausgleichs nach Maßgabe des Kapitels 6,

6.
Leistungen nach Maßgabe der §§ 52 bis 55.

(2) Angehörige, die selbst keine geschädigte Person sind, haben Anspruch auf Erstattung von Kosten für psychotherapeutische Leistungen in besonderen Fällen nach Maßgabe des § 51.

(3) Hinterbliebene haben Anspruch auf folgende Leistungen:

1.
Leistungen an Hinterbliebene nach Maßgabe des Kapitels 7,

2.
Sterbegeld nach Maßgabe des Kapitels 9,

3.
Anspruch auf Erstattung von Kosten für psychotherapeutische Leistungen in besonderen Fällen nach Maßgabe des § 51.

(4) Die Partnerin oder der Partner einer mit der verstorbenen geschädigten Person verfestigten Lebensgemeinschaft hat Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Maßgabe des § 50.

(5) Anspruch auf Leistungen bei Überführung und Bestattung nach Kapitel 8 hat die Person, die zunächst die Überführung oder Bestattung einer geschädigten Person bezahlt hat.


§ 8 Antragserfordernis



(1) Leistungen nach diesem Gesetz werden auf Antrag gewährt.

(2) Während des Wehrdienstverhältnisses kann das Verwaltungsverfahren zur Prüfung der Gewährung von Leistungen nach diesem Gesetz auch von Amts wegen eingeleitet werden.


§ 9 Anspruchskonkurrenz



Ansprüche auf Leistungen der Soldatenentschädigung gehen Ansprüchen auf Leistungen der Sozialen Entschädigung vor, soweit sie auf derselben Ursache beruhen.


§ 10 Verhältnis zu Leistungen anderer Träger



(1) Die Leistungen der Soldatenentschädigung gehen Leistungen anderer Träger, insbesondere anderer Sozialleistungsträger, vor.

(2) Leistungsansprüche aus privaten Sicherungs- und Versorgungssystemen sind auf Leistungen der Soldatenentschädigung nicht anzurechnen.