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Kapitel 1 - Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz (AgrarOLkG)

neugefasst durch B. v. 24.08.2021 BGBl. I S. 4036; zuletzt geändert durch Artikel 1 G. v. 23.10.2024 BGBl. 2024 I Nr. 327
Geltung ab 25.04.2013; FNA: 7840-4 Allgemeine Marktordnungsvorschriften
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Teil 3 Geschäftsbeziehungen in der Agrar-, Fischerei- und Lebensmittellieferkette

Kapitel 1 Unlautere Handelspraktiken in der Agrar-, Fischerei- und Lebensmittellieferkette

Abschnitt 1 Unlautere Handelspraktiken

§ 10 Anwendungsbereich



(1) 1Dieser Abschnitt gilt für den Verkauf von Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnissen durch Lieferanten, die einen globalen Jahresumsatz von höchstens 350.000.000 Euro haben, an

1.
Käufer, die einen globalen Jahresumsatz von mehr als 2.000.000 Euro haben, sofern ihr globaler Jahresumsatz höher ist als der des Lieferanten, wobei folgende Pauschalierungen gelten:

Stufe globaler
Jahresumsatz
des Lieferanten
globaler
Jahresumsatz
des Käufers
1bis 2.000.000 Euro über
2.000.000 Euro
2über 2.000.000 Euro
bis 10.000.000 Euro
über
10.000.000 Euro
3über 10.000.000 Euro
bis 50.000.000 Euro
über
50.000.000 Euro
4über 50.000.000 Euro
bis 150.000.000 Euro
über
150.000.000 Euro
5über
150.000.000 Euro
bis 350.000.000 Euro
über
350.000.000 Euro


oder

2.
Käufer, bei denen es sich um Behörden handelt,

sofern mindestens eine der beiden Vertragsparteien ihren Sitz in Deutschland hat. 2Dieser Abschnitt gilt darüber hinaus auch für den Verkauf von Milch- und Fleischprodukten sowie von Obst-, Gemüse- und Gartenbauprodukten einschließlich Kartoffeln durch Lieferanten, die einen Jahresumsatz im jeweiligen Verkaufssegment in Deutschland von höchstens 4.000.000.000 Euro haben, an Käufer, wenn der globale Jahresumsatz des Lieferanten höchstens 15.000.000.000 Euro und nicht mehr als 20 Prozent des globalen Jahresumsatzes des Käufers beträgt.

(2) 1Der Jahresumsatz und die Stufe gemäß der Tabelle in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 sind zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zwischen Lieferant und Käufer nach den Artikeln 3, 4 und 6 des Anhangs zu der Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (2003/361/EG) (ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36) in der jeweils geltenden Fassung zu bestimmen. 2Der Jahresumsatz ist im Einklang mit Artikel 4 Absatz 1 Satz 1 des Anhangs zu der Empfehlung 2003/361/EG auf Jahresbasis zu berechnen; hierzu ist der letzte Rechnungsabschluss heranzuziehen.

(3) Lieferant und Käufer sind in den Vertragsverhandlungen einander zur Auskunft darüber verpflichtet, welcher Stufe gemäß der Tabelle in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 ihr jeweiliger Jahresumsatz zuzuordnen ist, oder, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 2 erster Halbsatz erfüllt sind, wie hoch ihr jeweiliger Jahresumsatz ist.




§ 11 Zahlungsfristen



(1) Für Entgeltforderungen aus Verträgen gemäß § 10 Absatz 1 gelten die allgemeinen Vorschriften, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist.

(2) 1Der Käufer hat die Zahlung des vereinbarten Preises an den Lieferanten spätestens innerhalb der folgenden Fristen zu leisten:

1.
für verderbliche Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse innerhalb von 30 Tagen nach der Lieferung,

2.
für andere Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse innerhalb von 60 Tagen nach der Lieferung.

2Wurde eine regelmäßige Lieferung vereinbart, so beginnt die Frist nach Satz 1 mit Ablauf des vereinbarten Lieferzeitraums, spätestens jedoch einen Monat nach der ersten Lieferung. 3Käufer und Lieferant können vereinbaren, dass abweichend von Satz 1 der Zeitpunkt des Zugangs einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung an die Stelle des Zeitpunkts der Lieferung oder des Ablaufs des Lieferzeitraums tritt.

(3) Absatz 2 gilt nicht für

1.
Preiselemente, die Gegenstand von Wertaufteilungsklauseln sind, und

2.
Zahlungen im Rahmen des Schulprogramms gemäß Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013.

(4) 1Längere als die in Absatz 2 genannten Zahlungsfristen können nicht vereinbart werden. 2Unberührt bleiben gesetzliche Vorschriften, nach denen nur die Vereinbarung kürzerer als der in Absatz 2 genannten Zahlungsfristen zulässig ist.

(5) § 271a Absatz 2 Nummer 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt auch, wenn der Schuldner eine Behörde ist.

(6) Abweichend von § 286 Absatz 3 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kommt der Schuldner spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach dem sich aus Absatz 2 ergebenden Fristbeginn leistet.




§ 12 Vereinbarung über das Zurückschicken nicht verkaufter Erzeugnisse



1Der Käufer kann mit dem Lieferanten nicht wirksam vereinbaren, dass er nicht verkaufte Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse an den Lieferanten zurückschicken kann, ohne dass er dem Lieferanten Folgendes bezahlt:

1.
den geschuldeten Kaufpreis für die Erzeugnisse und

2.
die Kosten für die Beseitigung der Erzeugnisse, soweit die Erzeugnisse nicht mehr verwendbar sind.

