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Gesetz zur Errichtung eines Stabilitätsrates und zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen (Stabilitätsratsgesetz - StabiRatG)


§ 1 Stabilitätsrat



(1) 1Bund und Länder bilden einen Stabilitätsrat mit dem Ziel der Vermeidung von Haushaltsnotlagen. 2Dem Stabilitätsrat gehören an:

1.
die Bundesministerin oder der Bundesminister der Finanzen,

2.
die für die Finanzen zuständigen Ministerinnen oder Minister der Länder,

3.
die Bundesministerin oder der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz.

3Der Stabilitätsrat wird bei der Bundesregierung eingerichtet.

(2) Den Vorsitz im Stabilitätsrat führen gemeinsam die Bundesministerin oder der Bundesminister der Finanzen und die oder der Vorsitzende der Finanzministerkonferenz der Länder.

(3) 1Der Stabilitätsrat tritt nach Bedarf zusammen, jedoch mindestens zweimal jährlich. 2Die Sitzungen sind vertraulich und nicht öffentlich.

(4) 1Die Beschlüsse des Stabilitätsrates werden mit der Stimme des Bundes und der Mehrheit von zwei Dritteln der Länder gefasst. 2Die Stimme des Bundes wird durch die Bundesministerin oder den Bundesminister der Finanzen abgegeben. 3Bei Entscheidungen, die einzelne Länder betreffen, ist das betroffene Land nicht stimmberechtigt. 4Entscheidungen, die den Bund betreffen, werden abweichend von Satz 1 mit der Mehrheit von zwei Dritteln aller stimmberechtigten Mitglieder gefasst.

(5) 1Der Stabilitätsrat gibt sich eine Geschäftsordnung. 2Diese regelt auch die Vertretung im Verhinderungsfall.

(6) Zur Unterstützung der Aufgaben des Stabilitätsrates wird ein Sekretariat eingerichtet, das jeweils aus einer Vertreterin oder einem Vertreter aus dem Bundesministerium der Finanzen sowie aus einer oder einem von der Finanzministerkonferenz der Länder benannten Vertreterin oder Vertreter besteht.




§ 2 Aufgaben des Stabilitätsrates



(1) 1Aufgaben des Stabilitätsrates sind

1.
die fortlaufende Überwachung der Haushalte des Bundes und der Länder sowie die Durchführung von Sanierungsverfahren,

2.
die Überwachung der Einhaltung der Verschuldungsregel des Artikels 109 Absatz 3 des Grundgesetzes durch den Bund und alle einzelnen Länder und

3.
die Überwachung der Einhaltung der Obergrenze des strukturellen gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizits nach § 51 Absatz 2 des Haushaltsgrundsätzegesetzes.

2Dem Stabilitätsrat können durch Gesetz weitere Aufgaben übertragen werden.

(2) Der Stabilitätsrat fasst zu den Ergebnissen der Überwachung jeweils einen Beschluss.




§ 3 Fortlaufende Haushaltsüberwachung



(1) 1Der Stabilitätsrat überwacht die aktuelle Lage und die Entwicklung der Haushalte von Bund und Ländern. 2Dafür legt er für Vergleichszwecke geeignete Kennziffern, die auf Daten zur aktuellen Haushaltslage und zur Finanzplanung basieren, sowie eine Projektion der mittelfristigen Haushaltsentwicklung auf Basis einheitlicher Annahmen fest. 3Die Kennziffern und die Projektion bilden zusammen das Analysesystem der fortlaufenden Haushaltsüberwachung.

(2) Der Stabilitätsrat berät jährlich über die Haushaltslage des Bundes und jedes einzelnen Landes auf Grundlage eines Berichts der jeweiligen Gebietskörperschaft, der Angaben zu dem Analysesystem nach Absatz 1 und die Ergebnisse zur Einhaltung der bundes- und jeweiligen landesrechtlichen Verschuldungsregel enthalten soll.




§ 4 Prüfung einer drohenden Haushaltsnotlage



(1) 1Der Stabilitätsrat beschließt für die einzelnen Kennziffern nach § 3 Absatz 1 Schwellenwerte, deren Überschreitung auf eine drohende Haushaltsnotlage hinweisen kann. 2Für den Bund sind gegenüber den Ländern abweichende Schwellenwerte festzulegen.

