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Achtung: Dieser Titel gilt komplett oder überwiegend erst ab 01.04.2025

Abschnitt 3 - Wehrdisziplinarordnung (WDO)


Teil 3 Ahndung von Dienstvergehen durch Disziplinarmaßnahmen

Kapitel 2 Die Disziplinarbefugnis der Disziplinarvorgesetzten und ihre Ausübung

Abschnitt 3 Ausübung der Disziplinarbefugnis

§ 32 Ermittlungen der Disziplinarvorgesetzten



(1) 1Werden Tatsachen bekannt, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, so muss die oder der Disziplinarvorgesetzte den Sachverhalt durch die erforderlichen Ermittlungen aufklären. 2Der Inhalt mündlicher Vernehmungen ist aktenkundig zu machen.

(2) 1Die oder der Disziplinarvorgesetzte kann die Aufklärung des Sachverhalts einer Offizierin oder einem Offizier übertragen. 2In Fällen von geringerer Bedeutung kann sie oder er auch den Kompaniefeldwebel oder eine Unteroffizierin oder einen Unteroffizier in entsprechender Dienststellung mit der Vernehmung von Zeuginnen und Zeugen beauftragen, soweit es sich um Mannschaften oder um Unteroffizierinnen ohne Portepee oder Unteroffiziere ohne Portepee handelt.

(3) Bei der Aufklärung des Sachverhalts sind die belastenden, entlastenden und die für Art und Höhe der Disziplinarmaßnahme bedeutsamen Umstände zu ermitteln.

(4) 1Die Soldatin oder der Soldat ist über die Ermittlungen zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung des Ermittlungszwecks möglich ist. 2Ihr oder ihm ist bei Beginn der ersten Vernehmung zu eröffnen, welche Pflichtverletzungen ihr oder ihm zur Last gelegt werden. 3Es ist gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass es ihr oder ihm freisteht, sich zur Sache zu äußern oder nicht auszusagen. 4Wird ausgesagt, muss in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit gesagt werden. 5Ist die nach den Sätzen 2 und 3 vorgeschriebene Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt worden, so darf die Aussage der Soldatin oder des Soldaten nicht zu ihrem oder seinem Nachteil verwertet werden.

(5) 1Vor der Entscheidung ist die Soldatin oder der Soldat stets zu fragen, ob sie oder er etwas zu ihrer oder seiner Entlastung vorbringen will. 2Hierüber ist ein Vernehmungsprotokoll aufzunehmen, das von der Soldatin oder dem Soldaten unterschrieben sein soll.


§ 33 Prüfungspflicht der Disziplinarvorgesetzten



(1) 1Hat eine Soldatin oder ein Soldat ein Dienstvergehen begangen, prüft die oder der Disziplinarvorgesetzte, ob es mit einer erzieherischen Maßnahme sein Bewenden haben kann oder ob eine Disziplinarmaßnahme verhängt werden soll. 2Sie oder er prüft ferner, ob das Dienstvergehen zur Verhängung einer Disziplinarmaßnahme weiterzumelden oder die Entscheidung der Einleitungsbehörde herbeizuführen ist.

(2) 1Die oder der Disziplinarvorgesetzte soll erst dann disziplinar einschreiten, wenn andere Maßnahmen erfolglos geblieben sind. 2Will sie oder er eine Disziplinarmaßnahme verhängen, muss sie oder er die Schuld der Soldatin oder des Soldaten für erwiesen halten.

(3) 1Ist das Dienstvergehen eine Straftat, so gibt die oder der Disziplinarvorgesetzte die Sache unabhängig von der Prüfung nach Absatz 1 an die zuständige Strafverfolgungsbehörde ab, wenn dies entweder zur Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung oder wegen der Art der Tat oder der Schwere des Unrechts oder der Schuld geboten ist. 2Sie oder er kann die disziplinare Erledigung bis zur Beendigung des auf die Abgabe eingeleiteten oder eines sonstigen wegen derselben Tat schwebenden Strafverfahrens aussetzen. 3Das gilt nicht, wenn die Sachaufklärung gesichert ist oder wenn im Strafverfahren aus Gründen nicht verhandelt werden kann, die in der Person oder in dem Verhalten der Soldatin oder des Soldaten liegen.


§ 34 Bindung an tatsächliche Feststellungen anderer Entscheidungen



(1) Die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren oder Bußgeldverfahren, auf denen die Entscheidung beruht, sind für die Disziplinarvorgesetzte oder den Disziplinarvorgesetzten bindend, soweit das Dienstvergehen denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat.