2Satz 1 gilt nicht, wenn die nicht verkauften Erzeugnisse mindestens zwölf Monate weiter zum Verkauf geeignet sind.




§ 13 Vereinbarung einer kurzfristigen Beendigung des Vertrages über den Kauf von verderblichen Erzeugnissen



1Der Käufer kann mit dem Lieferanten nicht wirksam vereinbaren, dass er den Vertrag über den Kauf von verderblichen Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnissen so kurzfristig beenden oder einzelne Lieferungen so kurzfristig abbestellen kann, dass der Lieferant nach vernünftigem Ermessen keine alternative Vermarktungs- oder Verwendungsmöglichkeit für diese Erzeugnisse mehr haben wird. 2Eine Beendigung des Vertrages oder die Abbestellung einer Lieferung, die weniger als 30 Tage vor dem vereinbarten Liefertermin erfolgt, ist immer als kurzfristig im Sinne des Satzes 1 anzusehen.




§ 14 Vereinbarung von Zahlungen oder Preisnachlässen für die Lagerung von Erzeugnissen



1Der Käufer kann mit dem Lieferanten nicht wirksam vereinbaren, dass sich der Lieferant an den Kosten der Lagerung der gelieferten Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse durch Zahlungen oder Preisnachlässe beteiligt. 2Satz 1 gilt nicht, wenn der Käufer ein Zusammenschluss der Lieferanten ist, um Lagereinrichtungen für ihre Erzeugnisse gemeinsam zu nutzen.




§ 15 Vereinbarung über einseitige Vertragsänderung



Der Käufer kann mit dem Lieferanten nicht wirksam vereinbaren, dass der Käufer den Vertrag über die Lieferung von Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnissen einseitig ändern kann in Bezug auf

1.
die Häufigkeit, die Art und Weise, den Ort, den Zeitpunkt oder den Umfang der Lieferung,

2.
die Qualitätsstandards der Erzeugnisse,

3.
die Zahlungsbedingungen,

4.
die Preise,

5.
die Lagerung der Erzeugnisse,

6.
die Listung der Erzeugnisse,

7.
die Vermarktung der Erzeugnisse, einschließlich Verkaufsangeboten, der Werbung, Preisnachlässen im Rahmen von Verkaufsaktionen sowie der Bereitstellung auf dem Markt, oder

8.
die Kostenregelung für das Einrichten der Räumlichkeiten des Käufers, in denen die Erzeugnisse des Lieferanten verkauft werden.




§ 16 Vereinbarung über die Kostenübernahme durch den Lieferanten



(1) Der Käufer kann mit dem Lieferanten nicht wirksam vereinbaren, dass der Lieferant Kosten zu tragen hat, die dem Käufer ohne ein Verschulden des Lieferanten entstehen durch

1.
eine Qualitätsminderung oder vollständige Qualitätseinbuße der Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse, die eingetreten ist, nachdem die Lieferung dem Käufer übergeben worden ist, oder

2.
die Bearbeitung von Kundenbeschwerden beim Käufer, die Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse des Lieferanten betreffen.

(2) 1Der Käufer kann mit dem Lieferanten nicht wirksam vereinbaren, dass der Lieferant Kosten zu tragen hat, die in keinem spezifischen Zusammenhang mit dem Verkauf der Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse des Lieferanten stehen. 2Dazu gehören beispielsweise Kosten für unternehmerische Entscheidungen des Käufers, die dieser typischerweise unabhängig von seinen Lieferanten trifft, und Kosten, die durch ein Fehlverhalten des Personals des Käufers verursacht werden.




§ 17 Vereinbarung über Zahlungen oder Preisnachlässe für die Listung von Erzeugnissen



1Der Käufer kann mit dem Lieferanten nicht wirksam vereinbaren, dass sich der Lieferant an den Kosten für die Listung der zu liefernden Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse durch Zahlungen oder Preisnachlässe beteiligt. 2Satz 1 gilt nicht für die Kosten, die für die Listung bei der Markteinführung von Erzeugnissen entstehen.




§ 18 Androhung von Vergeltungsmaßnahmen



Der Käufer darf dem Lieferanten keine Vergeltungsmaßnahmen geschäftlicher Art androhen oder derartige Maßnahmen gegen den Lieferanten ergreifen, wenn der Lieferant

1.
seine vertraglichen oder gesetzlichen Rechte geltend macht, einschließlich der Ausübung seines Beschwerderechts nach § 25, oder

2.
seine gesetzlichen Pflichten erfüllt, einschließlich seiner Pflicht zu einer Zusammenarbeit mit der Durchsetzungsbehörde im Rahmen einer Untersuchung von Amts wegen.




§ 19 Bestätigung des Vertragsinhalts



1Der Käufer hat dem Lieferanten auf Verlangen den Inhalt eines mündlich geschlossenen Liefervertrages oder einer diesem zugrunde liegenden mündlich geschlossenen Rahmenvereinbarung in Textform zu bestätigen. 2Satz 1 gilt auch für mündlich geschlossene Nebenabreden zu einem Vertrag. 3Der Inhalt einer dem Liefervertrag zugrunde liegenden Rahmenvereinbarung muss nicht nach Satz 1 bestätigt werden, wenn

1.
der Käufer ein Erzeugerzusammenschluss ist, dem der Lieferant angehört, und

2.
dem Liefervertrag die für die Mitglieder des Erzeugerzusammenschlusses geltenden Bestimmungen zugrunde liegen.