(2) Der Stabilitätsrat leitet eine Prüfung ein, ob beim Bund oder in einem bestimmten Land eine Haushaltsnotlage droht, wenn

1.
der Bund oder ein Land im Rahmen der allgemeinen Haushaltsüberwachung darauf hinweist, dass für den von ihm zu verantwortenden Haushalt eine Notlage droht, oder

2.
der Bund oder ein Land bei der Mehrzahl der Kennziffern nach § 3 Absatz 1 die Schwellenwerte nach Absatz 1 überschreitet oder

3.
1für den Bund oder ein Land die Projektion nach § 3 Absatz 1 eine entsprechende Entwicklung ergibt. 2In diesem Fall kann von einer Prüfung abgesehen werden, wenn die Ergebnisse der Projektion bereits Gegenstand einer Prüfung waren und sich danach nicht wesentlich geändert haben.

(3) 1In die Prüfung werden alle relevanten Bereiche des betroffenen Haushalts umfassend einbezogen. 2Der Bund oder das Land ist verpflichtet, die für diese Prüfung erforderlichen Auskünfte zu erteilen.

(4) Der Stabilitätsrat beschließt auf der Grundlage der Ergebnisse der Prüfung nach Absatz 3, ob im Bund oder in dem betreffenden Land eine Haushaltsnotlage droht.




§ 5 Sanierungsverfahren



(1) 1Hat der Stabilitätsrat eine drohende Haushaltsnotlage nach § 4 Absatz 4 für den Bund oder ein Land festgestellt, vereinbart er mit der betroffenen Gebietskörperschaft ein Sanierungsprogramm. 2Der Bund oder das Land unterbreitet hierfür Vorschläge.

(2) Das Sanierungsprogramm und seine Umsetzung zielen darauf ab, die Haushaltslage der betroffenen Gebietskörperschaft zu verbessern, sodass das Ergebnis der fortlaufenden Haushaltsüberwachung nach § 3 für das betroffene Land oder den Bund in absehbarer Zeit nicht mehr auf eine drohende Haushaltsnotlage hinweist.

(3) Um das übergeordnete Sanierungsziel nach Absatz 2 zu erreichen, legt das Sanierungsprogramm auf das jeweilige Land oder den Bund zugeschnittene jährliche und auf einzelne oder mehrere Kennziffern oder die Projektion der mittelfristigen Haushaltsentwicklung nach § 3 Absatz 1 bezogene Zielwerte sowie darauf zugeschnittene Sanierungsmaßnahmen fest.

(4) 1Die jeweilige Laufzeit des Sanierungsprogramms für den Bund oder das Land beträgt mindestens zwei Jahre. 2Wenn die fortlaufende Haushaltsüberwachung keine Anzeichen für eine drohende Haushaltsnotlage mehr ergibt, kann das Sanierungsverfahren vorzeitig beendet werden. 3Falls sich bereits vor Ablauf des vereinbarten Sanierungsprogramms aus der Haushaltsüberwachung Anzeichen dafür ergeben, dass eine drohende Haushaltsnotlage fortbestehen wird, kann das Sanierungsprogramm durch Vereinbarung zwischen dem Stabilitätsrat und dem Bund oder dem Land verlängert werden.

(5) 1Der Bund oder das Land setzt das vereinbarte Sanierungsprogramm in eigener Verantwortung um und berichtet dem Stabilitätsrat darüber mindestens jährlich. 2Werden Vorgaben des Sanierungsprogramms verfehlt, prüft der Stabilitätsrat im Einvernehmen mit dem Bund oder dem Land, ob weitere Maßnahmen zur Erreichung der Zielwerte erforderlich sind.

(6) 1Setzt der Bund oder das Land das Sanierungsprogramm nur unzureichend um, beschließt der Stabilitätsrat eine Aufforderung zur verstärkten Haushaltssanierung. 2Höchstens ein Jahr nach dieser Aufforderung prüft der Stabilitätsrat, ob der Bund oder das Land die notwendigen Maßnahmen zur Haushaltssanierung ergriffen hat. 3Wurden die notwendigen Maßnahmen nicht ergriffen, fordert der Stabilitätsrat den Bund oder das Land erneut auf, die Bemühungen um eine Haushaltssanierung zu verstärken.




§ 6 Überwachung der Einhaltung der grundgesetzlichen Verschuldungsregel



(1) Der Stabilitätsrat überwacht die Einhaltung der Verschuldungsregel des Artikels 109 Absatz 3 des Grundgesetzes durch den Bund und jedes einzelne Land für das jeweils abgelaufene, das aktuelle und das darauffolgende Jahr.