(2) 1Das Wehrdienstgericht hat jedoch bei Entscheidungen nach § 40 Absatz 4 und § 43 Absatz 2 und 3 sowie nach § 47 die nochmalige Prüfung solcher Feststellungen zu beschließen, deren Richtigkeit seine Mitglieder mit Stimmenmehrheit, bei Entscheidungen durch eine Truppendienstkammer mit der Stimme der oder des Vorsitzenden, bezweifeln. 2Dies ist in den Gründen der Entscheidung zum Ausdruck zu bringen.


§ 35 Selbstständigkeit der Disziplinarvorgesetzten



(1) 1Die oder der zuständige Disziplinarvorgesetzte entscheidet allein verantwortlich. 2Ihr oder ihm kann nicht befohlen werden, ob und wie geahndet werden soll.

(2) Verhängt die oder der Disziplinarvorgesetzte eine Disziplinarmaßnahme, dürfen höhere Vorgesetzte diese Entscheidung, abgesehen von den Fällen der Beschwerde, nur unter den Voraussetzungen des § 48 Absatz 2 aufheben.

(3) Hält die oder der Disziplinarvorgesetzte ein Dienstvergehen zwar für erwiesen, eine Disziplinarmaßnahme aber nicht für angebracht, dürfen höhere Vorgesetzte diese Entscheidung nicht ändern.

(4) § 95 Absatz 3 und § 99 bleiben unberührt.


§ 36 Absehen von einer Disziplinarmaßnahme



(1) Wird durch die Ermittlungen ein Dienstvergehen nicht festgestellt oder hält die oder der Disziplinarvorgesetzte eine Disziplinarmaßnahme nicht für zulässig oder angebracht, hat sie oder er diese Entscheidung der Soldatin oder dem Soldaten bekannt zu geben, wenn die Soldatin oder der Soldat zuvor angehört wurde.

(2) Die oder der Disziplinarvorgesetzte kann den Fall nur dann erneut verfolgen, wenn erhebliche neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden.


§ 37 Verhängen der Disziplinarmaßnahme



(1) 1Eine Disziplinarmaßnahme darf erst nach Ablauf einer Nacht verhängt werden, nachdem die Soldatin oder der Soldat nach § 32 Absatz 5 abschließend angehört wurde. 2Sobald sie oder er zum Entlassungsort in Marsch gesetzt wird, kann die Disziplinarmaßnahme sofort verhängt werden.

(2) 1Die Disziplinarmaßnahme wird durch die dienstliche Bekanntgabe der Disziplinarverfügung an die Soldatin oder den Soldaten verhängt. 2Das Ehrgefühl ist zu schonen.

(3) 1Die Disziplinarverfügung muss bei der Bekanntgabe schriftlich festgelegt sein. 2Sie muss Zeit, Ort und Sachverhalt des Dienstvergehens, die Schuldform sowie Art und Höhe der Disziplinarmaßnahme enthalten. 3Bei der verschärften Ausgangsbeschränkung und bei der verschärften strengen Ausgangsbeschränkung muss sie zusätzlich die Verschärfung enthalten. 4Eine Abschrift der Disziplinarverfügung ist der Soldatin oder dem Soldaten bei der Verhängung der Disziplinarmaßnahme auszuhändigen. 5Ist die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden, ist dies hierbei bekannt zu geben.

(4) Sind nach § 22 Absatz 2 mehrere Disziplinarmaßnahmen nebeneinander zulässig, dürfen sie nur gleichzeitig verhängt werden.

(5) 1Die oder der Disziplinarvorgesetzte kann eine von ihr oder ihm verhängte Disziplinarmaßnahme nicht mehr aufheben, ändern oder unvollstreckt lassen. 2Die §§ 39, 51 Absatz 3 und § 58 Absatz 3 bleiben unberührt.


§ 38 Bemessung der Disziplinarmaßnahme



(1) Bei der Bemessung von Art und Höhe der Disziplinarmaßnahme sind Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe der Soldatin oder des Soldaten zu berücksichtigen.

(2) In der Regel ist mit den milderen Disziplinarmaßnahmen zu beginnen und erst bei erneuten Dienstvergehen zu schwereren Disziplinarmaßnahmen überzugehen.

(3) Disziplinararrest oder strenger Disziplinararrest soll erst dann verhängt werden, wenn vorausgegangene erzieherische Maßnahmen und Disziplinarmaßnahmen ihren Zweck nicht erreicht haben oder die Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung eine disziplinare Freiheitsentziehung gebietet.


§ 39 Anrechnung von Freiheitsentziehung auf die Disziplinarmaßnahme



Auf die Disziplinarmaßnahme kann eine Freiheitsentziehung, die die Soldatin oder der Soldat aus Anlass ihrer oder seiner Tat durch vorläufige Festnahme oder Untersuchungshaft erlitten hat, nach pflichtgemäßem Ermessen in der Weise angerechnet werden, dass die Disziplinarmaßnahme ganz oder teilweise für vollstreckt erklärt wird.