§ 20 Mangels Vereinbarung unlautere Handelspraktiken



(1) Das Verlangen des Käufers vom Lieferanten nach

1.
Rücknahme nicht verkaufter, an den Lieferanten zurückgeschickter Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse im Sinne des § 12 Satz 2 ohne Zahlung des geschuldeten Kaufpreises oder

2.
Zahlungen oder Preisnachlässen für

a)
die Lagerung der gelieferten Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse, wenn der Käufer ein Zusammenschluss der Lieferanten im Sinne des § 14 Satz 2 ist,

b)
die Listung der gelieferten Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse bei deren Markteinführung,

c)
die Vermarktung der gelieferten Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse, einschließlich Verkaufsangeboten, der Werbung, Preisnachlässen im Rahmen von Verkaufsaktionen sowie der Bereitstellung auf dem Markt, oder

d)
das Einrichten der Räumlichkeiten, in denen die Erzeugnisse des Lieferanten verkauft werden,

ist unlauter *), es sei denn, diese Handelspraktik wurde zuvor klar und eindeutig, insbesondere auch unter Beachtung des § 16, zwischen Käufer und Lieferant vereinbart.

(2) 1Eine Vereinbarung zu Preisnachlässen im Rahmen von Verkaufsaktionen im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 Buchstabe c ist nur wirksam, wenn sich der Käufer auch verpflichtet, dem Lieferanten rechtzeitig vor Beginn der Verkaufsaktion in Textform den Aktionszeitraum und eine Schätzung der Menge der Erzeugnisse mitzuteilen, die zu dem niedrigeren Preis bestellt werden soll. 2Erfüllt der Käufer seine vertragliche Pflicht zur Unterrichtung des Lieferanten nicht, kann er den vereinbarten Preisnachlass nicht verlangen.


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*)
Anm. d. Red.: Bei der in Artikel 1 Nummer 6 G. v. 23. Oktober 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 327) vorgenommenen Einrückung des Abschlusssatzes "ist unterlauter ..." in Nummer 2 dürfte es sich um einen Fehler handeln.




§ 21 Vorlage einer Zahlungen- und Kostenschätzung



1Wurden Zahlungen oder Preisnachlässe nach § 20 Absatz 1 Nummer 2 zwischen Käufer und Lieferant vereinbart, kann der Lieferant verlangen, dass ihm der Käufer folgende Informationen in Textform übermittelt:

1.
eine Schätzung

a)
der Höhe der vereinbarten Zahlungen und Preisnachlässe je Einheit und der Anzahl der Einheiten oder,

b)
sofern eine Schätzung nach Buchstabe a nicht möglich ist, der Höhe der Zahlungen und Preisnachlässe insgesamt sowie

2.
eine begründete Kostenschätzung.

2Satz 1 Nummer 2 gilt nicht für Vereinbarungen zu Preisnachlässen im Rahmen von Verkaufsaktionen.




§ 22 Wirksamkeit des Vertrages



(1) Die allgemeinen Vorschriften über die Wirksamkeit von Verträgen und Vertragsbestimmungen, insbesondere die §§ 134, 138 und 305 bis 310 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, bleiben durch die §§ 11 bis 17 und 20 unberührt.

(2) 1Sind Vertragsbestimmungen auf Grund der §§ 11 bis 17 oder 20 ganz oder teilweise unwirksam, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. 2Soweit die Vertragsbestimmungen auf Grund der §§ 11 bis 17 oder 20 unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrages nach den gesetzlichen Vorschriften.




§ 23 Verbot der unlauteren Handelspraktiken



1Die Ausnutzung des wirtschaftlichen Ungleichgewichts zwischen dem Käufer und dem Lieferanten durch unlautere Handelspraktiken des Käufers ist verboten. 2Eine Ausnutzung des wirtschaftlichen Ungleichgewichts nach Satz 1 liegt ausschließlich vor, wenn der Käufer

1.
Vertragsbedingungen verwendet, die

a)
längere als die in § 11 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 oder 2 genannten Zahlungsfristen vorsehen,

b)
das Zurückschicken nicht verkaufter Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse ohne Zahlung des geschuldeten Kaufpreises oder, soweit die Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse nicht mehr verwendbar sind, ohne die Zahlung der Kosten der Beseitigung vorsehen, das nach § 12 Satz 1 nicht wirksam vereinbart werden kann,

c)
Fristen für die Beendigung des Vertrages oder die Abbestellung von Lieferungen vorsehen, die nach § 13 nicht wirksam vereinbart werden können,

d)
eine Beteiligung an den Lagerkosten vorsehen, die nach § 14 Satz 1 nicht wirksam vereinbart werden kann,

e)
Rechte zur Änderung des Vertrages durch den Käufer vorsehen, die nach § 15 nicht wirksam vereinbart werden können,

f)
eine Pflicht zur Kostenübernahme durch den Lieferanten vorsehen, die nach § 16 nicht wirksam vereinbart werden kann,

g)
eine Beteiligung an den Listungskosten vorsehen, die nach § 17 Satz 1 nicht wirksam vereinbart werden kann, oder

h)
eine Umgehung der Verbote nach den Buchstaben a bis e und g bewirken,

2.
seine vertraglichen Zahlungspflichten nicht oder nicht innerhalb der in § 11 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 oder 2 vorgesehenen Frist erfüllt, es sei denn, der Käufer hat ein Recht, die Leistung zu verweigern,

