Bundesrecht - tagaktuell konsolidiert - alle Fassungen seit 2006
Vorschriftensuche
 

Erster Abschnitt - Arbeitssicherstellungsgesetz (ASG k.a.Abk.)

G. v. 09.07.1968 BGBl. I S. 787; zuletzt geändert durch Artikel 31 G. v. 15.07.2024 BGBl. 2024 I Nr. 236
Geltung ab 13.07.1968; FNA: 800-18 Arbeitsvertragsrecht
|

Erster Abschnitt Grundsätzliche Vorschriften

§ 1 Vorrang des freien Arbeitsvertrags



Das Grundrecht der freien Wahl des Arbeitsplatzes (Artikel 12 des Grundgesetzes) gilt auch in Spannungszeiten und im Verteidigungsfall. Von den in § 2 geregelten Verpflichtungsbefugnissen darf nur Gebrauch gemacht werden, wenn und soweit die in der genannten Vorschrift aufgeführten Arbeitsleistungen nicht auf der Grundlage der Freiwilligkeit sichergestellt werden können.


§ 2 Maßnahmen der Sicherstellung von Arbeitsleistungen



Für Zwecke der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung kann nach den Vorschriften dieses Gesetzes

1.
das Recht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom vollendeten 18. Lebensjahr bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch beschränkt werden,

2.
ein Wehrpflichtiger in ein Arbeitsverhältnis verpflichtet werden,

3.
eine Frau vom vollendeten achtzehnten bis zum vollendeten fünfundfünfzigsten Lebensjahr im zivilen Sanitäts- oder Heilwesen sowie in der ortsfesten militärischen Lazarettorganisation in ein Arbeitsverhältnis verpflichtet werden.




§ 3 Voraussetzungen für die Sicherstellung von Arbeitsleistungen



Beschränkungen und Verpflichtungen nach § 2 sind im Verteidigungsfall zulässig. Beschränkungen und Verpflichtungen nach § 2 Nr. 1 und 2 sind außerdem nach Maßgabe des Artikels 12a Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 Satz 2 des Grundgesetzes zulässig. Die Verpflichtung zu Ausbildungsveranstaltungen (§ 29) ist auch zulässig, wenn die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 nicht gegeben sind.


§ 4 Anwendungsbereich



(1) Verpflichtungen und Beschränkungen nach § 2 sind zulässig zur Sicherstellung von Arbeitsleistungen

1.
bei der Bundeswehr und bei den verbündeten Streitkräften,

2.
bei Dienststellen des Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände, der Gemeinden und der sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts,

3.
bei Verbänden und Einrichtungen des Zivilschutzes,

4.
in Betrieben der Wasser- und Energieversorgung sowie der Abwasser- und Abfallbeseitigung,

4a.
in Ernährungsunternehmen nach § 2 Nummer 6 des Ernährungssicherstellungs- und -vorsorgegesetzes,

5.
in Krankenanstalten und anderen Einrichtungen, in denen pflegebedürftige Personen betreut werden,

6.
in Betrieben der Mineralölversorgung,

7.
in Verkehrsunternehmen einschließlich Unternehmen des Personen- und Güterbeförderungsgewerbes in der See- und Binnenschifffahrt,

8.
bei der Deutschen Post AG, der Deutschen Postbank AG und der Deutschen Telekom AG sowie bei Unternehmen, die nach Kapitel 12 des Postgesetzes oder Teil 10 Abschnitt 2 des Telekommunikationsgesetzes verpflichtet sind,

9.
bei der nach § 31b Abs. 1 des Luftverkehrsgesetzes beauftragten Flugsicherungsorganisation.

(2) 1Über Absatz 1 hinaus kann die Bundesregierung nach Eintritt der Voraussetzungen für die Sicherstellung von Arbeitsleistungen (§ 3) durch Rechtsverordnung bestimmen, daß Verpflichtungen und Beschränkungen auch in anderen Bereichen innerhalb des Anwendungsbereichs nach Artikel 12a Abs. 3, 4 und 6 des Grundgesetzes zulässig sind. 2Die Rechtsverordnung kann den Anwendungsbereich auch einschränken oder abgrenzen. 3Die Bundesregierung hat die Rechtsverordnung aufzuheben, wenn der Bundestag es verlangt.




§ 5 Befreiungen



(1) § 2 gilt nicht für

1.
schwerbehinderte Menschen im Sinne des § 2 Abs. 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch,

2.
sonstige Personen, deren Minderung der Erwerbsfähigkeit oder deren Grad der Schädigungsfolgen nicht nur vorübergehend mindestens 50 beträgt.

3.
Personen, die hilfsbedürftige Angehörige oder andere hilfsbedürftige Personen aus rechtlicher oder sittlicher Verpflichtung zu pflegen haben, es sei denn, daß die erforderliche Pflege gewährleistet ist,

4.
Mitglieder oberster Verfassungsorgane des Bundes und der Länder,

5.
Richter auf Lebenszeit oder auf Zeit,

6.
ordinierte Geistliche evangelischen Bekenntnisses,

7.
Geistliche römisch-katholischen Bekenntnisses, die die Subdiakonatsweihe empfangen haben,

8.
hauptamtlich tätige Geistliche anderer Bekenntnisse, deren Amt dem eines ordinierten Geistlichen evangelischen oder eines Geistlichen römisch-katholischen Bekenntnisses, der die Subdiakonatsweihe empfangen hat, entspricht.

(2) § 2 Nr. 2 und 3 gilt nicht für Mitglieder der Betriebs- und Personalräte.

(3) § 2 Nr. 2 und 3 gilt nicht für Personen, deren Verpflichtung einen bereits weitgehend geförderten Ausbildungsabschnitt unterbrechen würde, wenn dies für sie eine unzumutbare Härte bedeutet.

(4) § 2 Nr. 1 und 3 gilt nicht für Frauen vom Beginn der Schwangerschaft an bis vier Monate nach der Niederkunft sowie Frauen mit einem Kind unter 15 Jahren, das mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft lebt.

(5) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann durch Rechtsverordnung weitere Personengruppen von der Anwendung des § 2 Nr. 2 und 3 befreien, wenn die Fortführung ihrer Tätigkeit oder Berufsausbildung im öffentlichen Interesse liegt und mit der Verpflichtung nach dieser Vorschrift unvereinbar ist.




§ 6 Abgrenzung zum Wehrdienst und anderen Dienstleistungen



Die Verpflichtung zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz, in einem Zivilschutzverband und im Zivildienst geht einer Maßnahme zur Sicherstellung von Arbeitsleistungen nach § 2 vor. Die §§ 13 und 13a des Wehrpflichtgesetzes und die §§ 14 und 16 des Zivildienstgesetzes bleiben unberührt.