(2) Der Stabilitätsrat überprüft jährlich die von jeder Gebietskörperschaft ermittelten Ergebnisse eines zwischen Bund und Ländern abgestimmten Analysesystems, das sich an den Vorgaben und Verfahren aus Rechtsakten aufgrund des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin orientiert. Grundlage ist ein einheitliches Konjunkturbereinigungsverfahren.




§ 7 Überwachung der Einhaltung der Obergrenze des strukturellen gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizits nach § 51 Absatz 2 des Haushaltsgrundsätzegesetzes



(1) Der Stabilitätsrat überprüft auf Grundlage einer Schätzung des gesamtstaatlichen Finanzierungssaldos zweimal jährlich die Einhaltung der Obergrenze des strukturellen gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizits nach § 51 Absatz 2 des Haushaltsgrundsätzegesetzes für das laufende Jahr und die vier folgenden Jahre.

(2) 1Kommt die Überprüfung zu dem Ergebnis, dass die Obergrenze des strukturellen gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizits überschritten wird und keine zulässige Abweichung gemäß § 51 Absatz 2 Satz 2 des Haushaltsgrundsätzegesetzes vorliegt, empfiehlt der Stabilitätsrat Maßnahmen, die geeignet sind, das überhöhte Finanzierungsdefizit zu beseitigen. 2Zu berücksichtigen sind dabei die Empfehlungen des Rates nach der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) Nr. 1175/2011 (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 12) geändert worden ist. 3Die vom Stabilitätsrat beschlossenen Empfehlungen werden der Bundesregierung und den Landesregierungen zur Weiterleitung an die jeweiligen Parlamente zugeleitet.

(3) Falls kein Beschluss des Stabilitätsrates über eine Empfehlung nach Absatz 2 zustande kommt, leiten die Vorsitzenden des Stabilitätsrates der Bundesregierung und den Landesregierungen zur Weiterleitung an die jeweiligen Parlamente einen Bericht zu, in dem das Ergebnis der Überprüfung und die vom Stabilitätsrat erörterten Maßnahmen darzulegen sind.




§ 8 Unabhängiger Beirat des Stabilitätsrates



(1) 1Zur Unterstützung des Stabilitätsrates bei der Überwachung der Einhaltung der Obergrenze des strukturellen gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizits nach § 51 Absatz 2 des Haushaltsgrundsätzegesetzes wird ein unabhängiger Beirat eingerichtet. 2Der Beirat gibt sich mit der Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder eine Geschäftsordnung. 3Für den Beirat entstehende Kosten tragen Bund und Länder je zur Hälfte.

(2) Mitglieder des Beirats sind je ein Vertreter der Deutschen Bundesbank und des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, ein Vertreter der an der Gemeinschaftsdiagnose beteiligten Forschungsinstitute, je zwei für die Dauer von fünf Jahren von Bund und Ländern durch deren Vertreter im Stabilitätsrat benannte Sachverständige und je ein für die Dauer von fünf Jahren von den kommunalen Spitzenverbänden und den Spitzenorganisationen der Sozialversicherung benannter Sachverständiger.

(3) 1Der Beirat gibt eine Stellungnahme zur Einhaltung der Obergrenze des strukturellen gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizits nach § 51 Absatz 2 des Haushaltsgrundsätzegesetzes ab. 2Die Vorsitzende oder der Vorsitzende des Beirats nimmt insoweit an der Beratung des Stabilitätsrates teil. 3Kommt der Beirat zu der Auffassung, dass die Obergrenze nicht eingehalten wird und keine zulässige Abweichung gemäß § 51 Absatz 2 Satz 2 des Haushaltsgrundsätzegesetzes vorliegt, gibt er Empfehlungen für Maßnahmen ab, die geeignet sind, das überhöhte Finanzierungsdefizit zu beseitigen. 4Die Stellungnahme und Empfehlungen des Beirats sind dem Bericht nach § 7 Absatz 3 beizufügen.

(4) Der Stabilitätsrat veröffentlicht die vom Beirat vorgelegten Stellungnahmen und Empfehlungen.




§ 9 Veröffentlichung der Beschlüsse und Unterrichtung der Parlamente



(1) Der Stabilitätsrat veröffentlicht seine Beschlüsse nach § 2 Absatz 2 und die ihnen zugrundeliegenden Beratungsunterlagen.

(2) Die Bundesregierung und die Landesregierungen leiten die Beschlüsse des Stabilitätsrates und die ihnen zugrundeliegenden Beratungsunterlagen sowie die Stellungnahmen des Beirats nach § 8 Absatz 3 Satz 1 den jeweiligen Parlamenten zu.