3.
bei Zurückschicken der nicht verkauften Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse den geschuldeten Kaufpreis oder die Beseitigungskosten entgegen § 12 Satz 1 nicht bezahlt,

4.
einzelne Leistungen aus einem Vertrag über den Kauf von verderblichen Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnissen entgegen § 13 kurzfristig abbestellt,

5.
von dem Lieferanten Leistungen verlangt, auf die er keinen Anspruch hat, weil sie auf einer nach Satz 2 Nummer 1 Buchstabe h verbotenen Verwendung von Vertragsbedingungen beruhen oder nach § 14, § 15, § 16 oder § 17 Satz 1 nicht wirksam vereinbart werden können oder weil es an einer klaren, eindeutigen und wirksamen Vereinbarung nach § 20 fehlt,

6.
entgegen § 18 dem Lieferanten Vergeltungsmaßnahmen geschäftlicher Art androht oder derartige Maßnahmen gegen den Lieferanten ergreift,

7.
eine Bestätigung nach § 19 Satz 1 oder Satz 2 nicht erteilt,

8.
eine Schätzung der Zahlungen oder Preisnachlässe oder eine Kostenschätzung nach § 21 nicht zur Verfügung stellt oder

9.
Geschäftsgeheimnisse des Lieferanten entgegen § 4 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen erlangt, nutzt oder offenlegt.




§ 24 Anwendbarkeit des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen



Die Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, insbesondere die §§ 19 und 20 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, sowie die Aufgaben, Befugnisse und Zuständigkeiten des Bundeskartellamts bleiben unberührt.




Abschnitt 2 Beschwerderecht des Lieferanten; alternative Streitbeilegung

§ 25 Beschwerde; Verordnungsermächtigung



(1) 1Eine Beschwerde bei der Durchsetzungsbehörde können unbeschadet anderweitiger Rechtsbehelfe einlegen:

1.
der Lieferant;

2.
folgende wirtschaftliche Vereinigungen oder Zusammenschlüsse:

a)
eine wirtschaftliche Vereinigung von Lieferanten, deren Mitglied der Lieferant ist, oder

b)
ein Zusammenschluss von wirtschaftlichen Lieferantenvereinigungen,

aa)
dessen Mitglied der Lieferant ist oder

bb)
dessen Mitglied eine Lieferantenvereinigung ist, in der der Lieferant Mitglied ist,

wenn der Lieferant diese Vereinigung oder den Zusammenschluss mit der Einlegung der Beschwerde beauftragt hat;

3.
andere unabhängige juristische Personen, die mit ihrer Tätigkeit keinen Erwerbszweck verfolgen und die ein berechtigtes Interesse daran haben, Lieferanten zu vertreten, wenn sie der Lieferant mit der Einlegung der Beschwerde beauftragt hat.

2In der Beschwerde ist darzulegen, gegen welche der nach § 23 Satz 2 in Verbindung mit den §§ 11 bis 21 und in Verbindung mit § 4 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen verbotenen Handelspraktiken der Käufer gegenüber dem Lieferanten verstoßen haben soll.

(2) Das Bundesministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, das Beschwerdeverfahren näher zu regeln.




§ 26 Vertrauliche Behandlung von Informationen



(1) 1Auf Antrag des Beschwerdeführers trifft die Durchsetzungsbehörde die erforderlichen Maßnahmen, um

1.
die Identität des von der unlauteren Handelspraktik Betroffenen zu schützen sowie

2.
alle sonstigen Informationen, deren Offenlegung nach Ansicht des von der unlauteren Handelspraktik Betroffenen seinen Interessen schaden würde, zu schützen.

2In dem Antrag ist anzugeben, welche Informationen aus der Beschwerde vertraulich zu behandeln sind.

(2) 1Kann die Durchsetzungsbehörde die Untersuchung der Beschwerde nicht abschließen, ohne vertrauliche Informationen im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 offenzulegen, so teilt sie dem Beschwerdeführer mit, dass sie das Verfahren einstellt, sofern der Beschwerdeführer nicht innerhalb einer angemessenen Frist der erforderlichen Offenlegung der Informationen zustimmt. 2Ist der Beschwerdeführer nicht der Betroffene, so kann der Beschwerdeführer nur nach Einwilligung des Betroffenen der Offenlegung zustimmen; die Einwilligung bedarf der Textform. 3Der Beschwerdeführer hat die Einwilligung zusammen mit der Zustimmungserklärung der Durchsetzungsbehörde vorzulegen.




§ 27 Vereinbarung über alternative Streitbeilegung



Unbeschadet des Rechts des Lieferanten, nach § 25 eine Beschwerde einzulegen, und der Befugnisse der Durchsetzungsbehörde nach § 28 können der Lieferant und der Käufer vereinbaren, alternative Streitbeilegungsverfahren einschließlich der Anrufung einer Ombudsstelle zu nutzen, wenn sich der Lieferant durch den Käufer einer Handelspraktik ausgesetzt sieht, die nach § 23 Satz 2 in Verbindung mit den §§ 11 bis 21 oder in Verbindung mit § 4 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen verboten ist.