§ 40 Richterliche Mitwirkung bei der Verhängung von Disziplinararrest und strengem Disziplinararrest



(1) 1Disziplinararrest darf erst verhängt werden, nachdem die Richterin oder der Richter des zuständigen, notfalls des nächst erreichbaren Truppendienstgerichts zugestimmt hat. 2Hält sie oder er den beabsichtigten Disziplinararrest für zulässig und angebracht, so ist die Zustimmung zu erteilen. 3Die Zustimmung bedarf keiner Begründung. 4Wenn es zur Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung geboten ist, kann zugleich die sofortige Vollstreckbarkeit angeordnet werden. 5Die Anordnung ist zu begründen. 6Ist die sofortige Vollstreckbarkeit angeordnet worden, so gelten § 37 Absatz 1 Satz 1 und § 49 Absatz 1 nicht.

(2) 1Die oder der Disziplinarvorgesetzte teilt im Antrag auf richterliche Zustimmung die beabsichtigte Dauer des Disziplinararrests mit. 2Will sie oder er zugleich Ausgangsbeschränkung, strenge Ausgangsbeschränkung, Disziplinarbuße oder strenge Disziplinarbuße verhängen, so ist auch deren Dauer oder deren Betrag mitzuteilen. 3Ein Antrag auf sofortige Vollstreckbarkeit ist zu begründen. 4Die Soldatin oder der Soldat ist auch zu diesem Antrag anzuhören. 5Dem Antrag sind die nach § 32 entstandenen Vorgänge beizufügen. 6Beizufügen sind ferner ein Auszug über Anerkennungen, Disziplinarmaßnahmen und Bestrafungen aus dem Disziplinarbuch oder den Personalunterlagen und, soweit erforderlich, eine Darstellung des Sachverhalts.

(3) 1Lehnt die Richterin oder der Richter es ab, dem Disziplinararrest zuzustimmen, oder stimmt sie oder er nur einem kürzeren Disziplinararrest zu, so ist diese Entscheidung zu begründen. 2Ist sie oder er der Auffassung, dass eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme angebracht ist, sind die Akten der Einleitungsbehörde zur weiteren Entschließung zu übersenden.

(4) 1Die oder der Disziplinarvorgesetzte kann in den Fällen des Absatzes 3 Satz 1 binnen einer Woche nach Bekanntgabe der richterlichen Entscheidung das Truppendienstgericht anrufen. 2Hält das Truppendienstgericht den beabsichtigten oder einen kürzeren Disziplinararrest für zulässig und angebracht, so verhängt es diesen selbst. 3Diese Entscheidung ist endgültig. 4Die Soldatin oder der Soldat ist vor der Entscheidung anzuhören. 5Die Anhörung kann außerhalb der Verhandlung auch durch die Vorsitzende oder den Vorsitzenden stattfinden. 6Bei der Anhörung darf nur die Begründung für den verhängten Disziplinararrest mitgeteilt werden. 7Hält das Truppendienstgericht Disziplinararrest für nicht angebracht, so entscheidet die oder der Disziplinarvorgesetzte, ob eine andere Disziplinarmaßnahme gegen die Soldatin oder den Soldaten verhängt wird. 8Hält das Truppendienstgericht eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme für geboten, übersendet es die Akten der Einleitungsbehörde zur weiteren Entschließung.

(5) 1An Bord von Schiffen außerhalb der Hoheitsgewässer der Bundesrepublik Deutschland darf Disziplinararrest vor einer richterlichen Zustimmung verhängt werden, wenn die Richterin oder der Richter nicht erreichbar ist und die militärische Disziplin auf andere Weise nicht aufrechterhalten werden kann. 2§ 42 Absatz 3 Satz 1 und § 49 Absatz 1 gelten nicht. 3Sobald die Richterin oder der Richter erreichbar ist, sind ihr oder ihm die Vorgänge unverzüglich vorzulegen. 4Wird der verhängten Disziplinarmaßnahme nicht zugestimmt, so ist sie zugleich aufzuheben. 5Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend. 6§ 48 Absatz 4 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass die Frist nach § 17 Absatz 2 mit der Aufhebung der Disziplinarmaßnahme beginnt.

(6) Für den strengen Disziplinararrest gelten die Absätze 1 bis 5 entsprechend.

(7) 1Die Richterin oder der Richter und das Truppendienstgericht können dem Bundesverwaltungsgericht Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vorlegen. 2§ 18 Absatz 4 der Wehrbeschwerdeordnung gilt entsprechend. 3Von der Vorlage bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Lauf der Frist nach § 17 Absatz 2 gehemmt.


§ 41 Disziplinarvorgesetzte und gerichtliches Disziplinarverfahren



Ist die Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens geboten, führt die oder der zuständige Disziplinarvorgesetzte die Entscheidung der Einleitungsbehörde herbei.