Abschnitt 3 Befugnisse und Aufgaben der Durchsetzungsbehörde

§ 28 Befugnisse der Durchsetzungsbehörde



(1) 1Die Durchsetzungsbehörde hat die Befugnis,

1.
Untersuchungen auf Grund einer Beschwerde oder, auch aus Gründen der Vertraulichkeit, von Amts wegen einzuleiten und durchzuführen, wobei der Behörde die Rechte auf Grund des § 54 zustehen,

2.
nach Anhörung des Käufers einen Verstoß gegen eines der in § 23 Satz 2 in Verbindung mit den §§ 11 bis 21 und in Verbindung mit § 4 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen normierten Verbote festzustellen und die Anordnungen zu treffen, die zur Beseitigung des Verstoßes und zur Verhütung künftiger Verstöße notwendig sind,

3.
ihre nach Nummer 2 sowie nach § 55 Absatz 1 Nummer 1a und 1b gegenüber Käufern getroffenen Entscheidungen nach Maßgabe der Absätze 5 bis 7 zu veröffentlichen und

4.
Leitlinien zur Einstufung von Erzeugnissen als verderblich im Sinne des § 2 Absatz 1 Nummer 4 zu veröffentlichen.

2In Verfügungen nach Satz 1 Nummer 2 kann die Durchsetzungsbehörde eine Rückerstattung der aus dem rechtswidrigen Verhalten erwirtschafteten Vorteile anordnen. 3Die erwirtschafteten Vorteile einschließlich der Zinsvorteile können geschätzt werden. 4Nach Ablauf der in der Anordnung bestimmten Frist für die Rückerstattung sind die bis zu diesem Zeitpunkt erwirtschafteten Vorteile entsprechend § 288 Absatz 2 und § 289 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen.

(2) 1Die Durchsetzungsbehörde kann Anordnungen nach Absatz 1 Nummer 2 mit Zwangsmitteln nach den Bestimmungen des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes durchsetzen. 2Dabei kann sie die Zwangsmittel für jeden Fall der Nichtbefolgung androhen. 3Sie kann auch Zwangsmittel gegen Behörden anwenden. 4Die Höhe des Zwangsgelds kann bis zu 300.000 Euro betragen.

(3) 1Die Durchsetzungsbehörde veröffentlicht Entscheidungen nach Absatz 1 Nummer 3 nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens unter Nennung des Namens des Käufers auf ihrer Internetseite, soweit die Entscheidung nicht einen geringfügigen Verstoß betrifft. 2Ist die Entscheidung bei Veröffentlichung noch nicht bestandskräftig, weist die Durchsetzungsbehörde auf die fehlende Bestandskraft hin.

(4) 1Wird ein Verstoß behoben, der Gegenstand einer veröffentlichten Entscheidung ist, macht die Durchsetzungsbehörde dies unverzüglich auf ihrer Internetseite bekannt. 2Ergeht zu der Entscheidung der Durchsetzungsbehörde eine Gerichtsentscheidung, macht die Durchsetzungsbehörde auf Antrag des betroffenen Käufers den Tenor der Gerichtsentscheidung unverzüglich auf ihrer Internetseite bekannt.

(5) 1Die Durchsetzungsbehörde entfernt die Informationen nach den Absätzen 3 und 4 spätestens drei Monate nach der Veröffentlichung der Entscheidung der Durchsetzungsbehörde oder des Tenors der Gerichtsentscheidung von der Internetseite. 2Wird ein Verstoß behoben, nachdem die Durchsetzungsbehörde die Informationen von der Internetseite nach Satz 1 entfernt hat, macht die Durchsetzungsbehörde die Behebung des Verstoßes auf Antrag des Käufers für die Dauer von höchstens drei Monaten auf ihrer Internetseite bekannt.




§ 28a Informationsaustausch mit dem Bundeskartellamt



1Die Durchsetzungsbehörde und das Bundeskartellamt können unabhängig von der jeweils gewählten Verfahrensart untereinander Informationen einschließlich personenbezogener Daten und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse austauschen, soweit dies zur Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgaben erforderlich ist, sowie diese in ihren Verfahren verwerten. 2Beweisverwertungsverbote bleiben unberührt.




§ 29 Tätigkeitsbericht der Durchsetzungsbehörde



1Die Durchsetzungsbehörde veröffentlicht jährlich einen Bericht über ihre Tätigkeit. 2Der Bericht hat für das jeweilige Vorjahr Folgendes zu umfassen:

1.
die Zahl der eingegangenen Beschwerden sowie die Zahl der eingeleiteten und der abgeschlossenen Untersuchungen und

2.
soweit mit einem Antrag nach § 26 Absatz 1 vereinbar, für jede abgeschlossene Untersuchung eine zusammenfassende Beschreibung des Sachverhalts, das Ergebnis der Untersuchung und gegebenenfalls die getroffene Entscheidung.




§ 30 Gegenseitige Amtshilfe der Durchsetzungsbehörden



(1) 1Die Durchsetzungsbehörde hat den Durchsetzungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie der Europäischen Kommission Informationen zu übermitteln und Amtshilfe zu leisten, soweit dies für eine einheitliche Umsetzung und Anwendung der Richtlinie (EU) 2019/633 erforderlich ist. 2Die Amtshilfe betrifft insbesondere Auskunftsersuchen sowie Untersuchungen bei Käufern, die in Deutschland niedergelassen sind.

(2) 1Die Durchsetzungsbehörde hat alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um Amtshilfeersuchen unverzüglich und spätestens innerhalb von sechs Wochen nach deren Eingang nachzukommen. 2Hat die ersuchende Durchsetzungsbehörde des anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union darauf hingewiesen, dass ein Antrag auf Vertraulichkeit vorliegt, so ist § 26 entsprechend anzuwenden.

(3) Die Durchsetzungsbehörde darf Amtshilfeersuchen nur ablehnen, wenn

1.
sie für den Gegenstand des Ersuchens oder für die Maßnahmen, die sie durchführen soll, nicht zuständig ist oder

2.
ein Eingehen auf das Ersuchen gegen Rechtsvorschriften verstoßen würde.

(4) 1Die Durchsetzungsbehörde hat die ersuchende Durchsetzungsbehörde des anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union über die Ergebnisse oder gegebenenfalls über den Fortgang der Maßnahmen zu informieren, die getroffen wurden, um dem Amtshilfeersuchen nachzukommen. 2Sie hat im Fall des Absatzes 3 die Gründe für die Ablehnung des Ersuchens zu erläutern.

(5) 1Ein Amtshilfeersuchen der Durchsetzungsbehörde hat alle erforderlichen Informationen zu enthalten; hierzu gehören insbesondere der Zweck und die Begründung des Ersuchens sowie gegebenenfalls ein Antrag auf Vertraulichkeit nach § 26 Absatz 1. 2Die auf das Ersuchen hin übermittelten Informationen dürfen ausschließlich zu dem Zweck verwendet werden, zu dem sie angefordert wurden.




§ 31 Austausch mit anderen Durchsetzungsbehörden



Die Durchsetzungsbehörde nimmt an den regelmäßigen Treffen der Durchsetzungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach Artikel 8 Absatz 2 der Richtlinie (EU) 2019/633 teil.




Abschnitt 4 Gerichtsverfahren

Unterabschnitt 1 Gerichtsverfahren in Verwaltungssachen

§ 32 Zuständigkeit, Zulässigkeit



(1) Über eine Klage gegen die Durchsetzungsbehörde entscheidet das für Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundeskartellamts zuständige Oberlandesgericht (zuständiges Gericht).

(2) Die §§ 42 bis 44a der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden.




§ 33 Aufschiebende Wirkung



Die Klage gegen eine Verfügung der Durchsetzungsbehörde hat keine aufschiebende Wirkung.




§ 34 Frist und Form



(1) 1Die Klage ist binnen einer Frist von einem Monat bei der Durchsetzungsbehörde schriftlich einzureichen. 2Die Frist beginnt mit der Zustellung der Verfügung der Durchsetzungsbehörde. 3Es genügt, wenn die Klage innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht.

(2) Erlässt die Durchsetzungsbehörde auf Grund einer Beschwerde keine Verfügung, so ist die Klage an keine Frist gebunden.

(3) 1Die Klage ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der angefochtenen Verfügung zu begründen. 2Im Fall des Absatzes 2 beträgt die Frist einen Monat; sie beginnt mit der Erhebung der Klage. 3Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des zuständigen Gerichts verlängert werden.

(4) Die Klagebegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Verfügung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird,

2.
die Angabe der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Klage stützt.

(5) Die Klageschrift und die Klagebegründung müssen von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein.




§ 35 Beteiligtenfähigkeit



Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind außer natürlichen und juristischen Personen auch nichtrechtsfähige Personenvereinigungen.




§ 36 Verfahrensbeteiligte



An dem Verfahren vor dem zuständigen Gericht sind beteiligt:

1.
der Kläger,

2.
die Durchsetzungsbehörde,

3.
Personen und Personenvereinigungen, deren Interessen durch die Entscheidung erheblich berührt werden und die die Durchsetzungsbehörde auf ihren Antrag zu dem Verfahren beigeladen hat.




§ 37 Anwaltszwang



1Vor dem zuständigen Gericht müssen sich die Beteiligten durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen. 2Die Durchsetzungsbehörde kann sich durch ein Mitglied der Behörde vertreten lassen.




§ 38 Mündliche Verhandlung



(1) Das zuständige Gericht entscheidet über die Klage auf Grund mündlicher Verhandlung; mit Einverständnis der Beteiligten kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.

(2) Sind die Beteiligten in dem Verhandlungstermin trotz rechtzeitiger Benachrichtigung nicht erschienen oder werden sie nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, so kann gleichwohl in der Sache verhandelt und entschieden werden.




§ 39 Untersuchungsgrundsatz



(1) Das zuständige Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen.

(2) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, dass

1.
Formfehler beseitigt werden,

2.
unklare Anträge erläutert werden,

3.
sachdienliche Anträge gestellt werden,

4.
ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt werden und

5.
alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(3) 1Das zuständige Gericht kann den Beteiligten aufgeben, sich innerhalb einer zu bestimmenden Frist über aufklärungsbedürftige Punkte zu äußern, Beweismittel zu bezeichnen und in ihren Händen befindliche Urkunden sowie andere Beweismittel vorzulegen. 2Bei Versäumung der Frist kann nach Lage der Sache ohne Berücksichtigung der nicht beigebrachten Beweismittel entschieden werden.




§ 40 Gerichtsentscheidung



(1) 1Das zuständige Gericht entscheidet durch Urteil oder, wenn nach Einverständnis der Beteiligten nach § 38 Absatz 1 ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, durch Beschluss. 2Das zuständige Gericht trifft die Entscheidung nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. 3Die Entscheidung darf nur auf Tatsachen und Beweismittel gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. 4Das zuständige Gericht kann hiervon abweichen, soweit Beigeladenen aus wichtigen Gründen, insbesondere zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen, Akteneinsicht nicht gewährt und der Akteninhalt aus diesen Gründen auch nicht vorgetragen worden ist. 5Dies gilt nicht für solche Beigeladene, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann.

(2) 1Hält das zuständige Gericht die Verfügung der Durchsetzungsbehörde für unzulässig oder unbegründet, so hebt es die Verfügung auf. 2Hat sich die Verfügung vorher durch Zurücknahme oder auf andere Weise erledigt, so spricht das zuständige Gericht auf Antrag aus, dass die Verfügung der Durchsetzungsbehörde unzulässig oder unbegründet gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(3) Hält das zuständige Gericht die Ablehnung oder die Unterlassung der Verfügung für unzulässig oder unbegründet, so spricht es die Verpflichtung der Durchsetzungsbehörde aus, die beantragte Verfügung vorzunehmen.

(4) Die Verfügung ist auch dann unzulässig oder unbegründet, wenn die Durchsetzungsbehörde von ihrem Ermessen fehlerhaften Gebrauch gemacht hat, insbesondere dann, wenn sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder durch die Ermessensentscheidung Sinn und Zweck dieses Gesetzes verletzt hat.

(5) Die Entscheidung ist zu begründen und mit einer Rechtsmittelbelehrung den Beteiligten zuzustellen.




§ 41 Abhilfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör



(1) 1Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
weder ein Rechtsmittel noch ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung gegeben ist und

2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

2Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) 1Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. 2Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. 3Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. 4Die Rüge ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. 5Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) 1Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. 2Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. 3Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. 4Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) 1Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. 2Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. 3Im schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. 4Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung anzuwenden.





§ 42 Akteneinsicht



(1) 1Die in § 36 Nummer 1 und 2 bezeichneten Beteiligten können die Akten des zuständigen Gerichts einsehen und sich von der Geschäftsstelle auf eigene Kosten Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften aushändigen lassen. 2§ 299 Absatz 3 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(2) 1Einsicht in Vorakten, Beiakten, Gutachten und Auskünfte ist nur mit Zustimmung der Stellen zulässig, denen die Unterlagen gehören oder die die Auskünfte eingeholt haben. 2Die Durchsetzungsbehörde hat die Zustimmung zur Einsicht in die ihr gehörenden Unterlagen zu versagen, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen, geboten ist. 3Wird die Einsicht abgelehnt oder ist sie unzulässig, dürfen diese Unterlagen der Entscheidung nur insoweit zugrunde gelegt werden, als ihr Inhalt vorgetragen worden ist. 4Das zuständige Gericht kann die Offenlegung von Tatsachen oder Beweismitteln, deren Geheimhaltung aus wichtigen Gründen, insbesondere zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen, verlangt wird, nach Anhörung des von der Offenlegung Betroffenen durch Beschluss anordnen, soweit es für die Entscheidung auf diese Tatsachen oder Beweismittel ankommt, andere Möglichkeiten der Sachaufklärung nicht bestehen und nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalles die Bedeutung der Sache für den Schutz vor unlauteren Handelspraktiken das Interesse des Betroffenen an der Geheimhaltung überwiegt. 5Der Beschluss ist zu begründen. 6In dem Verfahren nach Satz 4 muss sich der Betroffene nicht anwaltlich vertreten lassen.

(3) Den in § 36 Nummer 3 bezeichneten Beteiligten kann das zuständige Gericht nach Anhörung des Verfügungsberechtigten Akteneinsicht in gleichem Umfang gewähren.




§ 43 Geltung von Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Zivilprozessordnung



Für Verfahren vor dem zuständigen Gericht gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist, folgende Vorschriften entsprechend:

1.
die Vorschriften der §§ 169 bis 201 des Gerichtsverfassungsgesetzes über Öffentlichkeit, Sitzungspolizei, Gerichtssprache, Beratung und Abstimmung sowie über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren;

2.
die Vorschriften der Zivilprozessordnung über Ausschließung und Ablehnung eines Richters, über Prozessbevollmächtigte und Beistände, über die Zustellung von Amts wegen, über Ladungen, Termine und Fristen, über die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Parteien, über die Verbindung mehrerer Prozesse, über die Erledigung des Zeugen- und Sachverständigenbeweises sowie über die sonstigen Arten des Beweisverfahrens, über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Frist sowie über den elektronischen Rechtsverkehr.




§ 44 Zulassung der Revision, absolute Revisionsgründe



(1) Gegen Entscheidungen des Oberlandesgerichts findet die Revision an den Bundesgerichtshof statt, wenn das Oberlandesgericht die Revision zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder

2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

(3) 1Über die Zulassung oder Nichtzulassung der Revision ist in der Entscheidung des Oberlandesgerichts zu befinden. 2Die Nichtzulassung ist zu begründen.

(4) Einer Zulassung zur Einlegung der Revision gegen Entscheidungen des zuständigen Gerichts bedarf es nicht, wenn einer der folgenden Mängel des Verfahrens vorliegt und gerügt wird:

1.
wenn das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,

2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,

3.
wenn einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt worden ist,

4.
wenn ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,

5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder

6.
wenn die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.




§ 45 Nichtzulassungsbeschwerde



(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden.

(2) 1Über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheidet der Bundesgerichtshof durch Beschluss, der zu begründen ist. 2Der Beschluss kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(3) 1Die Nichtzulassungsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim Oberlandesgericht einzulegen. 2Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung.

(4) 1Für die Nichtzulassungsbeschwerde gelten entsprechend:

1.
§ 34 Absatz 3, 4 Nummer 1 und Absatz 5, die §§ 36, 37, 42 und 43 Nummer 2 dieses Gesetzes sowie

2.
die §§ 192 bis 201 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Beratung und Abstimmung sowie über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren.

2Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das nach § 32 Absatz 1 zuständige Gericht zuständig.

(5) 1Wird die Revision nicht zugelassen, so wird die Entscheidung des Oberlandesgerichts mit der Zustellung des Beschlusses des Bundesgerichtshofs rechtskräftig. 2Wird die Revision zugelassen, so beginnt mit der Zustellung des Beschlusses des Bundesgerichtshofs der Lauf der Beschwerdefrist.




§ 46 Revisionsberechtigte, Form und Frist



(1) Die Revision steht der Durchsetzungsbehörde sowie den am Klageverfahren Beteiligten zu.

(2) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) 1Die Revision ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim Oberlandesgericht einzulegen. 2Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung.

(4) Der Bundesgerichtshof ist an die in der angefochtenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer, wenn in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht worden sind.

(5) 1Für die Revision gelten im Übrigen § 34 Absatz 3, 4 Nummer 1 und Absatz 5 sowie die §§ 36 bis 38 und 40 bis 43 entsprechend. 2Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das nach § 32 Absatz 1 zuständige Gericht zuständig.




§ 47 Kostentragung und Kostenfestsetzung



1Im Klageverfahren und im Revisionsverfahren kann das Gericht anordnen, dass die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilweise zu erstatten sind, wenn dies der Billigkeit entspricht. 2Hat ein Beteiligter Kosten durch ein unbegründetes Rechtsmittel oder durch grobes Verschulden veranlasst, so sind ihm die Kosten aufzuerlegen. 3Im Übrigen gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen entsprechend.




Unterabschnitt 2 Gerichtsverfahren in Bußgeldsachen

§ 48 Befugnisse und Zuständigkeiten im gerichtlichen Bußgeldverfahren



(1) Im gerichtlichen Bußgeldverfahren kann dem Vertreter der Durchsetzungsbehörde gestattet werden, Fragen an Betroffene, Zeugen und Sachverständige zu richten.

(2) 1Die Vollstreckung der Geldbuße und die Einziehung des Geldbetrages, dessen Einziehung nach § 29a des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten angeordnet wurde, erfolgt durch die Durchsetzungsbehörde als Vollstreckungsbehörde. 2Grundlage hierfür ist eine beglaubigte Abschrift der Urteilsformel, die entsprechend den Vorschriften über die Vollstreckung von Bußgeldbescheiden vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts erteilt und mit der Bescheinigung der Vollstreckbarkeit versehen sein muss. 3Die Geldbußen und die eingezogenen Geldbeträge fließen der Bundeskasse zu, die auch die der Staatskasse auferlegten Kosten trägt.




§ 49 Zuständigkeit des Oberlandesgerichts im gerichtlichen Verfahren



(1) 1Das nach § 32 Absatz 1 zuständige Gericht entscheidet

1.
im gerichtlichen Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 55 Absatz 1 Nummer 1a oder 1b,

2.
über einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 62 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten) in den Fällen des § 52 Absatz 2 Satz 3 und des § 69 Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten.

2§ 140 Absatz 1 Nummer 1 der Strafprozessordnung in Verbindung mit § 46 Absatz 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten findet keine Anwendung.

(2) Das Oberlandesgericht entscheidet in der Besetzung von drei Mitgliedern, das vorsitzende Mitglied eingeschlossen.




§ 50 Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof



1Über die Rechtsbeschwerde (§ 79 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten) entscheidet der Bundesgerichtshof. 2Hebt er die angefochtene Entscheidung auf, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, so verweist er die Sache an das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung aufgehoben wird, zurück.




§ 51 Wiederaufnahmeverfahren gegen den Bußgeldbescheid



Im Wiederaufnahmeverfahren gegen den Bußgeldbescheid der Durchsetzungsbehörde (§ 85 Absatz 4 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten) entscheidet das nach § 32 Absatz 1 zuständige Gericht.




§ 52 Gerichtliche Entscheidungen bei der Vollstreckung



Die bei der Vollstreckung notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen (§ 104 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten) werden von dem nach § 32 Absatz 1 zuständigen Gericht erlassen.




Unterabschnitt 3 Gemeinsame Bestimmungen für das gerichtliche Verfahren

§ 52a Zuständiger Senat bei dem Oberlandesgericht



Der nach § 91 Satz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen bei dem Oberlandesgericht gebildete Kartellsenat entscheidet über die nach diesem Gesetz dem Oberlandesgericht zugewiesenen Rechtssachen.




§ 52b Zuständiger Senat beim Bundesgerichtshof



(1) Der nach § 94 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen beim Bundesgerichtshof gebildete Kartellsenat entscheidet über folgende Rechtsmittel:

1.
in Verwaltungssachen über die Revision gegen Entscheidungen des Oberlandesgerichts (§§ 44, 46, 47) und über die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 45),

2.
in Bußgeldsachen über die Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen des Oberlandesgerichts (§ 50).